Schwitzen wie in Skopje
Grund hierfür ist der menschengemachte Klimawandel. Seit Jahren machen Studien Schlagzeilen, die Österreich – von den alpinen Gletschern bis ins Wiener Becken – als besonders betroffen hervorheben. Das renommierte Crowther Lab der ETH Zürich konkretisierte dies jüngst mit Daten von 520 Metropolen aus aller Welt. Das plakative Fazit seiner Studie lautet: Steigt die Durchschnittstemperatur bis 2050 global um 1,4 Grad, trifft es Großstädte der Nordhalbkugel besonders hart. Im besten angenommenen Fall wandert diese Region klimatisch zumindest 1.000 Kilometer südwärts. Die Bundeshauptstadt erlebt dann im Sommer Höchsttemperaturen, die 7,6 Grad über dem heutigen Wert liegen. Das heißt, Wien schwitzt morgen so sehr wie heute Skopje. Die Balkanmetropole selbst wird so heiß wie Austin, Texas. Stockholm wiederum wird Wien oder Budapest entsprechen. Tropische Städte werden gar Verhältnisse erleben, wie sie heute noch unvorstellbar sind. Trockenperioden und damit Dürren werden weltweit zunehmen, ebenso wie die Dauer und Intensität von Regenzeiten.
Oft scheitere eine umweltfreundliche Politik nicht an lautstarker Klimaleugnung, sondern an einer schlechten Vermittlung von Wissen.
Der Vergleich der aufgeführten Städte kommt nicht von ungefähr. Das Team der ETH wollte damit den Klimawandel greifbar machen. Oft scheitere eine umweltfreundliche Politik nicht an lautstarker Klimaleugnung, sondern an einer schlechten Vermittlung von Wissen. So will das Crowther Lab heutige Städte dazu animieren, sich bei ihren künftigen Pendants Inspiration für den Hitzeschutz zu holen. Auch Österreichs „Skopje“ muss sich zumindest anpassen, um die Bevölkerung der Stadt vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Das betrifft nicht nur demografische Risikogruppen wie chronisch Kranke, Kinder und Alte. Es betrifft die gesamte Arbeitswelt.
19 bis 25 Grad sind ideal
Das Hitze-MOMO unterscheidet nicht Arbeits- und Privatfälle, aber Beschäftigte spüren es schon: In einer Online-Umfrage der AK Wien wünschten sich 95,6 Prozent der Befragten „hitzefitte“ Arbeitsplätze. Laut der Plattform „Gesunde Arbeit“ von AK und ÖGB ist längst klar, dass eine optimale Arbeitstemperatur bei 19 bis 25 Grad Celsius vorliegt – sowohl im Freien als auch in Büros. In Innenräumen ist diese Temperaturbreite Vorschrift. Ab 30 Grad nehmen Reaktionsgeschwindigkeit und Koordinationsfähigkeit um ein Viertel, ab 35 Grad schon um die Hälfte ab. Höhere Temperaturen senken die Produktivität also deutlich. 2018 berichtete die AUVA, dass die Sommerhitze vermehrt Fehler und Unfälle am Arbeitsplatz nach sich zieht. Hitze schadet der Gesundheit, von Schwindel über Hitzschlag und Hautkrebs bis zum Tod. Das zeigt nicht nur der tragische Fall vom Juni.
Die Sommerhitze zieht vermehrt Fehler und Unfälle am Arbeitsplatz nach sich.
Nun weiß auch die Gewerkschaft Bau-Holz, dass im Sommer Außenthermometer 25 Grad schnell übersteigen. Sie fordert deshalb seit Jahren stärkere Schutzmaßnahmen am Bau. Der ÖGB konnte eine entsprechende Gesetzesänderung 2013 erkämpfen. Seither muss die Arbeit ab 35 Grad im Freien eingestellt werden. Seit dem 1. Mai gilt sogar eine KV-Grenze von 32,5 Grad. Da diese Grenzen aber immer wieder missachtet werden, braucht es stärkere Kontrollen durchs Arbeitsinspektorat.
Schatten und Pausen
Doch damit nicht genug: Die ArbeitnehmervertreterInnen fordern Schutzmaßnahmen aller Art, um den Job erträglich zu gestalten. Dazu gehören etwa Jalousien und klimatisierte Ersatzarbeitsplätze. Hitzeintensive Berufe wie Gießer sollten gekühlte Erholungsräume für mehr bezahlte Pausen erhalten. Für draußen empfehlen AK und ÖGB fixe und mobile Beschattungen. Außerdem sollen zusätzliche Schutzkleidung und Getränke vom Unternehmen gestellt werden. In letzter Konsequenz gehört die Arbeit in mildere Tageszeiten verschoben. Bislang können ArbeiterInnen und Angestellte aber – im Gegensatz zu Schulkindern – nicht heimgeschickt werden, wenn Hitze produktives Arbeiten verunmöglicht. Möglicherweise wäre das ein sinnvoller Denkanstoß, ehe Beschäftigte ihre Zeit schlicht ausschwitzen – Verzeihung: absitzen.
ArbeitnehmervertreterInnen fordern Schutzmaßnahmen aller Art, um den Job erträglich zu gestalten.
Alle genannten Maßnahmen mögen zusätzliche Investitionen nach sich ziehen. Doch die könnten auf Perspektive die Folgekosten von Fehlern und Unfällen bei Hitzewellen, kurzum: des Klimawandels, deutlich unterbieten. Dienstgeber wollen produktive Schichten ohne allzu lange wetterbedingte Unterbrechungen. Und Dienstgeber wollen sicher arbeitsrechtliche Klagen vermeiden, die auf die Vernachlässigung von Schutzmaßnahmen folgen. All das ist aber nur möglich, wenn die vorgeschlagenen Maßnahmen auch durchgeführt und eingehalten werden. Hitzeferien sind Hitzetoten jederzeit vorzuziehen.
Tipps zur Arbeit bei Hitze im Freien
- Beschattung der Arbeitsplätze (Sonnenschirme, Sonnensegel etc.)
- Luftdurchlässige, körperbedeckende und UV-sichere Kleidung
- Tragen einer Kopfbedeckung (breitkrempiger Hut, Legionärskappe oder Helm mit Nackenschutz), wobei eine Durchlüftung gewährleistet sein muss
- Sonnen-Schutzbrillen mit UV-Filter und idealerweise mit Seitenschutz
- Geeignete Sonnenschutzmittel
- Schutzhandschuhe beim Hantieren mit erhitzten Oberflächen
- Gekühlte Aufenthaltsräume
- Arbeitszeit, Arbeitsrhythmus und Arbeitspausen den klimatischen Bedingungen anpassen
- Viel trinken!