Gold Plating: Standards senken, Schutzvorschrifen abbauen

Inhalt

  1. Seite 1 - Gold Plating betrifft uns alle
  2. Seite 2 - Die Pläne der Regierung
  3. Seite 3 - Die ersten 40 Gold-Plating-Abbau-Vorschläge
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Mit der Arbeitszeitflexibilisierung hat die amtierende ÖVP-FPÖ-Regierung bereits allen unselbstständig Beschäftigten Einschnitte beschert. Nun legte die Koalition einen Entwurf vor, mit dem 40 Materien unter dem Schlagwort „Gold Plating“ novelliert werden sollen. Auch hier stehen die Interessen der Wirtschaft im Mittelpunkt, beklagen die beiden AK-ExpertInnen Silvia Hruska-Frank und Frank Ey im Gespräch mit A&W Online. Beschäftigte und VerbraucherInnen müssten weiter Benachteiligungen hinnehmen.

Frank Ey im Interview
„Die Wirtschaftskammer stellt bei den 500 Vorschlägen das Behinderteneinstellungsgesetz und das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz als Ganzes infrage. Die sagen, das ist auch nur Gold Plating“, gibt Ey zu bedenken.

Die Wirtschaft betreibt den Abbau von Gold Plating mit dem Kostenargument. Wie kann Gold Plating im Gegenzug aber auch ein Standort- oder Wettbewerbsvorteil sein?

SILVIA HRUSKA-FRANK: Das ist ja eindeutig belegt, dass die prosperierenden Staaten mit den sehr starken Volkswirtschaften auch gute soziale Standards haben und dass soziale Standards und auch Umweltstandards und insgesamt ein Angebot, das ein Staat leistet an Wohlfahrt und Infrastruktur, dass das ein enormer Standortvorteil ist und dass man auch viel produktiver ist. Es ist ja völliger Schwachsinn, eine Arbeitsstunde in Rumänien mit einer Arbeitsstunde in Österreich zu vergleichen, nicht nur vom Entgelt, sondern auch von der Produktivität her. Und was man auch ganz gesichert weiß, ist, dass sich eine starke Sozialpartnerschaft ebenfalls extrem positiv auf den Wirtschaftsstandort auswirkt. Das ist ja allen klar. Ich habe nur den Eindruck, dass jene, die hier dem Gold Plating das Wort reden, nicht wissen, was das dann für eine Gesellschaft ist und wie sich die anfühlt, weil man die Ungleichheit erhöht hat. Das ist der Prozess, der jetzt stattfinden soll – wir halten da aber eh mächtig dagegen.

Bei den ersten 40 Vorschlägen zum Gold-Plating-Abbau sind zwar – siehe oben – Einschnitte da, aber nicht die großen Hämmer. Welche sind auf der 500er-Liste die ganz heißen Eisen?

SILVIA HRUSKA-FRANK: Ich bin eine Arbeitsrechtlerin, für mich sind solche Themen wie der Abbau von Urlaub oder Mutterschutzvorschriften, Gift und Schadstoffe bei der Arbeit, gerade auch für werdende Mütter, ganz massive Eingriffe ins System. Unsere Meinung zum 12-Stunden-Tag-Gesetz ist eh bekannt. Da werden wir als Gesellschaft viel Aufwand haben, das alles zu reparieren, was da derzeit zum Beispiel punkto Arbeitszeit schon passiert ist. Da müsste man unbedingt etwa hinsichtlich der Vollstreckbarkeit von Strafen und der Beiträge in die Sozialversicherung ganz viel zu tun, um unsere ArbeitnehmerInnen vor Lohn- und Sozialdumping zu schützen.

FRANK EY: Ein heißes Eisen ist auch der Kündigungsschutz für Behinderte. Die Wirtschaftskammer stellt bei den 500 Vorschlägen das Behinderteneinstellungsgesetz und das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz als Ganzes infrage. Die sagen, das ist auch nur Gold Plating. Das haben die wirklich schwarz auf weiß in ihren Forderungen drinnen. Der Kündigungsschutz für Schwangere soll auch verschlechtert werden, wenn es nach der Wirtschaft geht. Und im Verbraucherschutzbereich sollen beispielsweise Verbandsklagen wesentlich erschwert werden.

SILVIA HRUSKA-FRANK: Bei den Verbandsklagen geht es auch um Unternehmen, die für VerbraucherInnen schlechte allgemeine Geschäftsbedingungen haben oder grob nachteilige Musterverträge. Da ist der einzelne Konsument recht arm, wenn er das entweder akzeptiert oder man immer für Einzelfälle klagen muss. Der Unternehmer kalkuliert dann damit, Klagen im Einzelfall zu riskieren.

Die EU legt die Mindeststandards fest und wir sind in der glücklichen Situation, dass wir in vielen Bereichen darüber liegen. Wo in der EU ist man bei manchen Sachen ganz weit unter den Standards?

Es ist widersinnig zu sagen, jetzt gehen wir alle auf das Niveau mit dem niedrigsten Umweltschutzstandard herunter. Das kann ja nicht das Ziel der EU sein.

FRANK EY: Im Rat wird ja immer verhandelt, über Richtlinien, über Verordnungen. Da gibt es Mitgliedstaaten, die sind schon recht weit, zum Beispiel in der Umweltgesetzgebung. Da werden schon serienmäßig Luftfilter eingebaut oder Kläranlagen vorgesehen. Und andere Länder wiederum, die hinken da etwas nach. Da einigt man sich dann auf einen Kompromiss. Es gibt beispielsweise einen Übergangszeitraum oder man sagt, baut einmal den Filter Stufe eins ein und in 15 Jahren habt ihr dann die allerneuesten Filter drinnen, während andere Mitgliedstaaten jetzt schon die besten Filter einsetzen. Es ist natürlich widersinnig zu sagen, jetzt gehen wir alle auf das Niveau mit dem niedrigsten Umweltschutzstandard herunter. Das kann ja nicht das Ziel der EU sein. In der ganzen Europäischen Union ist uns übrigens kein Beispiel bekannt, wo es auch so eine Gold-Plating-Initiative gäbe wie in Österreich, wo man mit den Standards wieder herunter will.

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Über den/die Autor:in

Alexia Weiss

Alexia Weiss, geboren 1971 in Wien, Journalistin und Autorin. Germanistikstudium und Journalismusausbildung an der Universität Wien. Seit 1993 journalistisch tätig, u.a. als Redakteurin der Austria Presse Agentur. Ab 2007 freie Journalistin. Aktuell schreibt sie für das jüdische Magazin WINA sowie für gewerkschaftliche Medien wie die KOMPETENZ der GPA-djp oder die Gesunde Arbeit. 2022 erschien ihr bisher letztes Buch "Zerschlagt das Schulsystem ... und baut es neu!" (Verlag Kremayr & Scheriau).

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