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Die Kleinen als Feigenblatt

Großbetriebe sind im Aufwind, Kleinlandwirte kämpfen. Das gilt für Europa wie für Österreich. Wie "die Großen auf Kosten der Kleinen" expandieren.

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Coverstory: Nebenbei rund um die Uhr

Die Mehrheit der LandwirtInnen in Österreich bewirtschaftet ihren Betrieb inzwischen im Nebenerwerb. Manche haben wie Josef Pfeiffer das Glück, dass sich ihr zweiter Beruf perfekt mit der Landwirtschaft verbinden lässt. Für andere Beschäftigte wie Hannes und Elke Krauscher bedeutet es viel Arbeit, anstrengendes Pendeln und Stress. Und doch machen sie ihre Berufe mit Leidenschaft. Zwei Nebenerwerbs-Familien im Porträt.

Standpunkt: Bitte mehr Ehrlichkeit!

Standpunkt: Bitte mehr Ehrlichkeit!

Sonja Fercher
Chefredakteurin
Arbeit & Wirtschaft
anches Mal fragt man sich, ob man sich nicht eigentlich im Marchfeld befindet, wenn man riesigen Traktoren oder anderen Landmaschinen dabei zusieht, wie sie sich durch enge Bergdörfer quälen. Es verwundert schon, wenn man ihnen in Gegenden begegnet, in denen es nur kleine Äcker gibt. „Und das alles aus unserem Steuergeld bezahlt“, lautet dann ein schneller Reflex. Doch wie so oft ist die Wahrheit auch in der Landwirtschaft komplizierter, als es verbreitete Vorurteile suggerieren – so wahr einige auch sein mögen.
Drastische Unterschiede
So klein Österreich auch sein mag, allein schon wegen der Topografie gibt es massive Unterschiede zwischen den landwirtschaftlichen Betrieben. Um es anhand eines Vergleichs zu veranschaulichen: Das unterste Viertel der Betriebe im österreichischen Querschnitt schrieb Verluste, das oberste Viertel hatte ein Pro-Kopf-Einkommen von 51.201 Euro. Den Fakten zum Trotz wird weiterhin Landwirtschaftspolitik betrieben, als wären alle LandwirtInnen in einer ähnlich schwierigen Situation.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Viele BäuerInnen leisten in der Tat Schwer(st)arbeit und kämpfen um ihr wirtschaftliches Überleben. Aber eben nicht alle. Doch leider hat man den Eindruck, dass es unmöglich ist, eine sachliche Diskussion über die Landwirtschaft zu führen. Allzu schnell gehen die Wogen hoch. Dabei ist es völlig unverständlich, dass große LandwirtInnen von Begünstigungen profitieren, die für jene Betriebe sinnvoll sind, die tatsächlich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken. Noch viel unverständlicher ist, dass von vielen Förderungen die Großen überhaupt am meisten profitieren. Wenn Betriebe keine Hagelversicherungen abschließen, aber wenn es dann tatsächlich hagelt, nach dem Staat rufen, liegt etwas gewaltig im Argen.
Gewaltig schief läuft es jedenfalls im Steuersystem, von dem LandwirtInnen profitieren. Der beharrliche Widerstand gegen die Anpassung der Einheitswerte an ein realistischeres Niveau sorgte sogar für einen riesigen Schritt in Richtung Ungleichheit des österreichischen Steuersystems, nämlich die Abschaffung von Vermögens- und Erbschaftssteuern. Groß wurde angekündigt, dass die Einheitswerte nun nach vielen Jahren – konkret seit 1989 – endlich angepasst würden. Die Realität hinkt dem aber weit hinterher. So bleibt weiterhin ein System bestehen, das sogar das Verfassungsgericht und der Rechnungshof als ungerecht eingestuft haben. Entlarvend ist dabei die Linie des Finanzministeriums: Einmal verteidigte es die Pauschalierungsregel mit Hinweis „auf die in der Land- und Forstwirtschaft bestehenden, mit anderen Wirtschaftsbereichen nicht vergleichbaren besonderen Verhältnisse“, einmal verwies es auf schlechte Ergebnisse in der Land- und Forstwirtschaft, einmal auf Schwierigkeiten aufgrund des EU-Beitritts, weshalb „eine stärkere steuerliche Erfassung nicht durchsetzbar gewesen sei“.
Verdeckte Karten
Nun könnte man klar und deutlich sagen, dass man den Agrarsektor pauschal fördern will. Darüber aber gibt es keinen Konsens. Die Folge: Statt mit offenen Karten zu spielen, werden kleine Betriebe missbraucht, um Steuervorteile von großen LandwirtInnen zu verteidigen. Ähnliches gilt für das Fördersystem. Deshalb wirft die Arbeiterkammer zu Recht immer wieder die Frage auf, ob in der Landwirtschaft wirklich eine Umverteilung von unten nach oben stattfinden soll, und drängt auf Reformen.
Wir leben in einem Solidarsystem, daher ist es nur allzu nachvollziehbar, dass ArbeitnehmerInnen erwarten, dass Zuwendungen an die Landwirtschaft nicht nach dem Gießkannenprinzip vergeben werden. Darüber muss man offen diskutieren können. Immerhin geht es um Steuergelder und darum, wie diese lukriert und verteilt werden. Steuergelder, die für dringend nötige Reformen gebraucht werden, von der Bildung über den Arbeitsmarkt bis hin zur Pflege. Und es geht darum, ob die Steuerlast zwischen den BürgerInnen fair verteilt ist.

