Arbeit&Wirtschaft: Wir haben uns gerade die Budgetrede von Finanzminister Gernot Blümel angeschaut. Die hat den Titel „Ansagen für die Zukunft“. Welche Zukunft können Sie denn aus dieser in Zahlen gegossenen Politik herauslesen?
<img class=“wp-image-21845 alignleft“ src=“https://www.arbeit-wirtschaft.at/wp-content/uploads/2020/02/AWOM-MARTERBAUER-300×300.jpg“ alt=“Porträt Markus Marterbauer“ width=“219″ height=“219″ />
Markus Marterbauer leitet die Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der Arbeiterkammer Wien, ist Vizepräsident des Fiskalrates und Universitätslektor. Seine Forschungsgebiete umfassen die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, Budgetentwicklung und Fiskalpolitik, Einkommensverteilung und Umverteilung sowie postkeynesianische Makroökonomie.
Markus Marterbauer: Ganz unterschiedlich. Auf der einen Seite glaube ich, dass einige Teile des Budgets durchaus zukunftsorientiert sind. Das betrifft insbesondere den Klimabereich. Also wenn man das im Kontext des Budgets 2021/22 und folgende sieht, so kann man, glaube ich, schon erkennen, dass gegen die Klimakrise massiv investiert wird. Dass die CO2-Steuer hier helfen wird, insgesamt zusammen mit dem Klimabonus. Auch das Klimaticket etc. … Also dort kann ich schon Zukunftsorientierung erkennen, wenn ich auch glaube, dass in einigen Bereichen sehr viel mehr möglich wäre.
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Also ich hätte mir zum Beispiel erwartet, dass endlich die Städte und Gemeinden mehr Geld bekommen, um in ihrem Bereich in den Klimaschutz zu investieren. Dort ist ja das Potenzial riesig und die Finanzierungsmöglichkeiten sind gering. Das heißt, da sollte der Bund eigentlich investieren. Gut, aber das würde ich insgesamt dennoch als Zukunftsinvestition oder Zukunftsbudget sehen.
Wie schaut die Pflegereform aus und im Jahr 2022 ist dafür eine Milliarde da oder Ähnliches. Das Gleiche gilt für die Bekämpfung der Armut: Auch dort wäre eine Milliarde schön.
In anderen Bereichen kann ich das gar nicht erkennen, wo der Bedarf aber ähnlich hoch wäre. Das betrifft zum Beispiel die Pflege, wo im Detail ein paar gute Punkte drinnen sind, aber eigentlich hätte ich mir erwartet, dass jetzt kommt: Wie schaut die Pflegereform aus und im Jahr 2022 ist dafür eine Milliarde da oder Ähnliches. Das Gleiche gilt für die Bekämpfung der Armut: Auch dort wäre eine Milliarde schön. Oder im Bereich Bildung, also vor allem Investitionen in Ganztagsschulen und Schulen an benachteiligten Standorten oder Elementarpädagogik, wo der Bedarf riesig ist. Also, es ist ein differenziertes Bild. In einigen Bereichen, Klima insbesondere, kann ich die Zukunftsorientierung sehen, bei den anderen wäre es wirklich notwendig gewesen, jetzt zu zeigen, das ist ein Schwerpunkt. Und das ist leider nicht erfolgt
Vom Nulldefizit zur Ausgabenbremse?
Eingangs in seiner Rede hat er einen Traum preisgegeben, und zwar den Traum vom Nulldefizit. Wie ist der Traum des Finanzministers zu deuten? Und zwar einerseits, wie kann es zu diesem Nulldefizit kommen? Und auf der anderen Seite, wer braucht denn ein Nulldefizit eigentlich?
