Wenn wir im Verkehr weitermachen wie bisher, sind die Klimaziele unerreichbar!
Die ersten Daten für 2018 zeigen, dass die Emissionen des Verkehrs – im Gegensatz zu allen anderen Sektoren – erneut gestiegen sind. Österreich ist aber jedenfalls im Rahmen der EU verpflichtet, bis 2030 die THG-Emissionen insgesamt um 36 Prozent zu senken. Im Verkehr sollen 2030 nur mehr 15,7 Millionen Tonnen ausgestoßen werden.
Die Politik ist untätig: Klimaschutzmaßnahmen im Straßenverkehr? Bisher Fehlanzeige oder kontraproduktiver Populismus wie Tempo 140 auf der Autobahn.
Die Ursachen für die negative Bilanz liegen im ungebremsten Wachstum des Verkehrs. 89 Prozent der benötigten Energie des Verkehrssektors (ohne Luftfahrt) stammen aus fossilen Erdölprodukten. Die Fahrleistung des Pkw-Verkehrs und noch stärker des Lkw-Schwerverkehrs ist auch 2017 weiter gestiegen. Und die Politik ist untätig: Klimaschutzmaßnahmen im Straßenverkehr? Bisher Fehlanzeige oder kontraproduktiver Populismus wie Tempo 140 auf der Autobahn.
Rückgrat der Mobilitätswende
Wenn man die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen als Ansatzpunkt für sozial und ökologisch verträgliche Maßnahmen wählt, ist eine Welt mit deutlich weniger CO2-Emissionen vorstellbar und durchaus sehr attraktiv. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Mobilität kein Selbstzweck ist. Vielmehr dient sie als Mittel zur Erfüllung dahinterliegender Grundbedürfnisse. Wer nicht mobil ist, kann am sozialen und öffentlichen Leben kaum teilnehmen. Neben der Frage der Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes geht es auch um soziale Kontakte, Nahversorgung, Bildung, Erholung und um Lebensqualität. Daraus ergibt sich, dass die Sicherstellung der Mobilität für alle Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge ist. Am besten dazu geeignet – aus ökologischer und sozialer Sicht – ist der öffentliche Verkehr. Er ist ein zentraler Schlüssel für eine Mobilitätswende.
Der öffentliche Verkehr ist ein zentraler Schlüssel für eine Mobilitätswende.
Die von Verkehrsverbünden, Ländern und dem Bund gemeinsam 2016 beschlossenen Mindestbedienstandards für die Versorgung mit öffentlichem Verkehr sind zwar ein positiver Schritt in Richtung eines flächendeckenden Angebots. Allerdings sind sie noch weit davon entfernt, das private Auto für die Bevölkerung und insbesondere die ArbeitnehmerInnen am Land entbehrlich zu machen.
Das Hauptangebot des öffentlichen Verkehrs am Land richtet sich nach den SchülerInnen. Daher gibt es in Österreich für rund 1,7 Millionen Menschen oder fast 21 Prozent der Bevölkerung an Werktagen ohne Schulbetrieb keine Mindestversorgung (vier Buspaare pro Tag) mit öffentlichem Verkehr. Aber auch an Schultagen gilt dies immerhin noch für 1,3 Millionen. Dazu kommen noch rund 14 Prozent der Bevölkerung, für die es gerade einmal diese Basiserschließung gibt – zu wenig Angebot, um auf dem täglichen Arbeitsweg auf den öffentlichen Verkehr setzen zu können.
Fehlende Alternativen
Für ArbeitnehmerInnen ist der tägliche Weg zur Arbeit der wichtigste Mobilitätsgrund. Während im österreichischen Schnitt zwei Drittel der Erwerbstätigen ihren Arbeitsweg mit einem Pkw (61 Prozent als LenkerIn) und nur ein Drittel klimafreundlich mit dem öffentlichen Verkehr (14 Prozent), zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewältigen, dominieren in ländlichen Regionen die AutopendlerInnen. Im Burgenland beträgt der Anteil der Pkw-PendlerInnen 73 Prozent, aber sogar in Wien fahren – trotz des ausgezeichneten öffentlichen Angebots – 34 Prozent täglich mit dem Auto in die Arbeit. Ein attraktives Angebot macht also einen gewaltigen Unterschied, aber offensichtlich gibt es auch andere Gründe für die Verkehrsmittelwahl.
Der öffentliche Verkehr ist wesentlich für einen Ausstieg aus der fossilen Mobilität.
Dieser Blick auf die Daten macht deutlich, dass der öffentliche Verkehr wesentlich für einen Ausstieg aus der fossilen Mobilität ist. Eine Offensive in diesem Bereich muss viele Elemente beinhalten: Ausbau der Infrastruktur, um Engpässe und „weiße Flecken“ zu beseitigen; den Bedürfnissen entsprechende Verbindungen mit einem integrierten Taktfahrplan und leistbaren Tarifen; bessere Erreichbarkeit regionaler Zentren und Arbeitsplätze auch an schulfreien Tagen und an Tagesrandzeiten; flexible Mobilitätsangebote in weniger dicht besiedelten Orten (Mikro-ÖV), integriert in die Verkehrsverbünde und mit fair bezahlten Beschäftigten; ausreichende und sichere Umsteigemöglichkeiten vom Fahrrad oder dem (elektrisch betriebenen) Pkw auf Bahn und Bus.
