Steigende Unfallgefahr
Das ist natürlich praktisch, wenn man Statistiken kennt, wonach das Unfallrisiko nach der zehnten Arbeitsstunde drastisch zunimmt. Der Blog „kontrast.at“ zitiert die Arbeitspsychologin Andrea Birbaumer am 20. Juni: „Bei sehr langen Arbeitstagen wird man dreimal müder als an normalen Tagen. Und da kommt es dann auch vermehrt zu Unfällen.“ Solche Unfälle können schon jetzt tödlich enden. Am 30. Juli starb in Tirol ein Erntehelfer während eines sehr heißen Arbeitstages an den Folgen eines Herzinfarktes. Und am 22. August verunglückte ein Kranfahrer im Wiener Bezirk Hietzing tödlich auf seiner Baustelle.
Bislang gab es zumindest noch die Chance, Unternehmen bei rechtswidrigem Verhalten zu belangen. Das war der Industriellenvereinigung ein Dorn im Auge. In ihrem Forderungskatalog heißt es: „Verwaltungsstrafen werden immer höher und können sogar Millionenhöhen erreichen. Das Verwaltungsstrafrecht ist dringend zu reformieren, etwa durch die Abschaffung des Kumulationsprinzips. (…) Der Standort braucht eine verbindliche Bundesraumordnung. Genehmigungsverfahren sind weiter zu beschleunigen.“
Die IV ruft zu, die Regierung vollzieht. Ab 2020 fällt das Kumulationsprinzip, welches jeden Fall von Lohn- oder Sozialdumping in einem Unternehmen einzeln behandelte und zu entsprechend hohen Strafen führen konnte. Schwarz-Blau macht Lohndumping billiger. Damit kann das so gesparte Geld gut angelegt werden, denn die Körperschaftsteuer auf nicht entnommene Gewinne wird zudem halbiert.
Und am 1. Jänner kommt als verspätetes Weihnachtsgeschenk die Einführung des Standort-Entwicklungsgesetzes, welches für Großprojekte lästige Vorschriften wie die Umweltverträglichkeitsprüfung entfallen lässt. Letzteres ist ein Herzensanliegen von IV-Präsident Kapsch, der am 7. März 2018 dem Standard im Interview ausrichtete: „Wir müssen bestimmte Projekte durchboxen können.“
Hart abgerungener 8-Stunden-Tag
An dieser Stelle ein kleiner historischer Exkurs. Im September wäre der nun abgeschaffte 8-Stunden-Tag 100 Jahre alt geworden. Am 11. September 1918 wurde er erstmals in Österreich gesetzlich verankert. Das war ein Ergebnis revolutionärer Umwälzungen in ganz Europa, ausgehend von der Oktoberrevolution in Russland. Damals hatten die Unternehmer in Österreich so viel Angst vor ArbeiterInnen und Angestellten, dass sie zu Zugeständnissen bereit waren. Letztendlich beruht auch die Sozialpartnerschaft der vergangenen Jahrzehnte zu einem großen Teil auf dieser Angst – und diese scheint nun überwunden zu sein.
Es wird Zeit, dass sich sowohl die Regierung als auch die Unternehmen wieder vor den Gewerkschaften fürchten. Denn ohne diese Furcht werden sie der Regierung immer weitere Wunschzettel zur Umsetzung präsentieren. 498 Vorschläge zur Abschaffung von Mindeststandards hat die Wirtschaftskammer bereits unterbreitet. Sie reichen von einer Reduzierung des Urlaubsanspruchs bis zum Ende des Kündigungsschutzes für Mütter. ArbeitnehmerInnen sollen zahlen, damit die Reichen reicher werden.
Weiterführende Links:
Der Kontrast-Blog hat eine hilfreiche Liste, warum Großkonzerne die Gewinner unter dieser Regierung sind:
tinyurl.com/y9o4vh24
kontrast.at zu weiteren Wünschen der Wirtschaft:
tinyurl.com/yb4tse5x
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 8/18. Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
Christian Bunke
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