Nach sieben Verhandlungsrunden: Abschluss der KV-Verhandlungen im Handel

Ein belebtes Einkaufszentrum in der Weihnachtszeit. Symbolbild für den KV-Abschluss im Handel in der Hebrstlohnrunde.
Auch die zweite Verhandlungsrunde bei den KV-Verhandlungen im Handel endete ergebnislos. | © Adobestock/Dmitrijs Dmitrijevs
Die KV-Verhandlungen im Handel sind vorerst gescheitert. Es finden nach vier gescheiterten Runden erste Warnstreiks statt.
Schon das erste Treffen brachen die Arbeitgeber:innen vorzeitig ab. Die Gewerkschaft GPA forderten ursprünglich  11 Prozent Lohnerhöhung  (Benya-Formel). Forderungen, von denen sie ein Stück weit abgerückt sind, um den Unternehmen entgegenzukommen. Die Arbeitgeber:innen erhoffen sich jedoch sogenannte „kreative Lösungen“, wie es WKO-Handelsobmann Rainer Trefelik ausdrückte. Er zweifelte an, ob die Teuerung wirklich Basis der KV-Verhandlungen im Handel sein müsste.

Update zu den KV-Verhandlungen im Handel

vom 27.12.2023

Nach sieben Sitzungen sind die KV-Verhandlungen im Handel endlich abgeschlossen. Die rund 430.000 Angestellten der Branche bekommen zwischen 9,2 Prozent 8,3 Prozent mehr Lohn. Lehrlinge können sich sogar über 10 Prozent mehr freuen. Gleichzeitig wächst der Mindestlohn auf 2.124 Euro. „„Für uns war wichtig, dass wir einen dauerhaft wirksamen Gehaltsabschluss für alle erreichen. Wesentlich ist weiters, dass wir die von den Arbeitgebern vorgeschlagene Einmalzahlung vom Tisch bekommen haben“, fasst Helga Fichtinger, Chefverhandlerin der Gewerkschaft GPA, das Ergebnis zusammen. Die Gehaltserhöhung gilt ab dem 1. Jänner 2024.

Update: Sozialpartnerschaft beschädigt

vom 18.12.2023

Schon die Betriebsversammlungen Anfang vergangener Woche waren angespannt. Zu zäh war das Ringen um einen neuen Kollektivvertrag im Handel in dieser Herbstlohnrunde. Immer wieder hatten die Arbeitgeber:innen die Verhandlungen abgebrochen. „Während der Pandemiejahre wurden die Handelsarbeiter:innen als systemrelevant beklatscht und die Handelsbetriebe haben sich mit den kraftraubenden Leistungen der Beschäftigten die Taschen gut gefüllt. Ich erwarte mir daher morgen konstruktive und zügige Verhandlungen“, hieß es damals von Christine Heitzinger. Sie ist Vorsitzende des Fachbereichs Dienstleistungen in der Gewerkschaft vida und KV-Verhandlungsleiterin.

Doch es sollte anders kommen. Am 15. Dezember brachen die Arbeitgeber:innen auch die sechste Verhandlungsrunde ergebnislos ab. Nicht einmal ein neues Angebot haben sie für die KV-Verhandlungen im Handel vorgelegt. Anders als die Gewerkschaften wohlgemerkt. Die hatten versucht, sich auf die Unternehmen im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten auf die Unternehmen zuzubewegen. „Während wir uns wiederum bewegt und einen sozial gestaffelten Abschluss zwischen 9,38 % und 8,58 % vorgelegt und auch eine Öffnungsklausel für Betriebe in wirtschaftlichen Schwierigkeiten angeboten haben, blieben die Arbeitgeber bei der Blockadehaltung“, kritisierte Helga Fichtinger. Sie ist Chefverhandlerin der Gewerkschaft GPA.

