Gedenken: Das Judentum (fast) hinter sich gelassen

Der Gewerkschafter und Sozialdemokrat Hugo Breitner konnte Österreich 1938 mit seiner Familie in Richtung USA verlassen.
Fotos (C) Christian Fischer

Inhalt

  1. Seite 1 - Jüdische GewerkschafterInnen vor 1938 in Österreich
  2. Seite 2 - Kleine Gruppen als Vertretung der jüdischen Arbeiterbewegung in Wien
  3. Seite 3 - Die jüdische Herkunft bleibt oftmals unerwähnt
  4. Seite 4 - Jüdisches Erbe?
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In den Anfängen der österreichischen Gewerkschaftsbewegung finden sich einige Kämpfer mit jüdischer Herkunft. Dieser Aspekt wurde in der bisherigen historischen Auseinandersetzung allerdings weitgehend ausgeblendet.
Auf den ersten Blick mag es verwundern. Doch wenn man es sich genauer überlegt, ist es gar nicht mehr so erstaunlich, dass das Thema jüdische GewerkschafterInnen vor 1938 in Österreich kaum aufgearbeitet ist. Wissenschaftliche Arbeiten dazu sind kaum vorhanden, wenn überhaupt finden sich Informationen dazu als Nebenaspekte in Abhandlungen über andere Themen. Das erstaunt, wähnt man doch 80 Jahre nach dem Beginn des Nationalsozialismus in Österreich diesen Teil der Geschichte hierzulande besonders gut aufgearbeitet.

Identitäten

In der Leopoldstadt erinnert der Julius-Bermann-Hof an den 1943 in Theresienstadt ermordeten Gewerkschafter, einem der Väter der heutigen GPA-djp.

Foto (C) Bildarchiv des ÖGB

Foto (C) Christian Fischer

Um es vorwegzunehmen: Es lassen sich durchaus einige Gewerkschafter mit jüdischer Herkunft vor der NS-Zeit finden. Darunter sind Männer wie Manfred Ackermann oder Julius Bermann, an die heute Wiener Gemeindebauten in der Brigittenau und in der Leopoldstadt erinnern. Ackermann (1898–1991), der sich im Zentralrat der kaufmännischen Angestellten Österreichs engagierte, 1938 fliehen musste und sich in den USA ein neues Leben aufbauen konnte; und Bermann (1868–1943), der 1892 den Verein kaufmännischer Angestellter, den Vorläufer der Gewerkschaft der Privatangestellten, mitbegründete und schließlich in Theresienstadt ermordet wurde. Die beiden blieben allerdings vorrangig als Sozialdemokraten und Gewerkschafter im Gedächtnis.

Selbstbestimmung und Fremdzuschreibung: Ohne sich mit dieser Fragestellung auseinanderzusetzen, ist keine Antwort auf die Ursachen für diese Lücke in der historischen Aufarbeitung möglich. Es ist ein Unterschied, ob man einer Religionsgemeinschaft angehört, oder ob man diesen Glauben auch tatsächlich praktiziert und sich diesem zugehörig fühlt. Laut jüdischem Religionsgesetz, der Halacha, ist Jude oder Jüdin, wer von einer jüdischen Mutter zur Welt gebracht wurde. Alternativ kann man konvertieren, was in diesem Zusammenhang aber keine bedeutende Rolle spielt.

Beschäftigt man sich nun mit der Zeit vor 1938, so geht dies nicht, ohne sich die Rassenpolitik der Nationalsozialisten zu vergegenwärtigen. Immerhin waren viele Juden und Jüdinnen assimiliert, weshalb die Zugehörigkeit zum jüdischen Glauben für sie keine oder keine wesentliche Rolle spielte. Sie wurden von den Nazis sozusagen erst wieder zu Juden und Jüdinnen gemacht oder besser gesagt: gebrandmarkt – mit der beispiellosen Verfolgung, Deportation und Ermordung als Folge. Mit welchem Recht markiert man also rückwirkend GewerkschafterInnen als jüdisch, die diese Bezeichnung für sich vielleicht sogar zurückgewiesen hätten?

Jüdische GewerkschafterInnen?

Anders gefragt: Wer ist aus heutiger Perspektive ein jüdischer Gewerkschafter, eine jüdische Gewerkschafterin? Nicht umsonst scheiden sich auch unter ExpertInnen die Geister. „Ich weiß nicht, ob man von jüdischen Gewerkschaftern sprechen kann, außerhalb eines jüdischen Kontexts, einer jüdischen Arbeiterbewegung“, betont der Politikwissenschafter und Soziologe John Bunzl im Gespräch mit der Arbeit&Wirtschaft.

