Geschafft!

Foto (C) Hans Punz/APA/picturedesk.com
Manchmal müssen Betriebsräte kreativ werden, um die Interessen der Beschäftigten auch bei Umstrukturierungen gut vertreten zu können. Bei den Wiener Linien gründete man einen Verein.

Inhalt

  1. Seite 1 - Gesundheitstage und Betriebsrats-App
  2. Seite 2 - Unterstützung durch die Gewerkschaft
  3. Seite 3 - Tipps und Anregungen
  4. Auf einer Seite lesen >
Zuhören, diskutieren, verhandeln, organisieren, Reden halten und wieder zuhören, diskutieren: Das ist der Alltag von BetriebsrätInnen.
Die Betriebsratsarbeit ist geprägt durch eine große Themenvielfalt, was sie komplex und spannend macht. In kleineren Unternehmen ohne freigestellte KollegInnen kommen dazu meist noch Zeitdruck und Stress durch die fachliche Tätigkeit. In der Regel erfordert es viel Engagement, Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen (sowie idealerweise die Unterstützung der KollegInnen), um Forderungen durchzusetzen. Michael Bauer ist Zentralbetriebsratsvorsitzender der Wiener Linien. Als Reaktion auf Umstrukturierungen und Liberalisierungen wurde 2012 ein eigener Verein gegründet, um weiterhin gemeinsam für die rund 10.000 Beschäftigten von Wiener Stadtwerke GmbH, Wiener Linien und Bestattung Wien tätig sein zu können.

Gesundheitstage

Aktuell gibt es zahlreiche Angebote und Vergünstigungen, etwa einen Kleinbus-Verleih für die Beschäftigten, Urlaubszuschüsse, Einkommenszuschüsse für Lehrlinge oder zu Gesundenuntersuchungen sowie Impfaktionen. Seit 2016 gibt es auch die Gesundheitstage. Diese bestehen aus drei Modulen mit jeweils zwei Tagen Aufenthalt in einer Therme. „Hier gab es vor allem langwierige Verhandlungen zur Finanzierung der erforderlichen Urlaubstage“, erzählt Michael Bauer. „Letztendlich wurde beschlossen, dass die Beschäftigten für ein Modul zwei Tage Urlaub nehmen müssen, zwei Tage werden vom Arbeitgeber bezahlt und das dritte Modul wird halbe-halbe finanziert.“ Das Angebot der Gesundheitstage wird von ca. 500 Beschäftigten jährlich in Anspruch genommen.

Michael Bauers Motto für seine Betriebsratsarbeit: „Aufmerksam zuhören, was die KollegInnen sich wünschen, um nicht an der Belegschaft vorbei zu verhandeln. Sobald die Geschäftsführung dann überzeugt werden kann, dass von den geforderten Veränderungen beide Seiten profitieren werden, entsteht eine echte Win-win-Situation.“

Betriebsrats-App

Ein großes Thema sind freilich Kommunikation mit und die Information der KollegInnen. Andreas Brich ist Betriebsratsvorsitzender bei der BMW Motoren GmbH. „An sich nutzen meine BetriebsratskollegInnen und ich schon längere Zeit mehrere Kommunikationskanäle wie beispielsweise unsere Betriebsratszeitung, Facebook und Intranet“, erzählt er. „Doch unseren SMS-Newsletter fanden wir Ende 2016 etwas langweilig beziehungsweise altbacken. Wir wollten aber nicht einfach nur eine WhatsApp-Gruppe gründen.“ So ist relativ bald die Idee entstanden, gleich eine App für den Arbeiterbetriebsrat erstellen zu lassen.

Für die Partnersuche vor der Umsetzung hat sich das Team rund sechs Monate Zeit genommen. Denn es sollte nicht nur kostengünstig sein, der Betriebsrat wollte auch vermeiden, womöglich ein Unternehmen zu wählen, das nach kurzer Zeit wieder vom Markt verschwunden ist. Schließlich entschied man sich für das Baukasten-System von AppYourself. Die App „BMW – Betriebsrat Steyr“ wurde sehr gut angenommen, von den insgesamt 4.500 Beschäftigten haben sie bisher rund 1.600 heruntergeladen. Die Inhalte werden laufend erweitert: News – von Betriebsvereinbarungen bis zur Schimeisterschaft, Kontaktmöglichkeiten zu den BetriebsrätInnen, aber auch allgemeine Infos von AK und ÖGB.

Die App ist frei zugänglich, kann also nicht nur von BMW-MitarbeiterInnen genutzt werden. „Das bedeutet natürlich, dass wir aufpassen müssen, was wir dort kommunizieren. Aber das wurde so gelöst, dass wir etwa bei einer neuen Betriebsvereinbarung im dazugehörigen Newsfeed nur Basisinfos bringen, ergänzt mit dem Hinweis ‚Nähere Infos bei deinem BR‘.“ Andreas Brichs Tipp für alle, die jetzt auf den Geschmack gekommen sind: „Für eine App muss man kein EDV-Profi sein. Wichtig ist, dass man sich über die Inhalte klar ist.“