Nicht zuletzt: Alarmsignal

Nicht zuletzt: Alarmsignal

er Wahlkampf ist im Finale zu einer Schlammschlacht mit gegenseitigen Klagsdrohungen und Beschuldigungen verkommen. Eine Situation, bei der man es niemandem verdenken kann, wenn er oder sie einfach angewidert den Kopf wegdreht.
Der Schaden, der hier an der Politik und letztendlich an der Demokratie angerichtet wurde, ist, jetzt einige Tage nach der Wahl, noch gar nicht abzusehen.
Dirty Campaigning
Noch nie wurden in Österreich die Schattenseiten des „Dirty Campaigning“ – die Zeit der Demagogen und Politsöldner – so augenscheinlich wie jetzt. Es hat Wirkung gezeigt: Die politische Kultur und die öffentliche Diskussion leiden darunter.
Unsere politische Landschaft ist im Umbruch. Die Bindungen zu Vorfeldorganisationen und Parteien werden immer schwächer. Traditionelle Politik mit ihrer herkömmlichen Kommunikation versagt.
Wir überlassen es gerade den PopulistInnen, jene Menschen „einzusammeln“, die sich nicht mehr an große Organisationen gebunden fühlen. Jene Menschen, die mit der zunehmenden Komplexität einer modernen kapitalistischen Welt konfrontiert und damit auch oft überfordert sind.
„Die größte Chance für Populisten tritt dann ein, wenn ganze Bevölkerungsteile gesellschaftspolitisch obdachlos werden.“
Lawrence Goodwyn
Populistische Strömungen sind ein Protest gegen etablierte Parteien. Gerade in unserer gewerkschaftlichen Zielgruppe ist es ein Misstrauen gegen die akademische Schicht, gegen gesellschaftliche und wirtschaftliche Eliten und gegen soziale Ungleichheit.
Vielleicht könnte man Populismus sogar als „unser schlechtes Gewissen“ betrachten. Im positivsten Sinn ein Alarmsignal, das auf eine Krise der etablierten Politik hinweist, auf einen Mangel von guter und professioneller Kommunikation „zwischen denen da oben“ und „dem Volk“. Also ein Aufschrei des Misstrauens und der Unzufriedenheit.
Vielleicht ist Populismus so etwas wie ein Albtraum für die herkömmliche Politik, für die Reformpolitik der Mitte, für die Politik der Koalitionen und die Politik der „faulen“ Kompromisse.
Populismus als Revolte
Vielleicht ist der Populismus als Revolte gegen eine wissensorientierte Zukunftsvorstellung zu verstehen. Als Ablehnung gegen eine globale Zukunft, der viele unvorbereitet und verunsichert entgegensehen. Oder ein Aufschrei gegen die Zukunftsvorstellung des lebenslangen Lernens, das viele als lebenslangen Zwang erleben; gegen eine Zukunft, die sich einer leistungs- und wissenschaftsorientierten Wirtschaft verschrieben hat, in der der Zwang zur Flexibilität und die Logik des Marktes vorherrschen.
Viele Menschen fühlen sich diesen Entwicklungen gegenüber überfordert und schutzlos ausgeliefert. Der Populismus lehnt sich dagegen auf. Vielleicht umso erfolgreicher, weil wir den Menschen oft nur sagen „das ist unsere einzig mögliche Zukunft“, weil wir keine Alternativen aufzeigen, keine Gegenentwürfe zu dieser rein der Vernunft des Kapitals unterworfenen Welt vorlegen.
Tiefe Kluft
Weil die Argumentation der politischen Mitte auf eine tiefe Kluft zwischen den GewinnerInnen und den VerliererInnen der Modernisierung abzielt, auf die Kluft zwischen ZukunftsoptimistInnen und ZukunftspessimistInnen. Eine Kluft, die hingenommen wird.
Dadurch entsteht eine Trennlinie zwischen gesellschaftlichen Gruppen, zwischen jenen, die die Zukunft willkommen heißen, und denen, die die Zukunft fürchten. Unsere politische Positionierung in diesen Fragen wird also über die Zukunft des Populismus entscheiden!

D wie Demagogie

Von Establishment über Gesinnungsterror bis Systemparteien: Begriffe von und über PopulistInnen.

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Tödliche Straflust

Der 10. Oktober ist der Tag der Todesstrafe. In der EU richtet der Staat nicht mehr über Menschenleben. Doch das Thema bleibt ein populistischer Stimmungsmacher.

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