Nach Lektüre seiner 1975 erschienenen Arbeit „Klassenkampf in der Diaspora. Zur Geschichte der jüdischen Arbeiterbewegung“ wird klar: Eine solche gab es vor allem in Osteuropa, zur Zeit der Monarchie in Österreich daher fast nur in Galizien. Die jüdische Arbeiterbewegung bezog ihre Identität weniger aus der Religionszugehörigkeit, sondern vielmehr aus der Sprache, dem Jiddischen, erklärt Bunzl. Anders als ZionistInnen wollte man sich im bisherigen Lebensumfeld behaupten. Das beschreibe der jiddische Begriff „Doigkeit“, was so viel bedeutet wie „hier sein, da sein“.

Eine zentrale Rolle kam dabei der 1897 gegründeten Bewegung „Bund“ zu. Im heutigen Österreich hat der Bund allerdings kaum nachhaltige Spuren hinterlassen. Bunzls These dazu hat mit Sprache zu tun: „Weil Jiddisch dem Deutschen so ähnlich ist, war der Übergang vom Jiddisch sprechenden in den Deutsch sprechenden Kontext viel leichter.“ Aufgrund der sprachlichen Nähe haben sich Juden und Jüdinnen hierzulande also nicht in eigenen Jiddisch sprechenden Gewerkschaften zusammengeschlossen, sondern in bestehende integriert.

Aber es gab auch in Wien kleine Gruppen, die sich als Vertretung der jüdischen Arbeiterbewegung verstanden. Ihnen spürte der Historiker und Judaist Thomas Soxberger in seinem 2013 erschienenen Buch „Revolution am Donaukanal“ nach. Demnach standen sich in Wien zwei Gruppen gegenüber: Jene, die dem Bund nahestanden und jene, die für die Auswanderung nach Palästina eintraten (die Poale-Zion-Ideologie). Gemeinsam war den beiden Bewegungen, dass sie für jüdische Autonomie und die Anerkennung der jiddischen Sprache eintraten. In beiden Fraktionen gab es Kräfte, welche die Annäherung oder das Aufgehen in der kommunistischen Partei anstrebten. Ansonsten konkurrierte man ideologisch.

Linker Rand

Für Poale Zion war etwa auch der Schriftsetzer Leo Rothziegel (1892–1919) aktiv. Er erhielt beim Druckerstreik 1913 die erste von vielen Gefängnisstrafen, wie Peter Haumer in seinem 2017 erschienenen Band mit dem Titel „Bitte schicken Sie uns einige Maschinengewehre und Zigaretten“ festhält. 1918 stieß der Revolutionär zur radikal linken Wehrgruppe „Rote Garde“, die von Egon Erwin Kisch und Bernhard Förster gegründet worden war und nach russischem Vorbild eine Rätediktatur anstrebte.

Die jüdische Arbeiterbewegung in der Leopoldstadt und in der Brigittenau beschränkte sich auf kleine Zirkel, die ideologisch eher am linken Rand der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei angesiedelt waren. 

Thomas Soxberger, Judaist

Grundsätzlich hält Soxberger aber fest: „Die jüdische Arbeiterbewegung in der Leopoldstadt und in der Brigittenau beschränkte sich auf kleine Zirkel, die ideologisch eher am linken Rand der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei angesiedelt waren.“

In der Sozialdemokratie selbst finden sich einige jüdische VertreterInnen und ebenso in den freien Gewerkschaften. Sie lebten meist aber kein religiöses Leben, waren assimiliert und einige von ihnen verstanden sich auch nicht mehr als Juden und Jüdinnen. Für Bunzl stellt sich daher die Frage, „warum man auf die jüdische Identität hinweist. War es ihre eigene Identität?“

Denn an jenen, die mit der Fremdzuschreibung arbeiten, mangelt es nicht: Neben den Antisemiten, die dies aus niederen Motiven tun, gibt es auch jüdische PatriotInnen oder Nationalis­tInnen, „die unbedingt überall herausfinden wollen, ob er oder sie Jude oder Jüdin war, um ihn oder sie für das Judentum zu vereinnahmen“, so Bunzl. Er ergänzt: „Ich glaube, beides ist nicht ganz koscher.“ Man müsse also klarstellen: Er oder sie war von der Herkunft her jüdisch, nicht aber vom Selbstverständnis. Die Historikerin Brigitte Pellar kommt zu einem anderen Schluss. Zwar betont auch sie, dass sich die meisten GewerkschafterInnen jüdischen Glau­bens nicht als solche wahrnahmen, es von daher problematisch ist, sie nun rückwirkend als jüdisch zu definieren. Zugleich betont sie aber: „In der historischen und politischen Einschätzung können wir auf jeden Fall nicht mehr hinter den Holocaust zurück.“ Dem ist viel abzugewinnen, sieht man sich die Biografien von Gewerkschaftern wie Bermann oder Ackermann an.