Mich stört immer, wenn man die Politik, die in den vielfältigsten Lebensbereichen der Menschen wirksam werden soll, auf irgendeine Zahl herunterbricht. Ein Nulldefizit oder eine schwarze Null in Deutschland, dieser Fetisch, macht eigentlich ganz wenig Sinn in der Orientierung der Politik. Ein Nulldefizit ergibt sich vielleicht von selbst, weil die wirtschaftliche Entwicklung sehr gut ist, damit die Steuereinnahmen sprudeln und die Ausgaben für Zinsen auf die Staatsschulden gegen null sinken. Dann kommt automatisch ein Nulldefizit heraus.
In einer Situation, wo der Bedarf an Investitionen so riesig ist, nicht nur gegen die Klimakrise, sondern auch im Bildungsbereich, gegen Armut, gegen Ungleichheit, und sich der Staat gleichzeitig – das sollte man noch hinzufügen – zu negativen Zinssätzen verschuldet, in dieser Situation müsste die Devise natürlich lauten: Investieren!“
Soll sein sozusagen, aber in einer Situation, wo der Bedarf an Investitionen so riesig ist, nicht nur gegen die Klimakrise, sondern auch im Bildungsbereich, gegen Armut, gegen Ungleichheit, und sich der Staat gleichzeitig – das sollte man noch hinzufügen – zu negativen Zinssätzen verschuldet, in dieser Situation müsste die Devise natürlich lauten: „Investieren!“ Denn das hilft uns allen langfristig und kostet in Wahrheit nicht viel, sondern bringt viel. Und in so einer Situation dann zu suggerieren: „Wir sind sparsam und deshalb erreichen wir ein Nulldefizit“; das ist ökonomisch jedenfalls die falsche Botschaft.
Für mich hat es jetzt vielleicht auch ein bisschen geklungen, dass man in Richtung einer Ausgabenbremse denkt, die in Deutschland ja jetzt in der Krise ausgesetzt wurde. Wie würde Österreich das treffen?
Es kommt immer darauf an, wie es gemacht wird. Grundsätzlich ist es schon sinnvoll, sich zu überlegen, wie sich die Staatsausgaben mittel- oder langfristig entwickeln sollen. Und dann würde man sagen: Okay, wir wollen mittelfristig ein gewisses Wachstum der Staatsausgaben haben, etwa so wie sich die Wirtschaft entwickelt. Aber wir setzen in diesem Rahmen Schwerpunkte in den Budgetrubriken 1, 2, 3, und in den anderen sind wir zurückhaltend, damit wir dieses Ziel erreichen. Also, ich bin durchaus der Meinung, dass man so was machen kann, aber ich habe den Eindruck, es soll immer suggerieren: Wir sind sparsam, wir bremsen bei den Ausgaben. Und das ist einfach zu wenig.
Wir sollten sagen, bei welchen Ausgaben wir expansiv sind, wo wir investieren wollen und wo wir zurückfahren können. Viele Unternehmenshilfen, die in der COVID-Krise sinnvoll waren, werden hoffentlich sinken, die brauchen wir nicht mehr. Da ist es durchaus sinnvoll, dass weniger ausgegeben wird. Aber für mich ist es eigentlich eine substanzlose Budgetpolitik, wenn man sich an solchen Größen aufhängt – Nulldefizit oder Ausgabenbremse – und nicht sagt: „Unsere Schwerpunkte sind dort, und da wollen wir sparen.“ Das würde ich inhaltlich spannend und attraktiv auch für eine Diskussion finden, aber es geht immer um solche Symbole, und das ist wirklich langweilig mittlerweile.
Wird den Menschen in Österreich mehr zum Leben gelassen?
Um auf soziale Aspekte zu sprechen zu kommen, er hat wortwörtlich gesagt: „Die Entlastungen werden massiv sein, und den Österreichern und Österreicherinnen wird mehr zum Leben gelassen.“ Das klingt ja eigentlich fast schon zu schön, um wahr zu sein, oder?
