Gewinn-Preis-Spirale heizt Inflation in Österreich an

Menschen ruhen sich auf Geld aus, während andere in Armut leben. Symbolbild für die Gewinn-Preis-Spirale und die Inflatio
Die Gewinn-Preis-Spirale heizt die Inflation in Österreich an. | © Adobestock/corlaffra
Die hohe Inflation in Österreich treibt Menschen in die Verzweiflung. Gleichzeitig sind die Gewinne der Unternehmen auf Rekordniveau: Die Gewinn-Preis-Spirale.
Die 20 Unternehmen auf dem ATX knacken in diesem Jahr die Dividenden-Schallmauer von sechs Milliarden Euro. OMV, Verbund und Erste Group werden die höchsten Auszahlungen ihrer Firmengeschichte vornehmen. Diese Zahlen weist der Dividendenreport aus. Die darin ausgewerteten 17 Unternehmen haben einen Gewinn von 14,7 Milliarden Euro erwirtschaftet.  Gleichzeitig steigt die Inflation in Österreich wieder an. Von 9,2 Prozent im März 2023, kletterte die Teuerung im April 2023 auf 9,8 Prozent. Enorme Gewinne im Schatten der Inflation nennt man auch Gierflation. Denn die massiv erhöhten Margen heizen die Gewinn-Preis-Spirale an.

So entsteht die Gewinn-Preis-Spirale

Wie eine Gewinn-Preis-Spirale entsteht, lässt sich anhand der OMV vereinfacht erklären. Der Erdöl-, Erdgas- und Chemiekonzern konnte seinen Umsatz im ersten Quartal 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 146 Prozent steigern. Von 6,4 Milliarden Euro auf 15,8 Milliarden Euro. Das Ergebnis (wie im Q-Bericht) vor Steuern stieg um 91 Prozent. Von 1,1 Milliarden auf 2,1 Milliarden Euro. Im gleichen Quartal beschloss die österreichische Bundesregierung einen Energiekostenzuschuss für jeden Haushalt. Weil die Preise für Heizöl und Gas die Energiearmut verschärfen.

Die Mieten steigen und die Gewinn-Preis-Spirale heizt die Inflation weiter an.
Indexmieten verschärfen die Inflation in diesem Jahr zusätzlich.

Eine Gewinn-Preis-Spirale bedeutet, dass steigende Preise zu großen Teilen keine natürliche Ursache haben – wie etwa knappe Ressourcen oder steigend Nachfrage –, sondern auf höhere Gewinnmargen bei den Unternehmen zurückzuführen sind. Das hat Auswirkungen auf den Warenkorb. Die Jahresinflation 2022 betrug in Österreich satte 8,6 Prozent. Im September 2022 stiegen die Preise jedoch erstmals seit Jahrzehnten zweistellig:

Inflation in Österreich:
  • April 2023: 9,8 Prozent
  • März 2023: 9,2 Prozent
  • Februar 2023: 10,9 Prozent
  • Januar 2023: 11,2 Prozent
  • Dezember 2022: 10,2 Prozent
  • November 2022: 10,6 Prozent
  • Oktober 2022: 11,0 Prozent
  • September 2022: 10,6 Prozent
  • August 2022: 9,3 Prozent
  • Juli 2022: 9,4 Prozent
  • Juni 2022: 8,7 Prozent
  • Mai 2022: 7,7 Prozent
  • April 2022: 7,2 Prozent

Höhere Margen statt marktgerechter Preise

Beeindruckende Quartalsergebnisse inmitten der Krise sind aber kein Exklusivrecht der Energiekonzerne. Auch der Baustoffkonzern Wienerberger oder der Aluminiumverarbeiter AMAG konnten ihren Gewinn vor Steuern verdoppeln. Es sind nicht nur große Aktiengesellschaften, die sich über ein zusätzliches Körberlgeld freuen. Die Bundesregierung unterstützte die Gastronomie in der Corona-Pandemie mit einer Senkung der Mehrwertsteuer. Die Rückführung auf das Vor-Pandemie-Niveau geben viele der (vorwiegend kleinen und mittleren) Unternehmer:innen allerdings an die Konsument:innen weiter.

Die nächsten Profiteure der Gewinn-Preis-Spirale sind die Immobilienkonzerne. Denn viele Mieten sind an die Inflation gekoppelt. In regelmäßigen Abständen findet eine Anpassung der Miete in der Höhe der allgemeinen Preissteigerung statt. Die Mietanpassung fällt aktuell sehr hoch aus, obwohl die Kosten für die Vermietung nicht wirklich gestiegen sind. Die Richtwertmieten stiegen vergangenes Jahr um 5,9 Prozent. Im April 2023 folgte eine weitere Anhebung. Insgesamt dreimal erhöhten Vermieter:innen die Kategorie-Mieten im vergangenen Jahr – um insgesamt 17,5 Prozent. Im Juli könnte es erneut teurer werden.

Lohnsteigerungen sind die beste Anti-Teuerungs-Maßnahme

Weil die Heiz- und Mietkosten im Gleichschritt steigen, leiden immer mehr Menschen in Österreich unter Energiearmut. Das bedeutet, dass die Wohnung kalt bleiben muss. Gleichzeitig ist jedes fünfte Kind in Österreich von Armut betroffen. Sie sprechen zu Hause von „Toastbrottagen“, wenn nicht mehr genug Geld für ausgewogene Mahlzeiten übrig ist. Auch hier führt eine Gewinn-Preis-Spirale zu einer Verschärfung der Situation.

Rainer Wimmer führt die Lohnverhandlungen und kämpft so gegen eine Gewinn-Preis-Spirale.
Rainer Wimmer, PRO-GE-Vorsitzender und SPÖ-Abgeordneter zum Nationalrat, streitet für höhere Löhne. | © Markus Zahradnik

Die nachhaltigste Maßnahme gegen eine Gewinn-Preis-Spirale ist eine Erhöhung des Reallohns. Rainer Wimmer, PRO-GE-Vorsitzender und einer der Chefverhandler in den Herbstlohnrunden, betont im Gespräch mit Arbeit&Wirtschaft. „Eine hohe Inflation bedingt hohe Lohnabschlüsse. Denn die Menschen leiden unter der Preissteigerung massiv. Vor allem die, die nicht das große Geld verdienen. Die spüren die Energie- und Lebensmittelkosten.“ Dass sich die Wirtschaft diese Lohnerhöhungen leisten kann, machen die aktuellen Quartalsberichte deutlich.

Gewinn-Preis-Spirale gefährdet die Kaufkraft

Angesichts der bereits existierenden Gewinn-Preis-Spirale glaubt Ertl auch nicht daran, dass steigende Löhne die Inflation weiter befeuern: „Wenn die Hysterie kommt, dass steigende Löhne die Inflation antreiben, sollte man auch einmal den Perspektivenwechsel wagen. Die Unternehmen machen in einzelnen Branchen sehr gute Gewinne dank hoher beziehungsweise steigender Preise. Das führt dazu, dass die Inflation weiter steigt.“

Die Gewinn-Preis-Spirale zeigt, dass die Teuerung nicht alle Menschen gleich trifft. Reiche Menschen trifft es kaum. Auch, weil sie im vergangenen Jahr massive Gehaltserhöhungen (und Dividendenausschüttungen) bekommen haben. Mehr Informationen gibt es unter anderem in unserem Beitrag Was ist Inflation?

Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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