Der Nationalsozialismus brachte einen Bruch in den jeweiligen Biografien. Bloß eins muss auch festgehalten werden: Ihre Verfolgung war nicht, wie dies in historischen Abrissen der Gewerkschaftsbewegung, aber auch auf entsprechenden Gedenktafeln bis heute insinuiert wird, nur auf ihr politisches Engagement als Sozialdemokraten oder Gewerkschafter zurückzuführen. Diese Männer wurden auch rassisch verfolgt. Pellar verweist zudem auf den Umstand, dass auch Gewerkschafter wie Hugo Breitner (1873–1946), der sich weder zum religiösen noch zum zionistischen Judentum bekannte, antisemitischen Angriffen ausgesetzt waren. Die jüdische Herkunft spielte also im Umfeld sehr wohl eine Rolle.

Die Historikerin Anna Staudacher publizierte 1988 unter dem Titel „Sozialrevolutionäre und Anarchisten“ zu frühen ArbeiterInnenorganisationen in der Monarchie. Darin hielt sie fest: „Jüdische Arbeiter hatten in dieser Zeit noch keine eigenen Organisationen, sie traten den lokalen Arbeitervereinen und Gewerkschaften bei. Manche verließen ihre Religionsgemeinschaft, legten ihre jüdische Identität ab, andere behielten sie. Der Anteil jüdischer Arbeiter am Aufbau der frühen österreichischen Arbeiterbewegung wurde bis jetzt – wohl aus politischen Gründen, in der Befürchtung, man könne dadurch der Sache schaden – kaum untersucht.“

Foto (C) Christian Fischer
Der Manfred-Ackermann-Hof in Wien-Brigittenau. Dem Gewerkschafter und Sozialdemokraten gelang in der NS-Zeit die Flucht in die USA – in den 1960er-Jahren kehrte er jedoch wieder nach Österreich zurück.

Erkleckliche Anzahl

Im Jahr 2017 riss Historikerin Brigitte Pellar das Thema in einem Beitrag mit dem Titel „Organisatoren, Kommunikatoren, Kämpfer – Juden als Funktionsträger der Freien Gewerkschaften“ grob an. Der Beitrag war Teil einer Festschrift des DÖW. Pellar spürte dafür bereits eine erkleckliche Anzahl von Gewerkschaftern jüdischer Herkunft auf – Frau befindet sich keine darunter, was nicht bedeutet, dass es keine gab. Hier bedarf es ebenso wie zu dem gesamten Thema noch eingehender wissenschaftlicher Recherchen.

Bereits Pellars Beitrag konterkariert allerdings die Darstellung, wonach Juden und Jüdinnen in der Arbeiter- beziehungsweise Gewerkschaftsbewegung keine Rolle gespielt hätten. So heißt es etwa in der Victor-Adler-Biographie von Max Ermers aus dem Jahr 1932: „Die österreichische Arbeiterbewegung war sonderbarer Weise bis zur Zeit Victor Adlers fast ganz judenfrei.“ Diese These war auch noch in den Jahrzehnten nach 1945 lange verbreitet. Noch im Jahr 1982 habe sie der Publizist Leopold Spira in seiner Arbeit „Feindbild ‚Jud‘“ übernommen, in der er „100 Jahre politischen Antisemitismus in Österreich“ thematisierte. Neben der Frage nach Selbst- und Fremdzuschreibung spielt noch ein weiteres Missverständnis, um nicht zu sagen Vorurteil, eine Rolle. Denn im Rückblick werden Juden und Jüdinnen meist als Selbstständige und nicht in erster Linie als ArbeiterInnen gesehen. Auch dieses Bild bedarf einer Korrektur.