Als Erstes stört mich einmal der Begriff „Entlastung“, weil er geht eigentlich in die Richtung: Die Steuern zu senken entlastet uns alle. Und ich als Ökonom muss dann sofort die Frage stellen: Und wie finanzieren wir dann Bildung, Pflege und Gesundheit, wenn die Steuern gesenkt werden sollen? Wenn wir das nicht mehr für den Staat oder über den Sozialstaat finanzieren, dann belastet es ganz massiv die Leute, die krank sind, pflegebedürftig sind, arm sind, arbeitslos sind, was auch immer. Das heißt, eine Steuersenkung für manche bedeutet für andere enorme Belastung, weil dann Leistungen nicht mehr möglich sind. Zum Zweiten: Wir haben durch die Steuerreform eine Begünstigung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, durch die Tarifsenkung etc., die aber im Wesentlichen nur die kalte Progression ausgleicht. Das ist auch okay. Mehr ist auch unmittelbar nicht notwendig aus meiner Sicht. Das ist keine wirklich dauerhafte Begünstigung.
Wer also wirklich „entlastet“ wird unter Anführungszeichen, sind die großen Unternehmen, und dort ist es natürlich gerade nicht angebracht, denn die Unternehmen haben ja in der COVID-Krise Milliarden und Abermilliarden an zum Teil berechtigten Hilfen bekommen, um sie sozusagen liquide zu halten.
Wir haben aber eineinhalb Milliarden Begünstigung für die Unternehmen, vor allem für Großunternehmen, durch die Körperschaftsteuersenkung, die dauerhaft ist. Wer also wirklich „entlastet“ wird unter Anführungszeichen, sind die großen Unternehmen, und dort ist es natürlich gerade nicht angebracht, denn die Unternehmen haben ja in der COVID-Krise Milliarden und Abermilliarden an zum Teil berechtigten Hilfen bekommen, um sie sozusagen liquide zu halten. Aber man könnte sich eigentlich erwarten, dass die Unternehmen, die vom Staat durch die Krise getragen wurden, sich dann erkenntlich zeigen und sagen: „Ja, wir sind durchaus bereit, von den hohen Gewinnen jetzt, die im Aufschwung kommen, mehr abzuliefern, wir sind dem Staat dankbar.“ Aber nein, sie wollen noch eine Unternehmenssteuersenkung. Inakzeptabel eigentlich, weil wir das Geld ja in anderen Bereichen viel dringender brauchen würden.
Da stellen sich mir jetzt zwei Fragen: Blümel hat heute auch gemeint, dass durch die Senkung der Körperschaftsteuer 30.000 neue Arbeitsplätze entstehen werden. Passiert das?
Milchmädchenrechnung. Im Wesentlichen wird es keinen Effekt haben, außer dass mehr für die Aktionäre und Aktionärinnen übrig bleibt. Die Kapitalgesellschaften, die durch die Körperschaftsteuersenkung profitieren, eineinhalb Milliarden Euro mehr haben schlussendlich, haben im Moment an Cash und Deposits, also an liquiden Mitteln, 97 Milliarden Euro zur Verfügung. So, jetzt kommen eineinhalb Milliarden dazu. Wenn sie mit 97 Milliarden, die sie schon liquide haben, nicht investieren, warum sollten sie investieren, wenn eineinhalb Milliarden dazukommen? Es ist völlig absurd, es wird keinen Effekt haben. Viel stärkere Effekte hätten andere Maßnahmen. Wenn ich die eineinhalb Milliarden in den Ausbau der Kindergärten stecke, dann habe ich massive Qualitätsverbesserungen, aber auch Beschäftigungseffekte, die viel höher sind als das, was hier falscherweise versprochen wurde.
Was bedeutet die Senkung der Lohnnebenkosten?
Ein Teil der ökosozialen Steuerreform ist ja nicht nur die Senkung der Steuern, sondern auch eine Senkung der Lohnnebenkosten. Können sich die Arbeitnehmer:innen darüber freuen?
