Historie: (Arbeits-)Welt 1.0

Foto (C) Gewerkschaft PRO_GE
Emblem der Maschinenbauer Im Zentrum des historischen Logos der Maschinenbauer stand das Flugrad, das Symbol der Eisenbahn. Von den Arbeitern der Bahnwerkstätten, wo die Lokomotiven gebaut und gewartet wurden, ging die gewerkschaftliche Organisation der Bahnbediensteten aus.
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Die Umbrüche der Arbeits- und Lebenswelt durch die erste industrielle Revolution waren nicht weniger dramatisch als heute.
Der Einsatz von dampfbetriebenen Maschinen in Produktion und Verkehr revolutionierte im 19. Jahrhundert das Leben. Ein Standardwerk über die Wirtschaftsentwicklung aus dem Jahr 1874 beschrieb diese Revolution eindrücklich: Alte Lumpen werden mit Maschinen wieder aufgedröselt und mit Maschinen wieder zu schöner Kunstwolle versponnen, Maschinen besohlen Stiefel, fertigen Stahlfedern, streichen an, glätten, mustern – alle nützlichen Beschäftigungen haben sie fast dem Menschen abgenommen.

Aus Sicht des bürgerlich-liberalen Autors, der Maschinen als „eiserne Hilfsarbeiter“ bezeichnete, war auch die Arbeit an diesen Maschinen ein Fortschritt: Man hat viel von der „menschenentwürdigenden“ Arbeit … der Maschinenindustrie gesprochen, dabei aber außer Acht gelassen, dass es doch weit weniger ehrenrührig und langweilig sein muss, eine monotone Arbeit zu leiten und die Leistungen der Maschine zu beaufsichtigen, als dieselbe Arbeit selbst auszuführen. Gerade die Maschine befreit den Menschen von der physischen Last der Arbeit … wohl aber hat die Beschäftigung an Arbeitsmaschinen … gerade durch ihre Einförmigkeit den Arbeiter zum Nachdenken veranlasst, ihm zunächst einen Einblick in das Wesen der eigenen Maschine aufgezwungen, dadurch aber nach und nach Gedanken hervorgebracht, welche schließlich sehr oft neue und mitunter bedeutende Erfindungen hervorgebracht haben.

Was der Autor zu erwähnen vergisst: Die angesprochene Innovativkraft und das geistige Potenzial der FabrikarbeiterInnen wurden nicht einmal annähernd honoriert, von einer gerechten Entlohnung ganz zu schweigen. Etwa dreißig Jahre später war die elektrotechnische Revolution in vollem Gange, an der Lohnfront hatte sich aber wenig geändert. Die Zeitschrift der freigewerkschaftlichen Metallarbeiterorganisation berichtete 1901 über die Lage der Mechaniker: In den letzten Jahrzehnten hat die Mechanik allerdings einen riesigen Aufschwung genommen. Die Erfindungen, die auf allen Gebieten, insbesondere der Elektrotechnik gemacht wurden, hatten das Aufblühen von vielen größeren und kleineren Unternehmungen ermöglicht. Veraltete und nicht mehr entsprechende Apparate mussten durch modernere und vollkommenere ersetzt werden, neue Systeme und Konstruktionen wurden ausgeführt, unzählige Installationen und elektrische Einrichtungen besorgt.

Aber, so die Metaller-Organisation, das gute Image des Mechanikerberufs als erstrebenswerter Zukunftsberuf entspräche keineswegs der Realität: In die Öffentlichkeit dringt über die wahren Zustände im Gewerbe sehr selten etwas, im Gegenteil, die öffentliche Meinung wird noch irregeführt durch einzelne Mechanikergehilfen, die gegen ihr besseres Wissen günstigere Meinungen verbreiten, und zwar hauptsächlich bezüglich der Löhne.

Diese Hightech-Spezialisten hielten es lange Zeit ebenso für überflüssig, sich in Gewerkschaften zusammenzuschließen, wie die Beschäftigten im Hightech-Paradies Silicon Valley des 21. Jahrhunderts. Aber beide lernten dazu und auch im Silicon Valley beginnen sich die ArbeitnehmerInnen zu organisieren.

Ausgewählt und kommentiert von Brigitte Pellar
Historikerin

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 5/18.

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Über den/die Autor:in

Brigitte Pellar

Brigitte Pellar ist Historikerin mit dem Schwerpunkt Geschichte der ArbeitnehmerInnen-Interessenvertretungen und war bis 2007 Leiterin des Instituts für Gewerkschafts- und AK-Geschichte in der AK Wien.

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