Vorurteile

Historikerin Pellar etwa verweist auf einen Vergleich der Berufsstrukturen der jüdischen und nichtjüdischen Erwerbstätigen Wiens im Jahr 1910. Tatsächlich sei der Anteil der Selbstständigen in der jüdischen Bevölkerung höher gewesen. „Aber immerhin sind doch fast 62 Prozent Unselbstständige unter den Erwerbstätigen in Industrie und Handwerk ausgewiesen“. Und in der Leopoldstadt, dem Bezirk mit dem höchsten Anteil an jüdischer Bevölkerung, seien um 1900 ein Fünftel bis ein Viertel der Menschen ArbeiterInnen gewesen.

Und daher gab es sie auch, die jüdischen ArbeiterInnenvertreter. Die Suche nach ihnen gestaltet sich allerdings wie eine Schnitzeljagd. Die jüdische Herkunft bleibt oftmals unerwähnt, erst bei Konsultation verschiedener Quellen kommt man ihr auf die Spur. Julius Weiss (1880–1939) beispielsweise war ab 1918 Obmann der Gewerkschaft der Chemiearbeiter. Nach 1934 betätigte er sich illegal in der Gewerkschaftsbewegung. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurde er nach Buchenwald deportiert, wo er ermordet wurde. In der Metallergewerkschaft finden sich gleich zwei bedeutende Männer, die jüdischer Herkunft waren. Einer von ihnen war Paul Johannes Schlesinger (1874–1945).

Foto (C) Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung
Manfred Ackermann leitete ab 1923 die Jugendsektion des Zentralvereins der kaufmännischen Angestellten Österreichs (heute GPA-djp). Er baute sie zu einer der stärksten und schlagkräftigsten Jugendgruppen auf.

Gedenktafel ohne Glauben

Auch er wurde schließlich von den Nazis ermordet. Nach Wanderjahren als Geselle in mehreren europäischen Ländern kam der Feinmetaller im Jahr 1905 nach Wien zurück und wurde hier zum Sekretär des Österreichischen Metallarbeiterverbandes gewählt. Später wurde er Bezirksvertrauensobmann für die Metall­arbeiter der Bezirke Mödling, Baden und Wiener Neustadt. In Wiener Neustadt ist ihm denn auch der Paul-Johannes-Schlesinger-Hof gewidmet, in dem er jahrelang wohnte. Das Erstaunliche: Auf einer Gedenktafel am Gemeindebau bleibt seine jüdische Herkunft unerwähnt. Auch auf der Parlamentshomepage – er war Nationalratsabgeordneter – fehlt diese Information bis heute. In Wiener Neustadt wurde dem von den Nazis Ermordeten allerdings ein Stolperstein gewidmet. Auf der historischen Seite zur jüdischen Gemeinde Wiener Neustadt wird als Begründung für dieses Denkmal „jüdischer Bürger“ angegeben.

Einer der Gründer der Metallarbeitergewerkschaft war der Schlosser Heinrich Beer, dem es am Ende nichts nutzen sollte, dem Judentum den Rücken gekehrt zu haben. Er wurde in Theresienstadt ermordet. Er war zuvor Präsident der Metallarbeitergewerkschaft gewesen und – wie Schlesinger – sozialdemokratischer Politiker: Er gehörte dem Reichsrat als Abgeordneter an.

Gründer

Gewerkschafter mit jüdischem Hintergrund

Foto (C) Bildarchiv des ÖGBKarl PickFoto (C) Bildarchiv des ÖGBHeinrich BeerFoto (C) Bildarchiv des ÖGBPaul Johannes Schlesinger

Aber natürlich gab es auch die anderen, die intellektuellen und Angestellten­gewerkschafter wie den Buchhalter Karl Pick (1867–1938), auch er Sozialdemokrat. Er war an der Gründungsversammlung des Vereins kaufmännischer Angestellter beteiligt.

Er kämpfte in der Folge für den Zusammenschluss der verschiedenen Gewerkschaftsvereine, was 1904 zur Gründung des Zentralvereins der kaufmännischen Angestellten Österreichs führte, dessen Obmann er bis zum Verbot 1934 blieb. 1938, bereits nach dem „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland, stürzte er und brach sich eine Hüfte. Er wurde im Kaufmännischen Spital, das er Jahre zuvor mitbegründet hatte, aufgenommen, durfte jedoch, da er Jude war, nur am Gang liegen. Pick starb nach zwei Wochen in dem Hospital.