Grundsätzlich halte ich es für sinnvoll, an die Gruppe von Arbeitnehmer:innen zu denken, die durch die Tarifsenkung in der Lohnsteuer, also wenn man die Steuersätze senkt, nicht profitieren. Das sind nämlich alle, die gar keine Lohnsteuer und Einkommensteuer zahlen. Das ist grundsätzlich sinnvoll. Das Instrument, das gewählt wurde, ist aber falsch, denn jetzt werden die Krankenversicherungsbeiträge gesenkt, und das hat im Wesentlichen zwei Probleme oder eigentlich drei, kann man sagen. Das erste Problem, es ist fürchterlich kompliziert und in der Lohnverrechnung für die Betriebe wird es problematisch, weil sie müssen einschleifen, ich will gar nicht auf technische Details eingehen. Ein neues Instrument wird hier gefunden.
Grundsätzlich halte ich es für sinnvoll, an die Gruppe von Arbeitnehmer:innen zu denken, die durch die Tarifsenkung in der Lohnsteuer, also wenn man die Steuersätze senkt, nicht profitieren. Das sind nämlich alle, die gar keine Lohnsteuer und Einkommensteuer zahlen. Das Instrument, das gewählt wurde, ist aber falsch.
Der zweite problematische Punkt ist, dass das Geld unmittelbar natürlich der Gesundheitskasse fehlt. Und jetzt sagt die Regierung: „Ja, es wird aber ersetzt, aus dem Budget bekommt die Gesundheitskasse das Geld.“ Das hat aber einen Pferdefuß, denn die Gesundheitskasse finanziert sich aus den Krankenversicherungsbeiträgen, und das ist eine Stärke des Systems, weil aus eigenen Beitragseinnahmen die Ausgaben finanziert werden. So, jetzt senkt der Staat mutwillig sozusagen die Beitragseinnahmen bei den Versicherten und sagt: „Ihr kriegt das Geld eh.“ Das macht aber die Gesundheitskasse vom Finanzminister abhängig. Und ich fürchte, das ist das Ziel der Übung.
Die Frage ist dann, wie lange wird zugeschossen …
Wie lang geht es? Oder hat man irgendwann einmal Bedingungen? Ihr bekommt das Geld weiter, aber ihr müsst dafür etc. … Und dann wird es problematisch. Und das ist deshalb zusätzlich problematisch, weil man ja ein erprobtes, über Jahre und Jahrzehnte erprobtes Instrument hätte, um genau dieses Ziel zu erreichen, das ist der Sozialversicherungsbonus. Man hätte ihn nur erhöhen müssen. Warum man das nicht getan hat, sondern die Krankenversicherungsbeiträge senkt, hat aus meiner Sicht einen politischen Hintergrund. Und ich glaube, da ist die Absicht nicht die allerbeste.
Also geht es in Richtung Selbstbehalte und …
Schlussendlich wird es sozusagen in Richtung Leistungskürzungen gehen, in welcher Form auch immer. Aber das wird nicht offen ausgesprochen.
Reichen die Maßnahmen gegen Langzeitarbeitslosigkeit?
Ein anderes soziales Thema, das uns schon vor der Corona-Pandemie beschäftigt hat, das ist die Langzeitarbeitslosigkeit, die ja da auch schon im Steigen begriffen war – in der Pandemie jetzt noch deutlicher. Jetzt werden über die Aktion „Sprungbrett“ 250 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um sie zu bekämpfen. Ist das genug oder gäbe es da Alternativen zu dem Modell?
Grundsätzlich halte ich es für sinnvoll, dass gezielte Maßnahmen gesetzt werden, um die sehr hohe Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Wir müssen bedenken, dass wir 360.000 Arbeitslose haben – je nach Zählung ist ungefähr ein Drittel langzeitbeschäftigungslos, also länger als zwölf Monate arbeitslos. Und die Langzeitbeschäftigungslosen sind die mit massiver Armutsgefährdung, drei Viertel von ihnen sind armutsgefährdet und haben massive gesundheitliche Beeinträchtigungen. Also da geht es wirklich auch um Armutsfragen und wirklich um Einschränkungen des Lebens und des Wohlbefindens der Leute. Für die muss man unbedingt etwas tun. Jetzt glaube ich, dass die Aktion „Sprungbrett“ einem Teil dieser Gruppe helfen kann. Sie besteht ja im Wesentlichen darin, dass die Löhne subventioniert werden, wenn Unternehmen Langzeitarbeitslose einstellen, wird die Hälfte grosso modo bezahlt. Das kann durchaus positive Effekte haben. Ich würde nur glauben, bei dieser Aktion muss man darauf aufpassen, dass nicht schlechte Jobs gefördert werden.
