Hitze am Arbeitsplatz: Wieso kleine Kinder mit Ventilatoren spielen

Ein Kind spielt mit einem Ventilator. Symbolbild für Hitze am Arbeitsplatz, die Kinder und Pädagog:innen trifft.
Auch in Kindergärten wird Hitze zunehmend zum Problem. | © Adobe Stock/ADDICTIVE STOCK
Steigende Temperaturen und Hitze am Arbeitsplatz machen den Arbeitsalltag für viele Berufsgruppen zur Hölle. Abhilfe versprechen hier klarere gesetzliche Regelungen, die Arbeitgeber:innen dazu verpflichten, Arbeitsplätze klimafit zu gestalten.
Mobile Pfleger:innen hetzen von Haushalt zu Haushalt. Die Fahrzeiten zwischen ihren Einsätzen sind knapp bemessen, da bleibt im Sommer keine Zeit, das Auto, das womöglich in der prallen Sonne geparkt werden musste, durchzulüften. „Und bis die Klimaanlage greift, bin ich schon beim nächsten Kunden“, erzählt Beatrix Eiletz, Vorsitzender des Betriebsrats der Volkshilfe in der Steiermark. In den Privathaushalten können wiederum keine Maßnahmen zur Hitzeeindämmung vorgeschrieben werden. Die einzig mögliche Gegenstrategie sei es, viel zu trinken und für luftige Kleidung zu sorgen.

Hitze am Arbeitsplatz

In der stationären Pflege wäre es leichter, durch bauliche Maßnahmen für angenehme Temperaturen zu sorgen, sagt Eiletz. Die Praxis sehe aber anders aus: „Klimaanlagen sind auch in Pflegeheimen immer noch nicht Standard.“ Man behelfe sich also mit Maßnahmen wie Sonnenschutz und dem Abdunkeln von Räumen. Das helfe teils zu wenig, in manchen Räumen wie den Küchen gar nicht. „Wenn es ein älteres Haus ist, gibt es da nicht einmal eine g’scheite Lüftung.“ In der Folge leiden nicht nur die Betreuten, sondern auch das medizinische und pflegende Personal, die Mitarbeiter:innen in der Küche, aber auch die Reinigungskräfte, betont Eiletz. Auch das ist ein Aspekt des Pflegenotstands.

Beatrix Eiletz und der Betriebsrat der Volkshilfe engagiert sich gegen Hitze am Arbeitsplatz.
Körperliche Schwerarbeit bei hohen Temperaturen: Pfleger:innen sind der Hitze oft völlig ausgeliefert, weiß Beatrix Eiletz, Betriebsratsvorsitzende der Volkshilfe Steiermark. | © Markus Zahradnik

Das Arbeiten bei hohen Temperaturen kann auch der Gesundheit von Arbeitnehmer:innen schaden, gibt Dorottya Kickinger, im ÖGB für Sozialpolitik zuständig, zu bedenken. Das können direkte Folgen wie Sonnenstiche oder Hitzschläge sein. Dehydrierung, Schwindel oder Kreislaufprobleme können aber auch zu Arbeitsunfällen führen. Beim Arbeiten im Freien steigt durch die verstärkte UV-Strahlung zudem das Risiko, an weißem Hautkrebs zu erkranken. Stark belastet wird durch die Arbeit bei Hitze aber auch die Psyche der Beschäftigten – vor allem das Stresslevel steigt stark an, wodurch wiederum die Konzentration sinkt.

Kopfschmerzen und Kreislaufprobleme

Diesen Faktor hebt auch Judith Hintermeier hervor. Die Bundesfrauenreferentin in der Daseinsgewerkschaft Younion war selbst viele Jahre als Elementarpädagogin tätig. Bis heute ist sie in engem Kontakt mit den Beschäftigten in Kindergärten. Sie kennt die Probleme der Hitze am Arbeitsplatz.  „Bei hohen Temperaturen leiden die Kinder, die Pädagog:innen, aber auch das Unterstützungspersonal unter Müdigkeit und Erschöpfung. Bei manchen führt das dann auch zu Kopfschmerzen oder Kreislaufproblemen. Man merkt auch, dass die Kinder beispielsweise beim Schlafen extrem schwitzen.“ Je mehr Menschen sich in einer Gruppe befänden, umso heißer werde es, und das sei eine Katastrophe für Kinder und Beschäftigte, denn dies führe etwa auch zu einem Sicherheitsproblem: Es brauche Konzentration, um kleine Kinder so zu betreuen, dass es zu keinen Unfällen und Verletzungen komme.