Richard Robert Wagner (1888–1941), der Staatswissenschaften und Literatur studiert hatte, war Redakteur des „Aufstieg“, der Zeitschrift der Gewerkschaft der Bekleidungsarbeiter. Außerdem unterrichtete er an der Wiener Gewerkschaftsschule, wie die Theodor Kramer Gesellschaft in einem Eintrag festhält. Viktor Stein (1876–1940) war Redakteur der Wochenzeitung „Der Metallarbeiter“, er war sowohl bei der Metallarbeitergewerkschaft als auch der Arbeiterkammer angestellt und saß laut Parlamentshomepage viele Jahre für die Sozialdemokraten im Nationalrat. Und dann war da noch Heinrich Allina (1878–1953), der mit Hugo Breitner an der gewerkschaftlichen Organisierung der Bank- und SparkassenbeamtInnen beteiligt war, wie das Wien Geschichte Wiki dokumentiert. Allina konnte in der NS-Zeit nach London emigrieren und kehrte später nach Österreich zurück, wo er auch erneut in den Nationalrat gewählt wurde.

Alfred Magaziner würdigte 1985 in seinem Band „Die Bahnbrecher“ VertreterInnen der ArbeiteInnenbewegung in kurzen Porträts. Der letzte Eintrag, „Die Entstehung einer Gewerkschaft“, ist Julius Bermann gewidmet. Geschildert wird sein Kampf um kürzere Sonntagsarbeit für die Handelsangestellten, aber auch sein Bemühen um einen gemeinsamen gewerkschaftlichen Kampf von ArbeiterInnen und Angestellten.

Wie bei den meisten anderen hier Vorgestellten findet sich der Hinweis auf Bermanns Judentum in Magaziners Buch lediglich rund um seinen Tod. „Nach dem Untergang der Ersten Republik hat Julius Bermann zurückgezogen im 2. Wiener Bezirk gelebt. Im Jahre 1949 kam er in das jüdische Altersheim in der Seegasse im 9. Wiener Bezirk. Von dort wurde er am 24.9.1940 mit einem Massentransport in das Konzentrationslager Theresienstadt überführt. Dort ist er 1945 umgekommen.“

Jüdisches Erbe?

Wie empfanden er und Ackermann, Allina und Wagner, Schlesinger und Beer die jüdische Herkunft? War sie Last, war sie Selbstverständlichkeit? Wie floss das jüdische Erbe in das Wirken als Kämpfer für ArbeitnehmerInnenrechte ein? Wie waren ihre Erfahrungen mit Antisemitismus, wie wurden sie von ihrer Umwelt wahrgenommen: als Sozialdemokraten, als Gewerkschafter, auch als Juden, oder wurde dieser Aspekt ausgeblendet? Eine wissenschaftliche Arbeit dazu wäre wünschenswert.

Assimilierung

Otto Bauer, der große Vordenker der Sozialdemokratie, der selbst bis zu seinem Tod dem Judentum verbunden blieb, plädierte lange für die Assimilation. In seiner Arbeit „Die Nationalitätenfrage und die Sozialdemokratie“ schrieb er zur Frage einer nationalen Autonomie von Juden und Jüdinnen: „So vermag die heutige Wissenschaft nicht zu entscheiden, ob das Aufgehen der Juden nicht nur in der Kulturgemeinschaft, sondern auch in der Naturgemeinschaft der anderen Nationen für die folgenden Geschlechter vorteilhaft sein wird oder nicht.“

Ähnliches hat höchstwahrscheinlich für das Gros der anderen sozialdemokratischen PolitikerInnen und auch GewerkschafterInnen jüdischer Herkunft gegolten. Bauer starb 1938. Das Wissen um die Schoa hat alles verändert.

Weitere Informationen:
tinyurl.com/ycepno5k
www.dasrotewien.at

Von
Alexia Weiss

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 9/18.

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  1. Seite 1 - Jüdische GewerkschafterInnen vor 1938 in Österreich
  2. Seite 2 - Kleine Gruppen als Vertretung der jüdischen Arbeiterbewegung in Wien
  3. Seite 3 - Die jüdische Herkunft bleibt oftmals unerwähnt
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Über den/die Autor:in

Alexia Weiss

Alexia Weiss, geboren 1971 in Wien, Journalistin und Autorin. Germanistikstudium und Journalismusausbildung an der Universität Wien. Seit 1993 journalistisch tätig, u.a. als Redakteurin der Austria Presse Agentur. Ab 2007 freie Journalistin. Aktuell schreibt sie für das jüdische Magazin WINA sowie für gewerkschaftliche Medien wie die KOMPETENZ der GPA-djp oder die Gesunde Arbeit. 2022 erschien ihr bisher letztes Buch "Zerschlagt das Schulsystem ... und baut es neu!" (Verlag Kremayr & Scheriau).

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