Die Langzeitbeschäftigungslosen sind die mit massiver Armutsgefährdung, drei Viertel von ihnen sind armutsgefährdet und haben massive gesundheitliche Beeinträchtigungen. Also da geht es wirklich auch um Armutsfragen und wirklich um Einschränkungen des Lebens und des Wohlbefindens der Leute.
Also wenn jetzt Unternehmen, die wenig zahlen – nur 1.500 Euro pro Monat – und schlechte Arbeitsbedingungen bieten, auch noch einen Langzeitarbeitslosen bekommen, der diese unangenehme Tätigkeit erfüllen muss, und das subventioniert kriegen, das würde ich nicht für gut halten. Wir brauchen ein Qualitätssicherungsinstrument in dem Zusammenhang. Dann wird es aber, und das ist der zweite Teil, viele Langzeitbeschäftigungslose geben, die kann man nicht einfach in einem Unternehmen anstellen. Die haben gesundheitliche Beeinträchtigungen, die sind schon lange arbeitslos und haben es nicht so leicht, wieder in den Job zurückzukommen. Dort ist vielfach vielleicht auch sozialarbeiterische Arbeit zunächst zu machen. Und da ist natürlich das, was wir lange vorschlagen – „Aktion 40.000“ oder „Jobgarantie“ – also denen im kommunalen oder gemeinnützigen Sektor Arbeit zu ermöglichen, damit sie wieder hineinwachsen in die Arbeitsgesellschaft. Und das fehlt im Wesentlichen, würde ich sagen, bei dieser Aktion. Also es ist grundsätzlich gut, dass es das gibt, aber es müsste sozusagen weiterentwickelt oder angepasst werden.
Welche Effekte haben Klimaticket, Klimabonus & Co?
Als positive Aspekte im Budget haben Sie schon das Klima, die Klimamaßnahmen zur Sprache gebracht. Jetzt wird ja eine CO2-Bepreisung stattfinden, das heißt, da wird es Einnahmen geben aus einer CO2-Steuer. Und gerade die Arbeiterkammer hat immer gefordert, dass es dazu eine soziale Gegenmaßnahme geben muss. Der sogenannte Klimabonus, der jetzt auch regional gestaffelt eingeführt wird, erfüllt er das?
Grundsätzlich ja, das ist ein innovatives Instrument, und Österreich ist eines der wenigen Länder, vielleicht sogar das einzige, ich habe es jetzt nicht genau im Kopf, das diese Einnahmen aus einer CO2-Abgabe wirklich den Bürger:innen direkt wieder zurückgibt und damit mögliche negative Verteilungseffekte hintanhält. Das ist eine sinnvolle Maßnahme. Wieder muss man im Detail, glaub ich, fragen. Also die regionale Differenzierung ist nicht gut durchdacht, auch von den Anreizen her. Die Regionen, die den öffentlichen Verkehr ausgebaut haben und wo viel investiert wurde und wo die Bürger:innen auch beitragen mussten, die bekommen jetzt weniger, und die, die sich überhaupt nicht gekümmert haben, die die sogenannten Nebenstrecken bei den Bahnen eingestellt haben, die bekommen auch einen höheren Kimabonus. Also, das ist kein guter Anreiz. Dazu kommt – das mag vielleicht kleinkariert sein -, dass wir jetzt wieder ein neues Instrument entwickeln, wie man den Bürger:innen Geld zurückgibt.