Judith Hintermeier von der Gewerkschaft Younion beim Interview über Hitze am Arbeitsplatz.
Die wenigsten Kindergärten verfügen über eine Klimatisierung, kritisiert Judith Hintermeier von der Gewerkschaft Younion. Das sei eine Katastrophe für Kinder und Beschäftigte. | © Markus Zahradnik

Wie viele Pflegeeinrichtungen verfügen auch die meisten Kindergärten über keine Klimatisierung. Das betrifft nicht nur in Altbauten untergebrachte Einrichtungen, sondern auch neue Standorte. „Es gibt superschöne Neubauten mit großen Fenstern, aber es wurde nicht bedacht, wie stark die Sonne dann hineinstrahlt. Wenn das Gebäude nicht von Grün, sondern Beton umgeben ist, heizen sich die Gruppenräume noch mehr auf.“ Sie fordert, dass neue Kindergärten daher anders geplant werden und die Hitze am Arbeitsplatz mitgedacht wird. Bei bestehenden Einrichtungen müsste man sich hingegen ansehen, wie die Temperaturspitzen durch Maßnahmen wie den Einbau von Jalousien oder das Aufstellen sicherer Ventilatoren abgefedert werden könnten. In Wien – Kindergärten sind Länderkompetenz – wurde diesen Mai beispielsweise in einem Rundmail der Stadt festgehalten, dass die Raumtemperatur in elementaren Bildungseinrichtungen 27 Grad nicht überschreiten solle.

Hitze am Arbeitsplatz: Von der Pflege bis zum Backshop

Stichwort Temperaturobergrenzen. Das, was dazu derzeit gesetzlich festgelegt ist, entpuppt sich in der Praxis als teils schwammig, wie Kickinger kritisiert. Im Arbeitnehmer:innenschutzgesetz (ASchG) werde in Paragraph 66 zum Beispiel lediglich vorgeschrieben, „geeignete Maßnahmen zu treffen, damit die Arbeitnehmer:innen keinen erheblichen Beeinträchtigungen durch […] Hitze […] ausgesetzt sind oder diese Einwirkungen möglichst gering gehalten werden“. Die Arbeitsstättenverordnung schreibt vor, dass dafür gesorgt werden muss, „dass in der warmen Jahreszeit bei Vorhandensein einer Klima- oder Lüftungsanlage die Lufttemperatur 25 Grad möglichst nicht überschreitet oder andernfalls sonstige Maßnahmen ausgeschöpft werden, um nach Möglichkeit eine Temperaturabsenkung zu erreichen“. Für Bauarbeiter:innen ist ab Temperaturen von 32,5 Grad hitzefrei möglich – aber nicht Pflicht.

Kickinger betont zudem, dass bei „Arbeit bei Hitze“ zuallererst an die am Bau Beschäftigten gedacht werde. Unter Hitze am Arbeitsplatz leiden aber Arbeitnehmer:innen in vielen Branchen und Berufen. Outdoor, wie Bauarbeiter:innen, Dachdecker:innen oder Gärtner:innen, aber eben auch indoor. Unter jenen, die hier übersehen werden, arbeiten viele in klassischen Frauenbranchen: von der Pflege bis eben zur Elementarpädagogik, von der Arbeit in Küchen und Backshops bis zur Reinigung. Meist seien dies auch körperlich anstrengende Tätigkeiten.

Klimafittes Arbeitsrecht

Das Bündnis „Menschen und Klima schützen statt Profite“ von Arbeiterkammer, Gewerkschaft und Klimabewegung setzt sich daher für eine Reform des ASchG und angrenzender Rechtsvorschriften ein. Klare Regelungen und auch Sanktionen brauche es hier für Outdoor-Arbeitsplätze – wie einen Rechtsanspruch auf Hitzefrei ab 30 Grad, in systemrelevanten Berufen dann eine Höchstarbeitszeit von acht Stunden –, aber auch für Innenräume. „Es muss ab einer Temperatur von 25 Grad einen verpflichtenden Maßnahmenkatalog geben, um unter 30 Grad zu bleiben“, betont Kickinger. Auch für Indoor-Tätigkeiten wünscht sie sich aber hitzefrei ab 30 Grad, solange der:die Arbeitgeber:in keine kühlere Alternative anbietet.