Die Arbeitgeber:innen bieten weiterhin eine Gehaltserhöhung von 8 Prozent an. „Das war zu wenig und hat nicht einmal die den Verhandlungen zugrunde liegende rollierende Inflation in Höhe von 9,2 Prozent abgedeckt. Wir fordern eine Stärkung der Kaufkraft der Beschäftigten in Form eines fairen Anteils am Produktivitätszuwachs“, so Heitzinger. Der Österreichische Gewerkschaftsbund sieht eine „schwere Schädigung der Sozialpartnerschaft“.

https://twitter.com/GewerkschaftGPA/status/1735956257968689311

 

Update: Erste Warnstreiks im Handel

vom 29.11.2023

Nach vier gescheiterten Verhandlungsrunden kommt es nun auch im Handel zu ersten Warnstreiks. Die Forderung der GPA liegt bei 9,4 % zuzüglich 15 Euro Fixbetrag, was durchschnittlich eine Gehaltserhöhung von 9,97 % bedeuten würde. Doch die Arbeitgeber:innen wsind mit ihrem Angebot noch weit davon entfernt. „Sechs Prozent Gehaltserhöhung plus Einmalzahlung sind angesichts der hohen Teuerung ein Affront gegenüber den Beschäftigten, die teilweise nicht mehr wissen, wie sie finanziell über die Runden kommen. Dass die Arbeitgeber unser Angebot für einen sozial gestaffelten Abschluss, der die unteren Gehaltsgruppen stärker angehoben hätte, nicht aufgegriffen haben zeigt, wie weit sie von der Lebensrealität der eigenen Beschäftigten entfernt sind“, so die Chefverhandlerin der GPA, Helga Fichtinger.

Deswegen finden nun in ausgewählten Standorten vom 30.11. bis 3.12. erste Warnstreiks statt. „Die erste Welle von Warnstreiks wurde heute von der Arbeitgeberseite losgetreten. Die Unterstützung von Seiten der Beschäftigten ist groß und wird von Tag zu Tag größer. Wir haben für 5. oder 6. Dezember einen weiteren Verhandlungstermin angeboten“, ergänzt Martin Müllauer, Vorsitzender des Wirtschaftsbereichs Handel in der GPA.

Update: Handel kündigt Demonstrationen an

vom 14.11.2023

Auch die zweite Verhandlungsrunde brachte bei den KV-Verhandlungen im Handel nicht den erwünschten Durchbruch. Im Gegenteil. Immer noch gibt es vonseiten der Arbeitgeber:innen nicht einmal ein Angebot. Die aktuelle Herbstlohnrunde gestaltet sich deswegen schwer. In Wien und Salzburg kommt es deswegen zu Protestkundgebungen. Die Demo in Wien beginnt am Dienstag, 14. November 2023, um 11 Uhr am Schwedenplatz. In Salzburg um 11.30 Uhr in der Linzer Gasse/Platz. Im schlimmsten Fall droht ausgerechnet im Weihnachtsgeschäft ein Streik.

 

Ursprünglicher Artikel vom 01.11.2023

Wie schwer die Verhandlungen für den Kollektivvertrag sein können, zeigt die aktuelle Herbstlohnrunde beim Handel. Schon das erste Treffen brachen die Arbeitgeber:innen vorzeitig ab. Die Gewerkschaft GPA fordert 11 Prozent Lohnerhöhung. Grundlage dieser Forderung ist die rollierende Inflation von 9,2 Prozent und die gestiegene Produktivität (Benya-Formel). Die Vertreter:innen der Unternehmen erhoffen sich jedoch sogenannte „kreative Lösungen“, wie es WKO-Handelsobmann Rainer Trefelik ausdrückte. Er zweifelte an, ob die Teuerung wirklich Basis der KV-Verhandlungen im Handel sein müsste.

KV-Verhandlungen im Handel

Am Donnerstag, 2. November, starten bereits die ersten Betriebsversammlungen im Handel. Das ging schnell. Schon die erste Verhandlungsrunde brachen die Vertreter:innen der Unternehmen schnell ab. Und das zumindest für die Gewerkschaft überraschend. „Das Verhalten der Arbeitgeber ist völlig unverständlich und wir sind empört. Sie kennen unsere Forderungen seit Wochen und wissen, dass die Beschäftigten eine Kaufkraftstärkung brauchen und erwarten“, so Martin Müllauer. Er ist Vorsitzender des GPA-Wirtschaftsbereiches Handel.