Also ich finde den Klimabonus gut, aber man hätte es zum Beispiel über die Steuer auch abwickeln können im Sinne von Negativsteuer etc. Jetzt wird das Klimaministerium eine eigene Überweisung für die Bürger:innen erfinden. Da wird sehr viel an Bürokratie wieder aufgebaut. Aber grundsätzlich ist das ein sinnvolles Instrument. Man darf sich von der CO2-Abgabe gerade in dieser Höhe und der Rückverteilung aber nicht zu viele Klimaeffekte erwarten. Das Entscheidende ist, dass die Infrastruktur da ist, also dass investiert wird in den öffentlichen Verkehr, nicht nur in die Schienenstrecken, sondern auch in den mikroöffentlichen Verkehr, Zubringer zu Bahnhöfen …
Der letzte Kilometer …
… Radwege, der letzte Kilometer, alle diese Sachen. Dort müssen wir viel mehr investieren, und das findet ja auf kommunaler Ebene statt, und dort ist jetzt zu wenig, weil die Städte und Gemeinden kein Geld haben.
Wenn man das jetzt zusammenfasst: Es gibt ja auch noch das Klimaticket, also – ich habe es jetzt als DAS grüne Prestigeprojekt verstanden – den Klimabonus. Und dann sind eigentlich recht bescheidene Neuinvestitionen in die thermische Sanierung und ökologische Heizsysteme geplant. Wenn man das jetzt zusammen anschaut, wie ökosozial ist dann diese Steuerreform eigentlich wirklich?
Es muss mehr kommen, damit wir die Klimakrise in den Griff kriegen.
Also wenn man das Budget 2022 insgesamt – Einnahmenseite, Steuerreform und die Ausgabenseite – anschaut, dann muss man sagen: Ja, es gibt jetzt zusätzliche Maßnahmen auf der Ausgabenseite. Ich würde auch diesen Biodiversitätsfonds und die Kreislaufwirtschaft – 100 Millionen für Kreislaufwirtschaft – also da geht es jetzt um Recycling etc. … Das sind gute Maßnahmen, die neu dazukommen. Aber die großen Investitionen, die sind natürlich schon im mittelfristigen Finanzrahmen in der Vergangenheit gesetzt worden. Wir haben doch jetzt 17 Milliarden an Schieneninvestitionen in den nächsten Jahren, das ist das höchste Investitionsbudget in dem Bereich. Und ich würde es gerne in diesem Kontext sehen, weil man nicht immer nur ein Jahr betrachten kann, sondern man muss ein bisschen diese Entwicklung sehen. Und da sehe ich es eigentlich schon sehr, sehr positiv. Dennoch: Es muss mehr kommen, damit wir die Klimakrise in den Griff kriegen.
Abschließend hätte ich eine Frage: Wenn Sie dem Finanzminister noch drei Vorhaben ins Budget hineinschreiben könnten, bevor es beschlossen wird, welche wären das?
Es müssen vier sein …
Dann sagen wir vier.
Auf der Ausgabenseite eine Milliarde für Armutsbekämpfung. Ich halte es für einen Skandal, dass eine so reiche Gesellschaft Armut zulässt, Kinderarmut zusätzlich. Wir haben 800 Millionen, um die Großunternehmen zu entlasten, aber wir haben keine Milliarde zur Armutsbekämpfung. Zweitens eine Milliarde für den Ausbau der Elementarpädagogik, zusätzlich vielleicht Schulen.
Ich meine, jetzt haben gerade die Kindergärtner:innen in Wien gestreikt, und am Land ist die Situation noch schlechter. Wir brauchen dort massive Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und Verbesserungen der Qualität. Drittens Pflegebereich: Das ist eine der großen Herausforderungen, auch in der Verteilungsdiskussion. Wir wollen, dass Arm und Reich gleich gute Bedingungen in der Pflege haben, wenn sie alt werden. Und das ist wirklich mit Angst verbunden, dass die Menschen nicht gut gepflegt werden. Dort zu investieren ist zentral. Und das Vierte ist natürlich, dass ich ein Budget nie gut finden kann, das keine Vermögensteuer hat.