Der Klimawandel sei da, betont Kickinger, man müsse den steigenden Temperaturen ins Auge sehen. Die Anzahl der Hitzetage mit über 30 Grad sei kontinuierlich im Steigen. Auch die Zahl der Tropennächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad sinke, nehme zu. Durch bauliche Maßnahmen wie entsprechend gedämmte Gebäude, aber auch Beschattung und Kühlung sei es möglich, die Hitze aus Gebäuden draußen zu halten. Im Außenbereich wiederum gelte es, viel mehr an Hitzeschutzmaßnahmen zu denken – vom Sonnensegel bis zu oftmaligen Pausen in kühlen Räumen sowie ausreichender Flüssigkeitszufuhr. Letzteres wäre auch dort wichtig, wo aufgrund der Produktionsbedingungen hohe Temperaturen herrschen, wie etwa in Gießereien oder Backstuben.

„Wir brauchen klimafitte Arbeitsplätze, und die erreicht man nur mit einem klimafitten Arbeitsrecht“, betont Kickinger. „Warum sind zum Beispiel immer noch nicht alle Fahrer:innenkabinen gekühlt? Lenker:innen können auch nicht ausreichend trinken, da ihnen nicht ständig eine Toilette zur Verfügung steht.“ Die Arbeitswelt und die Arbeitsbedingungen verändern sich durch die immer höheren Temperaturen. „Wir brauchen eine Rechtsgrundlage, die darauf abgestimmt ist, sodass Menschen gesund bleiben.“

Drei Fragen an Josef Muchitsch, Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz und Nationalratsabgeordneter

Das Bündnis „Menschen und Klima schützen statt Profite“ aus AK, Gewerkschaften und Klimabewegung hat ein Bündel an Forderungen für eine klimafitte Arbeitswelt vorgelegt. Sie haben diese im Nationalrat als Entschließungsantrag eingebracht. Was sind die Eckpunkte dieses Pakets?

Wir fordern eine Reform des Arbeitnehmer:innenschutzgesetzes, um hitzefrei ab 30 Grad zu ermöglichen. Das Paket umfasst echte Temperaturobergrenzen für Innenräume mit einer Maximaltemperatur von 30 Grad. Dazu verpflichtende Maßnahmen ab 25 Grad sowie hitzefrei, und zwar bezahlt. Für Outdoor-Beschäftigte ab 30 Grad, wenn keine kühlere Alternative angeboten wird. Des Weiteren fordern wir spezielle Regelungen für öffentliche Infrastrukturbereiche und Hitzearbeitsplätze. Etwa vorausschauende Dienstplanung, Verbot von Mehrarbeit an Hitzetagen und jährliche Hautuntersuchungen. Der Entschließungsantrag im Nationalrat soll die Regierung zum Handeln bewegen.

Warum ist es nötig, solche Regelungen gesetzlich zu verankern?

Nur so können wir den Gesundheitsschutz für die Arbeitnehmer:innen gewährleisten. Der Klimawandel führt zu immer häufigeren und intensiveren Hitzewellen, die ernste gesundheitliche Risiken darstellen. Die Gesetze sind nicht mehr zeitgemäß und müssen an den Klimawandel angepasst werden. Wir brauchen neue gesetzliche Schutzmaßnahmen, die verbindliche Standards schaffen – und zwar für alle Unternehmen.

Wird es auch Sanktionen für Arbeitgeber:innen bei Nichteinhaltung dieser Vorgaben brauchen?

Ja, leider werden wir auch Sanktionen für Arbeitgeber:innen brauchen, die sich nicht an die Vorgaben halten. Das ist notwendig, um die „schwarzen Schafe“ unter den Arbeitgeber:innen zur Verantwortung zu ziehen. Sie dienen als Abschreckung und gewährleisten die Durchsetzung der gesetzlich festgelegten Standards.

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Über den/die Autor:in

Alexia Weiss

Alexia Weiss, geboren 1971 in Wien, Journalistin und Autorin. Germanistikstudium und Journalismusausbildung an der Universität Wien. Seit 1993 journalistisch tätig, u.a. als Redakteurin der Austria Presse Agentur. Ab 2007 freie Journalistin. Aktuell schreibt sie für das jüdische Magazin WINA sowie für gewerkschaftliche Medien wie die KOMPETENZ der GPA-djp oder die Gesunde Arbeit. 2022 erschien ihr bisher letztes Buch "Zerschlagt das Schulsystem ... und baut es neu!" (Verlag Kremayr & Scheriau).

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