Ohne vorherige Einbindung der Sozialpartner hat die Regierung mit der seit 1. September 2018 geltenden Arbeitszeitregelung Fakten geschaffen. 12-StundenTage und 60-Stunden-Wochen werden damit von ArbeitnehmerInnen häufiger zu leisten sein als bisher. Der Schutz der Beschäftigten tritt in den Hintergrund gegenüber den Interessen der Unternehmen. Welche Konsequenzen sind zu erwarten?
Sonja Fercher
Chefredakteurin
Arbeit&Wirtschaft
Wer lacht nicht gern über die schlimmen Sachen, die Paulchen Panther immer wieder von Neuem einfallen. Weniger Grund zum Lachen geben allerdings jene schlimmen Dinge, die die türkisblaue Regierung im Herbst in Sachen Arbeitszeit in Gesetzesform gegossen hat. Denn anders als beim rosaroten Panther sind sie nicht nur Farb und Pinselstrich, sondern haben für die ArbeitnehmerInnen ganz handfeste negative Konsequenzen. Zugleich sind sie so retro, wie es die pinke Katze ist, die Anfang der 1960er-Jahre in den USA das Licht der Öffentlichkeit erblickte. Wenn man so will, hat die türkis-blaue Regierung die Uhr sogar noch viel weiter zurückgedreht, denn der 8-Stunden-Tag ist immerhin eine Errungenschaft, die in Österreich dieses Jahr ihren hundertsten Geburtstag gefeiert hätte.
Wer sich mit dem Thema Arbeitszeit einmal ausführlich beschäftigt und die Meinung von ExpertInnen aufmerksam gelesen hat, kann über den 12-StundenTag nur den Kopf schütteln. Denn wenn es einen Punkt gibt, in dem sich wirklich alle einig sind, dann ist es dieser: Es ist allerhöchste Zeit für eine Arbeitszeitverkürzung. Dafür gibt es viele gute Gründe. Stattdessen aber hat die Regierung die Uhren zurückgedreht.
Es ist allerhöchste Zeit für eine Arbeitszeitverkürzung.
So ist die Arbeitszeitverkürzung eine gute Maßnahme, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Und auch wenn Österreich im EU-Vergleich in der Hinsicht gar nicht so schlecht dasteht, so verdienen es jene Arbeitslose, die dieses Schicksal oftmals schon sehr lange erleiden, dass man alles daransetzt, dass sie wieder Arbeit finden. Es ist im Grunde wenig überraschend, dass eine Regierung mit Beteiligung der FPÖ hier einen anderen Weg geht, nämlich jenen der Stigmatisierung von Arbeitslosen. Allerdings passt es auch zur neuen Linie der türkisen ÖVP, die den Interessen der Arbeitgeber klar und deutlich Vorrang einräumt. Dass es aber nicht genug Jobs gibt, es also bei vielen Arbeitslosen gar keine Frage des Wollens ist, sondern vielmehr des mangelnden Angebots: Das wird allzu gerne unter den Tisch gekehrt.
Zurück an den Herd?
Retro ist die Arbeitszeitverlängerung aber nicht nur in arbeitsmarktpolitischer Hinsicht, sondern auch was die Gleichstellung der Geschlechter betrifft. Denn es ist ebenfalls wissenschaftlich erwiesen, dass längere Arbeitszeiten dazu führen, dass sich die traditionelle Arbeitsaufteilung zwischen Mann und Frau verstärkt. Das hängt mit einer weiteren Baustelle
zusammen, die Türkis-Blau nicht angeht: mehr Kinderbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen. Solange es kein entsprechendes Angebot gibt, bleibt es an den Frauen hängen, sich dieser Familienarbeiten anzunehmen. Das hat nicht immer damit zu tun, dass die jeweiligen Paare traditionelle Rollenvorstellungen haben. Vielmehr stecken meist finanzielle Abwägungen dahinter: Da Frauen nach wie vor weniger verdienen, lässt sich der Ausfall ihres Einkommens – ob zur Gänze oder zum Teil – meist leichter verkraften.
Eine Arbeitszeitverlängerung widerspricht den Wünschen der Menschen.
Es steht also zu befürchten, dass die Uhren in Sachen Familienarbeit wieder zurückgedreht werden. Der springende Punkt dabei ist die von der Regierung so hochgehaltene, aber keineswegs gewährte Freiwilligkeit: Wenn Mann und Frau sich frei entscheiden können, wie sie die familieninterne Arbeitsaufteilung gestalten wollen, ist auch gegen eine traditionelle Aufteilung nichts einzuwenden. Wenn die Menschen und insbesondere die Frauen aber keine andere Wahl haben, so ist das völlig inakzeptabel. Auch das ist ein weiterer problematischer Punkt bei der von der Regierung durchgeboxten Arbeitszeitverlängerung: Sie widerspricht den Wünschen der Menschen, denn diese weisen eindeutig in Richtung Arbeitszeitverkürzung. Wer lange Arbeitszeiten hat, wünscht sich kürzere, wer Teilzeit arbeitet, will mehr Stunden. Ganz zu schweigen von den handfesten negativen Folgen für die Gesundheit, die lange Arbeitszeiten haben. Höchste Zeit also, die Uhren wieder vorzustellen, und zwar in Richtung einer menschenwürdigen Regelung der Arbeitszeit.
Die Kampagne für Arbeitszeitverkürzung hatte von Anfang an auch zum Ziel, dass ArbeitnehmerInnen demokratische Rechte in Anspruch nehmen können.
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