Deutlich mehr nötig
Derzeit werden in vielen Bundesländern gemeinsam mit dem Bund neue Verkehrsdiensteverträge – also langfristige (10 bis 15 Jahre) Bestellungen – im Eisenbahnnahverkehr verhandelt. Sie müssen bis Jahresende 2019 abgeschlossen sein, um ab 2020 das ÖV-Angebot auf der Schiene sicherzustellen. Zwar ist durchaus eine Ausweitung des Schienenangebots vorgesehen, allerdings reicht dies nicht für eine echte Mobilitätswende.
Zusätzliche Investitionen in den öffentlichen Verkehr sind daher ein Gebot der Stunde: von Infrastruktur über neue Verbindungen und dichtere Intervalle auf der Bahn und im Stadt/Umlandverkehr bis zu Mikro-Angeboten im ländlichen Raum. Die AK fordert im Rahmen einer Klimaschutzmilliarde, die jährlich bis 2030 für Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele zur Verfügung gestellt werden soll, den größten Teil, nämlich 550 Millionen jährlich, für den umfassenden Ausbau des öffentlichen Verkehrs.
Ein wichtiges Element für eine gesündere, klimaneutrale Mobilität ist das Zufußgehen und der Radverkehr.
Ein wichtiges Element für eine gesündere, klimaneutrale Mobilität ist das Zufußgehen und der Radverkehr. Wenn man bedenkt, dass die meisten Wege nicht nur in den großen Städten, sondern auch in ländlichen Regionen kurz sind – zwei Drittel aller Wege sind kürzer als zehn Kilometer, die Hälfte der Wege ist sogar kürzer als fünf Kilometer –, wird das Potenzial für das Fahrrad und gut gesicherte Fußwege deutlich. Vor allem in ländlichen Regionen muss daher deutlich mehr in die Radinfrastruktur (Radwege, Bike & Ride) investiert werden, die AK fordert zusätzlich 40 Millionen jährlich dafür.
Elektromobilität als Lösung?
Die bislang ausgereifteste CO2-arme Technologie ist der Elektroantrieb. Er ist emissionsfrei und effizienter, leiser und wartungsärmer als Verbrennungsmotoren, und der erforderliche Strom kann – zumindest prinzipiell – erneuerbar erzeugt werden. Der öffentliche Verkehr ist schon in hohem Maße elektrifiziert und bewährt. Die Klimabilanz von Eisenbahnen, U- und Straßenbahnen ist konkurrenzlos gut. Gesamt betrachtet emittieren sogar E-Autos um 6,5-mal mehr und Diesel- oder Benzin-Pkw um 15,2-mal mehr CO2 als der elektrifizierte öffentliche Verkehr.
E-Mobilität ist vor allem im Zusammenhang mit dem öffentlichen Verkehr eine sinnvolle Lösung.
E-Mobilität ist daher vor allem im Zusammenhang mit dem öffentlichen Verkehr eine sinnvolle Lösung. Die volle Elektrifizierung des Bahnnetzes, die Umstellung auf E-Busse sowie die dringend nötige Ergänzung des Öffi-Netzes im ländlichen Raum durch zusätzliche (E-Mobilitäts-)Angebote oder die Umstellung von Liefer- oder Taxiflotten auf elektrischen Antrieb können wesentlich zum Klimaschutz beitragen. Die aktuelle Förderung eines privaten Elektroautos summiert sich inklusive Steuerausfall auf 10.000 bis 15.000 Euro, bei betrieblichen gar auf 20.000 Euro. Eine Tonne eingespartes CO2 kostet circa 400 Euro an Subventionen. Da E-Autos derzeit noch relativ teuer sind, kommen diese Förderungen kaum ärmeren Haushalten zugute, sondern häufig als Zweit- oder Drittauto genutzten Pkws. Diese Art der Förderung ist daher weder kostengünstig noch sozial ausgewogen.
Der Einsatz von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben (elektrisch, Wasserstoff) ist grundsätzlich Teil einer Gesamtstrategie, um die Klimaziele im Verkehr erreichen zu können, aber er reicht keinesfalls aus. Nur ein gut abgestimmtes und sozial ausgewogenes Maßnahmenpaket mit einem klaren Schwerpunkt auf den öffentlichen Verkehr – das auch Maßnahmen beinhaltet, um den (fossil betriebenen) Pkw- und Lkw-Verkehr dort einzuschränken, wo es Alternativen im öffentlichen Verkehr gibt – wird den nötigen Beitrag leisten.
Sylvia Leodolter
Abteilung Umwelt und Verkehr der AK Wien
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 7/19.
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