Der Traum vom Haus im Grünen lebt – aber nur, wenn man genug Geld hat. Viele andere haben den Traum wohl ausgeträumt. Das hat viele Gründe, einer davon ist, „dass die durchschnittliche Wohnungsgröße in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist“, führt Christian Fölzer, Gewerkschaft Bau-Holz und selbst Aufsichtsrat bei zwei Wohnbaugenossenschaften, aus. Zur Einordnung: Anfang der 1990er-Jahre waren es laut Statistiken rund 85 Quadratmeter, 2020 schon 100.
Zudem nahm die Bevölkerung in Österreich in den letzten Jahrzehnten zu: „1980 lebten rund 7,5 Millionen Menschen in Österreich, im Jahr 2000 rund acht, nun neun.“ Diese wohnen zu knapp 60 Prozent in Gemeinden mit 10.000 Einwohner:innen und mehr. Das führt fast zwangsläufig zu höheren Preisen. Dies alles sei bei der gegenwärtigen Diskussion zu bedenken, so Fölzer. Zusätzlich attraktivierte die Niedrigzinsphase der letzten Jahre die Anlageform „Vorsorgewohnung“ und zog Unternehmen an, die im großen Stil Häuser bauten und verkauften – was den Preis von Grundstücken sowie die Baukosten in die Höhe trieb.
Preise steigen, Laune sinkt
Von den stark steigenden Preisen bei Eigenheimen sind vor allem jene betroffen, deren Lebensmittelpunkt in einer ländlichen Region liegt, wo es oftmals weniger oder direkt vor Ort keinen öffentlich geförderten Wohnbau gibt. Es betrifft also meist Durchschnittsverdiener:innen, und nicht jene, die sich ein Haus im Grünen leichter leisten können und eben mehr zahlen müssen als gedacht. „Die Kaufpreise für Baugrundstücke steigen sehr stark“, weiß Josef Kaufmann aus der Abteilung Marktforschung der AK Steiermark aus einer WKO-Untersuchung. „Es gibt Steigerungen von 20 bis 25 Prozent in durchaus ländlichen Gebieten wie Neusiedl am See oder Wels-Land. Das ist nicht Wien oder Salzburg.“
Die Verdrängung findet immer weiter Richtung Peripherie statt und treibt die Preise dort. Die Baugrundstücke und die Immobilienpreise sind die eine Sache, die Errichtungskosten die andere. Ein Indikator ist der Baukostenindex, der die Entwicklung der Kosten abbildet, die den Bauunternehmen bei der Ausführung von Bauleistungen durch Veränderung der Kostengrundlagen (Material und Arbeit) entstehen. Verglichen mit Juni 2021 stieg dieser Wert um 10,7 Prozent. Verantwortlich zeichnen im Wohnhaus- und Siedlungsbau Stoffe wie etwa Holz, Schaumstoffplatten oder Treibstoffe. Doch damit nicht genug: Die Finanzierung des Eigenheims wird auch noch durch strengere Kreditvergaberichtlinien erschwert.
Lax verschuldet
Bankkredite für einen Hausbau zu bekommen, das war bislang einfacher als andernorts. Die Europäische Zentralbank bezeichnete Österreichs Banken in diesem Punkt Anfang des Jahres als zu lax. Die Hälfte der Immobilienkredite erfüllt die Mindestkriterien des Europäischen Rates für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB) nicht. Seit 1. August lauten die Vorgaben der Finanzmarktaufsicht (FMA) für eine nachhaltige Kreditvergabe vereinfacht ausgedrückt: Rund 20 Prozent des Kaufpreises müssen als Eigenmittel vorliegen, die Kreditrate darf höchstens 40 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens ausmachen, und die Laufzeit der Finanzierung darf 35 Jahre nicht übersteigen.
ÖGB und AK begrüßen die neue Verordnung, da sie auch zum Schutz von Verbraucher:innen vor Überschuldung beiträgt. Für die Banken waren und sind Immobilienfinanzierungen mit und ohne steigende Preise ein gutes Geschäft, wie Gerhard Augustin, Konsumentenberater der AK OÖ, dazu erklärt: „Kostete eine Liegenschaft vor fünf Jahren beispielsweise 300.000 Euro und gerät der Kreditnehmer nun bei der Rückzahlung in Schwierigkeiten, dann ist das Risiko eines teilweisen oder gänzlichen Kreditausfalles für die Bank aktuell besonders gering, weil die Immobilienpreise explodiert und dadurch hohe Verwertungserlöse zu erwarten sind.“
Unsichere Zukunft
Denn Augustin weiß: „Diese Gemengelage mit steigenden Kosten und möglicher steigender Verzinsung bei variabel verzinsten Krediten könnte für Probleme sorgen, zunächst beim Kreditnehmer, dann bei den Banken, in weiterer Folge könnte es zu einem ganz allgemeinen massiven Immobilienpreisverfall kommen.“ Ob das kommt, kann aber keiner vorhersehen. Darüber hinaus stellt sich in der heutigen Zeit schon auch die Frage, wie klimafit das Wohnen auf dem Land ist – betreffend Energie, aber vor allem hinsichtlich Mobilität. Es komme, so Kaufmann, in Zukunft zu einer „starken Ausweitung des Bedarfes“ an öffentlichen Verkehrsmitteln: „Es ist mit dem Klimaticket zwar viel passiert, und die Preise für das Pendeln sind gesunken, nur hilft das nicht, wenn es keinen Anschluss gibt oder wenn es zeitlich unmöglich ist, das öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.“ Auch das muss eingerechnet werden, will man auf dem Land wohnen.
Haustraum ausgeträumt?
Was bedeutet das also? Haben junge Familien nun gar keine Chance mehr auf eine Eigenheimfinanzierung? „Es bleibt einerseits abzuwarten, wie sich die neuen Richtlinien in der Praxis konkret auswirken werden. Andererseits gibt es für die Banken zur Abfederung von Einzelfällen Ausnahmekontingente bei der Kreditvergabe“, resümiert etwa Augustin. Die offiziellen Zahlen sprechen eine andere Sprache: Laut der Immobilienmarktanalyse der OeNB waren in der zweiten Jahreshälfte 2020 (!) zum sechsten Mal in Folge Preiszuwächse über der 10 Prozent-Marke zu verzeichnen. In Wien stiegen Immobilienpreise im ersten Quartal 2022 um 11,8 Prozent – im restlichen Bundesgebiet um 12,9 Prozent. Seit 2011 lagen die Preissteigerungen für Einfamilienhäuser im einstelligen Prozentbereich, seit 2018 wird regelmäßig die 10 Prozent-Marke überschritten.
Die durchschnittlichen Baukosten im Wohnhaus- und Siedlungsbau sind in den letzten 20 Jahren mit 2,8 Prozent im Schnitt stärker gestiegen als die jährliche Inflation (1,9 Prozent). Oder in Zahlen der Statistik Austria ausgedrückt: Im Jahr 2015 kostete der Quadratmeter Wohnfläche beim Häuserbau in den erwähnten Bezirken Neusiedl am See und Wels-Land noch 1.339 bzw. 1.729 Euro. 2021 waren es 2.151 bzw. 2.721. Die Preissteigerung liegt hier also bei rund 60 bzw. 57 Prozent – und da sind aktuelle Steigerungen noch gar nicht mit eingerechnet. Hierbei muss dann eigentlich gesagt werden: Für viele hat sich der Traum vom eigenen Haus wohl ausgeträumt.