Datenschutz

Kommunikation ist zentral, damit eng verbunden ist heutzutage der Datenschutz. Bewusstsein für die Notwendigkeit, auch die Daten in der Betriebsratsarbeit entsprechend der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu regeln, ist im Betriebsrat der BAWAG P.S.K. schon Anfang 2017 entstanden, erzählt Verena Spitz, stellvertretende Vorsitzende des Zentralbetriebsrats BAWAG P.S.K. Denn die GPA-djp, besonders die Abteilung Arbeit und Technik, hatte im Vorfeld bereits sehr gut informiert. Im Zuge der Umsetzung wurde evaluiert, welche Daten in der Betriebsratsarbeit überhaupt anfallen. „Dafür haben wir uns mit der Datenschutzbeauftragten der Bank vernetzt. So konnten wir auch gleich festlegen, wie unsere Betriebsvereinbarungen zu MitarbeiterInnen-Daten mit der Arbeit der Datenschutzbeauftragten verknüpft werden.“ Erfreulicherweise habe sich dabei herausgestellt, dass alle derzeit bestehenden Themen bereits von einer Betriebsvereinbarung erfasst sind, in der auch schon die jetzt vorgeschriebenen Löschregelungen etc. eingebaut waren.

Hand in Hand

„An sich haben wir in den vergangenen Jahren schon mehrere Betriebsvereinbarungen zum Schutz der Beschäftigten erreicht. Bei den internen Kommunikationsmitteln oder bei der Arbeitszeiterfassung ist alles schon so geregelt, dass die Privatsphäre der Beschäftigten gut geschützt ist. So ist schon lange klar, dass wir auch in diesem Bereich ein wichtiger Gesprächspartner sind. Unsere Datenschutzbeauftragte braucht teilweise diese Betriebsvereinbarungen, um rechtliche Grundlagen für Datenverwendungen vorweisen zu können“, erzählt Verena Spitz.

In Zusammenhang mit der Betriebsratsarbeit fallen mehr Daten an, als man auf den ersten Blick glaubt. Nicht zuletzt deshalb ist für Verena Spitz eine gute Zusammenarbeit mit dem oder der Datenschutzbeauftragten wichtig: „So können auch neue Entwicklungen immer von beiden Seiten, also Betriebsrat und Datenschutz, beleuchtet werden. Es ist ein gegenseitiger Nutzen: Wir fragen in der Geschäftsführung nach, ob neue Vorhaben schon mit der Datenschutzbeauftragten abgesprochen sind. Und diese fragt in der jeweiligen Fachabteilung, die Datenverarbeitungen mit den Beschäftigtendaten durchführt, ob dazu schon eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wurde.“

Der Bereich Abfallwirtschaft ist heute eine der wenigen Branchen ohne Kollektivvertrag. Hier wird seit vielen Jahren verhandelt, und nach wie vor werden in diesem Bereich verschiedene Kollektivverträge angewandt – hauptsächlich jedoch der des Güterbeförderungsgewerbes, weil die meisten Beschäftigten Lkw-FahrerInnen sind. Markus Petritsch ist BR-Vorsitzender in einem Abfallwirtschaftsbetrieb in Kärnten: „Immerhin waren unsere Kollektivvertragsverhandlungen für diese Gruppe Ende 2017 erfolgreich. So haben wir für unsere Kraftfahrer Löhne von 1,30 Euro über dem Mindesttarif erreicht.“

Wichtige Unterstützung

Was bei den Verhandlungen geholfen hat: „Allgemein gibt es derzeit einen Mangel an Fahrern, rund 2.800 offene Stellen bundesweit. Der Lkw-Führerschein kostet rund 4.000 Euro, das ist jungen Leuten oft zu teuer.“ Die Unterstützung durch seine Gewerkschaft vida ist für Markus Petritsch besonders wichtig und wertvoll: „Der Umgang ist familiär, sowohl Landes- als auch Bundesorganisation sind für unsere Ideen immer sehr aufgeschlossen. Für mich und meine Kolleginnen und Kollegen draußen an der Front ist diese Unterstützung wichtig. Denn sonst könnte ich als kleiner Betriebsrat aus Kärnten nicht überleben.“

Von
Astrid Fadler

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/18.

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Tipps und Anregungen

  • Nach wie vor wichtig ist das persönliche Gespräch. So erfährt man direkt und eindeutig, was die KollegInnen sich wünschen. Kontinuierlicher Kontakt während Projekten und Aktionen ist unerlässlich, um nicht an der Belegschaft vorbei zu verhandeln.
    Keine Angst vor neuen Medien und der Arbeitswelt 4.0: Es zahlt sich aus, auf die/den Datenschutzbeauftragte/n zuzugehen. Denn von der guten Zusammenarbeit profitieren beide Seiten.
  • BetriebsrätInnen in kleineren Unternehmen stehen zum Teil vor zusätzlichen Herausforderungen: knappe Ressourcen, der Kampf um das Überleben des Betriebes oder fachliche Probleme. Spezialisierung bzw. klare Aufgabenteilung können sich aber auch in kleinen BR-Teams lohnen.
  • Freigestellte BetriebsrätInnen sind nicht selten EinzelkämpferInnen, so werden die Kompetenzen und Kapazitäten anderer BR-Mitglieder zum Teil ungenügend genutzt. Es ist leichter, die Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen.

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