Geld allein ist zu wenig

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Das bedingungslose Grundeinkommen löst kaum Probleme. Der Sozialstaat kann aber durch Aspekte dieses Ansatzes ergänzt und verbessert werden.

Gegen Chancengleichheit

Die Neoliberalen sind gegen Solidarität und Sozialstaat. Der österreichische Ökonom Friedrich August von Hayek warnte vor der Einschränkung wirtschaftlicher Freiheit durch demokratisch beschlossene Maßnahmen zugunsten von Chancengleichheit oder sozialer Gerechtigkeit: „Die Menschen in Umstände zu versetzen, wo jeder gleiche Chancen hat, ist extremer Totalitarismus.“

Deshalb war er gegen Demokratie und befürwortete eine liberale Diktatur. Gemeinsam mit dem Monetaristen Milton Friedman wollte Hayek den Sozialstaat abschaffen und durch eine negative Einkommensteuer ersetzen. Menschen mit kleinem Einkommen unter der Armutsgrenze sollen zusätzlich einen staatlichen Transfer erhalten, der durch niedrige Steuern auf alle darüberliegenden Einkommen finanziert wird. Die Aspekte, die über diese Ansprüche hinausgehen – von der Altersvorsorge bis zum Gesundheits- und Bildungssystem –, besorgt der freie Markt.

Die Negativsteuer soll den staatlichen Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft radikal verringern. Sie steht damit im Gegensatz zum Konzept eines Grundeinkommens, mit dem etwa viele VertreterInnen der katholischen Soziallehre die soziale Absicherung der Menschen verbessern wollen.

Doch auch das bedingungslose Grundeinkommen weist Probleme auf, zunächst jenes der Finanzierbarkeit. Ein Grundeinkommen in der Höhe von tausend Euro pro Monat und Person würde in Österreich Kosten von etwa hundert Milliarden Euro jährlich verursachen. Das ist ziemlich genau gleich viel, wie derzeit für staatliche Sozialleistungen ausgegeben wird. Womit wir bei einem gegebenen Niveau von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen direkt bei den politischen Alternativen wären: Grundeinkommen oder Sozialstaat.

Verliererin des Grundeinkommens wäre die breite Mittelschicht der arbeitenden Menschen, die derzeit sozialstaatliche Leistungen von mehr als tausend Euro erhält: vom Kindergarten- und Schulplatz über Gesundheits- und Pflegeleistungen bis zur Alterspension.

Im Fall der Einführung eines Grundeinkommens würden diese Leistungen bei gleichbleibendem Abgabenniveau ersatzlos entfallen. GewinnerInnen wären hingegen Menschen, die nicht im Erwerbsprozess stehen, vom reichen Erben bis zur Hausfrau, aber auch Arbeitslose. Es muss jedoch bezweifelt werden, ob gerade die Arbeitslosen von einem Grundeinkommen profitieren würden. Denn mit seiner Einführung würde auch jede Anstrengung eines aktiven Sozialstaates wegfallen, das Qualifikationsniveau der Arbeitslosen zu verbessern, Jobs zu vermitteln und aktive Beschäftigungspolitik zu betreiben.

Aktive Solidarität in Gefahr

Ein zweites Problem des Grundeinkommens stellt die Individualisierung dar. Die Menschen werden mit mangelhafter Bildung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit alleingelassen, da sie ja ohnehin ein Grundeinkommen beziehen. Der Sozialstaat hingegen erhebt den Anspruch aktiver Solidarität: Ist man jung, beschäftigt und gesund, dann zahlt man netto in das Sozialsystem ein. Bekommt man Kinder, wird arbeitslos, krank oder alt, so empfängt man mehr vom Sozialsystem, als man einzahlt. Während ihres Lebens sind alle Menschen manchmal Nettoempfängerinnen, manchmal NettozahlerInnen.

Entwicklung schafft Kooperation

Trotz dieser Differenzen zwischen den BefürworterInnen des Sozialstaates und jenen des Grundeinkommens gibt es zahlreiche Kooperationsmöglichkeiten. Etwa bei der Wiedereinführung einer bundeseinheitlichen bedarfsorientierten Mindestsicherung, die eines der wirkungsvollsten Instrumente zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung darstellt. Oder bei der Weiterentwicklung des Sozialstaates zu einem System sozialer Leistungen: Kindergärten, Ganztagsschulen, Weiterbildung, Gesundheits- und Pflegeleistungen und leistbares Wohnen in guter Qualität als Grundleistung für alle Menschen.

Diese Garantie erfüllt die Ziele eines fortschrittlichen Grundeinkommenskonzepts ohne die eben erwähnten Nachteile. Das gilt etwa auch bei der Entwicklung eines Beschäftigungsgarantie-Modells oder dem Versprechen des Sozialstaates, bei fehlenden Jobs in der Privatwirtschaft mit dem Angebot gemeinnütziger Beschäftigung einzuspringen.

Dies gilt auch für die Frage der Finanzierung des Sozialstaates durch Steuern auf Vermögensbestände, Erbschaften und auf alle Wertschöpfungskomponenten. Denn gerade dieses Element zeigt den fundamentalen Gegensatz zu den neokonservativen GegnerInnen des Sozialstaats nochmals sehr klar auf.

Linktipp:
Böckler-Stiftung – Chancen und Risiken des bedingungslosen Grundeinkommens

Von
Markus Marterbauer
Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 2/17.

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