Gründer
Gewerkschafter mit jüdischem Hintergrund
Karl PickHeinrich BeerPaul Johannes Schlesinger
Aber natürlich gab es auch die anderen, die intellektuellen und Angestelltengewerkschafter wie den Buchhalter Karl Pick (1867–1938), auch er Sozialdemokrat. Er war an der Gründungsversammlung des Vereins kaufmännischer Angestellter beteiligt.
Er kämpfte in der Folge für den Zusammenschluss der verschiedenen Gewerkschaftsvereine, was 1904 zur Gründung des Zentralvereins der kaufmännischen Angestellten Österreichs führte, dessen Obmann er bis zum Verbot 1934 blieb. 1938, bereits nach dem „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland, stürzte er und brach sich eine Hüfte. Er wurde im Kaufmännischen Spital, das er Jahre zuvor mitbegründet hatte, aufgenommen, durfte jedoch, da er Jude war, nur am Gang liegen. Pick starb nach zwei Wochen in dem Hospital.
Richard Robert Wagner (1888–1941), der Staatswissenschaften und Literatur studiert hatte, war Redakteur des „Aufstieg“, der Zeitschrift der Gewerkschaft der Bekleidungsarbeiter. Außerdem unterrichtete er an der Wiener Gewerkschaftsschule, wie die Theodor Kramer Gesellschaft in einem Eintrag festhält. Viktor Stein (1876–1940) war Redakteur der Wochenzeitung „Der Metallarbeiter“, er war sowohl bei der Metallarbeitergewerkschaft als auch der Arbeiterkammer angestellt und saß laut Parlamentshomepage viele Jahre für die Sozialdemokraten im Nationalrat. Und dann war da noch Heinrich Allina (1878–1953), der mit Hugo Breitner an der gewerkschaftlichen Organisierung der Bank- und SparkassenbeamtInnen beteiligt war, wie das Wien Geschichte Wiki dokumentiert. Allina konnte in der NS-Zeit nach London emigrieren und kehrte später nach Österreich zurück, wo er auch erneut in den Nationalrat gewählt wurde.
Alfred Magaziner würdigte 1985 in seinem Band „Die Bahnbrecher“ VertreterInnen der ArbeiteInnenbewegung in kurzen Porträts. Der letzte Eintrag, „Die Entstehung einer Gewerkschaft“, ist Julius Bermann gewidmet. Geschildert wird sein Kampf um kürzere Sonntagsarbeit für die Handelsangestellten, aber auch sein Bemühen um einen gemeinsamen gewerkschaftlichen Kampf von ArbeiterInnen und Angestellten.
Wie bei den meisten anderen hier Vorgestellten findet sich der Hinweis auf Bermanns Judentum in Magaziners Buch lediglich rund um seinen Tod. „Nach dem Untergang der Ersten Republik hat Julius Bermann zurückgezogen im 2. Wiener Bezirk gelebt. Im Jahre 1949 kam er in das jüdische Altersheim in der Seegasse im 9. Wiener Bezirk. Von dort wurde er am 24.9.1940 mit einem Massentransport in das Konzentrationslager Theresienstadt überführt. Dort ist er 1945 umgekommen.“
Jüdisches Erbe?
Wie empfanden er und Ackermann, Allina und Wagner, Schlesinger und Beer die jüdische Herkunft? War sie Last, war sie Selbstverständlichkeit? Wie floss das jüdische Erbe in das Wirken als Kämpfer für ArbeitnehmerInnenrechte ein? Wie waren ihre Erfahrungen mit Antisemitismus, wie wurden sie von ihrer Umwelt wahrgenommen: als Sozialdemokraten, als Gewerkschafter, auch als Juden, oder wurde dieser Aspekt ausgeblendet? Eine wissenschaftliche Arbeit dazu wäre wünschenswert.
Assimilierung
Otto Bauer, der große Vordenker der Sozialdemokratie, der selbst bis zu seinem Tod dem Judentum verbunden blieb, plädierte lange für die Assimilation. In seiner Arbeit „Die Nationalitätenfrage und die Sozialdemokratie“ schrieb er zur Frage einer nationalen Autonomie von Juden und Jüdinnen: „So vermag die heutige Wissenschaft nicht zu entscheiden, ob das Aufgehen der Juden nicht nur in der Kulturgemeinschaft, sondern auch in der Naturgemeinschaft der anderen Nationen für die folgenden Geschlechter vorteilhaft sein wird oder nicht.“
Ähnliches hat höchstwahrscheinlich für das Gros der anderen sozialdemokratischen PolitikerInnen und auch GewerkschafterInnen jüdischer Herkunft gegolten. Bauer starb 1938. Das Wissen um die Schoa hat alles verändert.
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Von
Alexia Weiss
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 9/18.
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