Dieses überhastete Ende ist in der aktuellen Herbstlohnrunde ein Tabubruch. „Das war heute keine Verhandlung, es war ein Versuch, bisherige Spielregeln zu brechen und uns einseitig ihre Bedingungen zu diktieren“, glaubt das GPA-Verhandlungsteams. Doch es ist nicht der Erste in diesem Jahr. So hat etwa der Verband der Österreichischen Zeitungen (VÖZ) Ende September den Kollektivvertrag für Journalist:innen einfach aufgekündigt. „Wir sind mit der Erwartung nach partnerschaftlichen und fairen Gesprächen auf Augenhöhe in die Verhandlungen gegangen. Diese Erwartungen wurden heute bitter enttäuscht“, so Helga Fichtinger über die KV-Verhandlungen im Handel. Sie ist Verhandlungsleiterin der Gewerkschaft GPA.

Handel muss attraktiver werden

Die KV-Verhandlungen dienen auch dazu, den Handel als gesamte Branche attraktiver zu machen. Neben einer fairen Bezahlung geht es den Gewerkschaften deswegen auch um eine moderne Gestaltung der Arbeitszeit. Konkret streben die Gewerkschaften eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung an. Zusätzlich sollen die Arbeitnehmer:innen mehr Urlaubstage erhalten, gestaffelt nach den Dienstjahren:

  • Ab fünf Dienstjahren zusätzlich drei Arbeitstage.
  • Ab sieben Dienstjahren noch einmal zusätzlich zwei Arbeitstage.
  • Ab zehn Dienstjahren noch einmal zusätzlich einen Arbeitstag.
  • Ab dreißig Dienstjahren zwei Bruttomonatsgehälter und zwei zusätzliche freie Tage als Prämie.

Die nächste Verhandlungsrunde findet am Donnerstag, 9. November 2023, statt. Vorher veranstalten die Gewerkschaften jedoch Betriebsversammlungen, um über den Stand der KV-Verhandlungen im Handel zu informieren. Insgesamt betrifft der Kollektivvertrag 430.000 Arbeitnehmer::innen und Lehrlinge. „Es geht um mehr Geld zum Leben und mehr Zeit. Die Beschäftigten im Handel brauchen eine höhere Lebensqualität“, fasst Fichtinger die Forderungen zusammen.

Handel jammert

Trefelik hat für die Forderungen der Gewerkschaften kaum Verständnis. Inflation, Rezession und Konsumzurückhaltung träfen den Handel hart und würden keinen Verhandlungsspielraum lassen. Zumindest das Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) sieht es geringfügig anders. Das erwartet für das Jahr 2024 eine Erholung der Konjunktur. Allerdings nur, wenn das Realeinkommen wächst. „Stärkere Impulse als von der Industrie werden 2024 allerdings von den privaten Haushalten ausgehen, deren Realeinkommen wegen der verzögerten Anpassung von Löhnen bzw. Gehältern, Pensionen und Sozialleistungen an die Inflation kräftig zulegen“, heißt es in der Konjunkturprognose.

https://twitter.com/AundWMagazin/status/1712120961338589238

 

Ohnehin hat der Handel Aufholbedarf. Das Vollzeit-Einstiegsgehalt liegt laut Kollektivvertrag bei 1.945 Euro brutto. Also unter der schon lange geforderten Mindestlohngrenze von 2.000 Euro. Erschwerend kommen strukturelle Probleme hinzu. Zwei Drittel aller Beschäftigten im Handel sind Frauen, die zu 60 Prozent lediglich in Teilzeit arbeiten. Dennoch lässt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands, via Pressemeldung ausrichten: „Die von der Gewerkschaft geforderte KV-Erhöhung um 11 Prozent ist für uns undenkbar, denn das würde eine nachhaltige Arbeitsplatzsicherung verunmöglichen und viele Handelsbetriebe wirtschaftlich ruinieren.“

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Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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