Bei Staatsbürgern, Politikern und Gästen sind Frauen ja „mitgemeint“. Oder? Beispiele wie das der Fußballfanatikerinnen veranschaulichen, dass Frauen (und nicht-binäre Personen) beim sogenannten generischen Maskulinum – in unseren Köpfen – oftmals nicht mitgemeint sind. Und was in unseren Köpfen nicht mitgemeint ist, ist auch im „Realen“, in unseren Handlungen, (politischen) Überzeugungen und Normen abwesend.
Wie wir sprechen, hat unmittelbar Auswirkungen darauf, wie wir die Welt wahrnehmen, über sie denken – und wie wir handeln. Unter Philosoph:innen, Soziolog:innen und Linguist:innen ist das ein gängiges Argument. „Aber leider auch ein sehr komplexes“, weiß Maria Pober. Die Sprachwissenschafterin vom Institut für Germanistik der Universität Wien beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Thema. Aber den Zusammenhang von Sprache und Realität allgemeinverständlich auf den Punkt zu bringen fällt selbst ihr schwer. Am besten funktioniere es mit Beispielen, sagt sie. Vom „Frauenheld“ auf der einen, von der „Schlampe“ auf der anderen Seite. Von „schweren Jungs“ und „leichten Mädchen“. Von „herrlich“ und „dämlich“.
Sprache ist eine Herrschaftsfrage.
Maria Pober, Sprachwissenschafterin
„Wörter sind Träger:innen von Bedeutungen, die strukturell zugunsten des Heteromannes historisch etabliert sind und heute noch gut funktionieren, um die sexuell aktive Frau abzuwerten und den ebenso aktiven Mann aufzuwerten“, präzisiert Pober. Bereits Ende der 1970er plädierte die deutsche Sprachwissenschafterin Luise Pusch in Workshops, Vorträgen und Publikationen für eine genderrepräsentative Sprache. Pusch gilt als eine der Begründerinnen der feministischen Linguistik.
Auch in Österreich war das Thema zunächst ein akademisches und fand im Laufe der 1980er Einzug in die Rechtsprechung. Seit 1985 müssen Stellen in Österreich „geschlechtsneutral“ ausgeschrieben werden. 1990 veröffentlichte das Bundeskanzleramt das „Handbuch der Rechtssetzungstechnik“ zur genderrepräsentativen Bezeichnung von Organen und Funktionen, 2001 wurde diese in der gesamten Bundesverwaltung gesetzlich verankert. Innerhalb der österreichischen Gewerkschaften setzt man seit 2004 offiziell auf eine genderrepräsentative Sprache, Teilgewerkschaften veröffentlichen seither regelmäßig Genderleitfäden.
Männer stemmen sich dagegen
„Aber insgesamt ist die Entwicklung eine sehr langsame“, kritisiert Pober. Der Grund: Die sprachliche Abbildung beider Geschlechter ist keine Frage von ein paar Buchstaben oder Sonderzeichen mehr oder weniger. „Beim Gendern geht’s ans Eingemachte.“ Wenn Frauen sprachlich (nicht) „mitgemeint“ und nicht als solche repräsentiert sind, so sind sie das auch politisch und gesellschaftlich (nicht). Wenig verwunderlich, so Pober, stemmen sich vor allem konservative und rechte Parteien, also klassische Männerdomänen, gegen genderrepräsentative Sprache. „Sprache ist eine Herrschaftsfrage“, betont die Linguistin.
Die Repräsentation in der Sprache hat die Repräsentation in Politik, Institutionen und Wirtschaft zum Ziel. Politikerinnen, Staatsanwältinnen oder Geschäftsführerinnen erheben nicht nur sprachlichen, sondern realen Anspruch auf Posten und Ämter. Ämter, die bis heute mehrheitlich Männern vorbehalten sind. Eine Frage der Herrschaft eben.
Langfristig sollen durch Binnen-I, Sternchen, Doppelpunkt und Co. die Interessen von Frauen sprachlich und real gestärkt werden. Die paar Buchstaben mehr oder weniger haben mittelbar also sehr konkrete materielle Auswirkungen, zum Beispiel in Form von höheren Einkommen und Pensionen. Dabei ist Gendern gewiss kein Allheilmittel. Aber ein Instrument von vielen, um die Gleichstellung von Männern und Frauen in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen voranzutreiben.