Seit 2017 ist die sympathische Wienerin – im Waldviertel aufgewachsen – nun Jugendvertrauensrätin bei einer Buchhandelskette am Westbahnhof. Dort hat sie die Lehrausbildung „Buch- und Medienwirtschaft“ absolviert und vertritt mit zwei weiteren KollegInnen die Interessen von rund 90 Lehrlingen. Wie man die Aufgabe angeht, sei eine persönliche Sache, das mache jeder anders. In Elisabeths Fall kommt hinzu, dass die Lehrlinge in den einzelnen Filialen über ganz Österreich verstreut sind. Das macht das Kontakthalten schwieriger. Die Herausforderung dabei ist: „Wie kann ich das Vertrauen der Jugendlichen gewinnen, die ich nur sehr selten sehe?“
Freude über Verbleib
Erleichterung und Freude kamen zusammen. Denn hätte die Regierung ihren Plan, den Jugendvertrauensrat abzuschaffen, umgesetzt, hätte es Menschen wie Elisabeth, die sich für die Interessen der jungen KollegInnen stark machen, in den Betrieben bald nicht mehr gegeben. Mehr als 3.000 Jugendvertrauensräte kümmern sich österreichweit um die Anliegen der Lehrlinge und verbessern die Ausbildung im Betrieb weiter. Sie haben nicht nur ein offenes Ohr für private und betriebliche Sorgen, sondern können Situationen abfangen, bevor sie zu Problemen werden. Auch viele Firmen wissen, was sie am Jugendvertrauensrat haben. Die Drogeriemarktkette DM beispielsweise schätzt es, gemeinsam mit dem Jugendvertrauensrat Themen zu diskutieren und die Organisation weiterzuentwickeln.
Gewerkschaftlicher Grundstein
Vertrauen gewinnt man, indem man ehrlich auf die Leute zugeht, zuhört und Hilfe anbietet. „Aber ohne Informationsbeschaffung kann ich nicht arbeiten. Da zähle ich auch die eigene Bildung dazu“, so die 23-jährige Elisabeth Kerndl. Bildung ist der gewerkschaftliche Grundstein für alles, was man machen will, ist sie sicher. „Denn frei nach Goethe: ‚Man sieht nur, was man weiß.‘ Nur wenn man schon ein bisschen Vorbildung hat, merkt man im persönlichen Gespräch, ob es rechtlich wo hakt“, weiß sie aus eigener Erfahrung.
Der Jugendvertrauensrat bleibt, aber zu verbessern gäbe es noch einiges.
Der Jugendvertrauensrat bleibt, aber zu verbessern gäbe es noch einiges. Ein großes Problem ist das irrsinnig kleine Kontingent an Freistellungen, das ein Jugendvertrauensrat hat. Nur zwei Wochen für die Funktionsperiode von zwei Jahren stehen einem zu. Wer die Funktion ernst nimmt und sich für die betriebliche Arbeit weiterbilden will, kommt damit nicht aus. „Da hat man einen Grundkurs für Jugendvertrauensräte, einen Aufbaukurs, interne JVR-Meetings, Betriebsratssitzungen, externe JVR-Meetings. Und da sind die KV-Verhandlungen noch gar nicht dabei“, zählt Lisi die vielfältigen Herausforderungen auf, die während der kurzen Freistellung kaum zu bewältigen sind. Für sie war es schwierig, die Kollektivvertragsverhandlungen mit der Arbeit zu kombinieren, auch wenn sie viel Unterstützung von ihrer Chefin bekommt. „Es hemmt auch, denn wenn man es ernst nehmen und die Probleme lösen will, kostet das Zeit. Und das ist auch zum Vorteil der Arbeitgeber.“
Jede Verhandlung ist anders
Kollektivvertragsverhandlungen bedeuten intensive Vorbereitung. „Ich habe auch noch nach der Arbeit intensiv recherchiert, um vorbereitet zu sein“, erzählt die Buchhändlerin. „Aber das Gefühl, fertig zu sein, hatte ich nie. Womöglich auch deswegen, weil jede Verhandlung anders ist.“ Letztes Jahr war sie zum ersten Mal dabei und durfte die 15.000 Lehrlinge im Handel vertreten. Durchschnittlich acht Prozent mehr Lehrlingsentschädigung, Anspruch auf die 4-Tage-Woche und mehr haben die Verhandlungen für die Beschäftigten gebracht. „Es war sehr inspirierend zu sehen, wie sich die Gewerkschaft für die ArbeitnehmerInnen einsetzt. Das habe ich so noch nie erlebt.“
Schon jetzt bereitet sie sich für die nächsten Verhandlungen im Herbst vor, um sich zu sammeln und mit möglichst vielen Leuten zu reden. „Das muss ich, weil ich nicht für 15.000 Menschen sagen kann, was sie wollen. Da ist der eigene Tunnelblick, da sind die eigenen Bedürfnisse, die man nicht in den Vordergrund stellen will. Und man will ja niemanden auslassen.“ Sie will den Leuten auch nicht zu viel Hoffnung machen, weil der Verhandlungsspielraum begrenzt ist. Es sei ein Spagat zwischen dem eigenen Idealismus, zwischen dem, was man gerne hätte, und dem, was man wirklich durchsetzen kann.
Ruhig bleiben
Ob in der betrieblichen Arbeit, in der allgemeinen Gewerkschaftsarbeit oder bei Kollektivvertragsverhandlungen – das Um und Auf ist, Ruhe zu bewahren. Wer sich aufregt und aus der Ruhe bringen lässt, spielt den Arbeitgebern in die Hände. „Am Verhandlungstisch fallen Aussagen von Arbeitgebern, die einen sehr bewegen und wütend machen, die so respektlos gegenüber den Beschäftigten sind, dass man fast nicht ruhig bleiben kann“, schildert sie ihre ersten Erfahrungen bei KV-Verhandlungen.
Grundsätzlich gilt: Je breiter die Zustimmung der Bevölkerung, umso wirkungsvoller kann die Gewerkschaft verhandeln
Dankbar ist sie dennoch, historisch wie global gesehen, dass man mit Arbeitgebern überhaupt am Tisch sitzen könne, um über rahmenrechtliche oder monetäre Forderungen zu reden. „Das ist eine Besonderheit, die auch unbedingt erhalten bleiben muss. Aber wirklich zufrieden ist man halt nie“, erzählt sie selbstkritisch. Grundsätzlich gilt: Je breiter die Zustimmung der Bevölkerung, umso wirkungsvoller kann die Gewerkschaft verhandeln, und der Organisationsgrad bestimmt schlussendlich das Verhandlungsergebnis mit. „Kurz gesagt: Es müssen alle Räder in einander greifen.“
Kritisch sein und bleiben
Als Interessenvertretung im Betrieb sieht Kerndl ihre Aufgabe auch darin, einen positiven Einfluss auf Jugendliche auszuüben und die nächste Generation möglichst kritisch heranzuziehen. Damit sie reflektieren und nicht alles so hinnehmen, wie es ist. Die Jugendversammlungen widme sie meist einem Thema, so wie etwa der Medienlandschaft in Österreich und deren Besitzverhältnissen – damit den angehenden BuchhändlerInnen das Boulevard-Niveau mancher Zeitungen und der politische und kirchliche Einfluss auf manche Medien bewusst wird.
Erst wenn die Dinge zu wackeln beginnen, sieht man, was alles kippen kann.
Das Problematische bei den kommenden Generationen und auch bei ihrer eigenen sei, dass vieles als selbstverständlich hingenommen werde. Erst wenn die Dinge zu wackeln beginnen, sehe man, was alles kippen kann, reflektiert sie. Auch der 12-Stunden-Tag ist eine mögliche Einschränkung für BetriebsrätInnen. Denn je ausgelaugter die Leute durch die Arbeit sind, umso weniger können sie sich für die Beschäftigten einsetzen oder sich gesellschaftlich engagieren. „Das kommt der Wirtschaft genauso zugute wie der 12-Stunden-Tag, und das müssen wir verhindern. Wir arbeiten, um von etwas leben zu können, und müssen daher einen großen Teil unserer Zeit am Arbeitsplatz verbringen. Deshalb ist es mein Ziel, diesen möglichst sinnvoll, angenehm und bereichernd für die Beschäftigten zu gestalten.“
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Barbara Kasper
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 3/19.
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