Hitzesommer haben den Klimawandel von einem theoretischen Diskurs zu einer realen Bedrohung gemacht. Im Sommer 2018 starben allein in Berlin 490 Menschen aufgrund von Hitzeeinwirkung. Gleichzeitig häufen sich die Meldungen von immer neuen traurigen Rekorden: In Brasilien werden Flächen in der Größe dreier Fußballfelder pro Minute abgeholzt, die weltweite Population von großen Süßwassertieren ist seit 1970 um 88 Prozent zurückgegangen. Unser Müllproblem nimmt absurde Ausmaße an: Die Anzahl an Einwegflaschen, die allein Coca-Cola jährlich produziert (88 Milliarden), würde aneinandergereiht 31-mal zum Mond und wieder zurück reichen. Schätzungen zufolge sind bisher 86 Millionen Tonnen Plastik im Meer gelandet. Und immer wieder stehen Wälder monatelang in Flammen. Die meisten aktuellen Forschungsergebnisse überholen bisherige Prognosen in ihrem Ausmaß und zeigen dadurch die Dringlichkeit, gegenzusteuern. 280 Millionen Klimaflüchtlinge werden erwartet. Klimaschutz ist nicht mehr nur Thema für Umweltaktivist*innen. Die Zukunft aller Gesellschaften und aller Wirtschaftssysteme des Planeten hängt davon ab.
Die „Fridays for Future“-Bewegung hat nicht nur im deutschsprachigen Raum dieses Wissen mit neuer Wucht in die Headlines der Nachrichten und auf die Agenden politischer Diskurse katapultiert. Und auch auf der politischen Bühne nimmt das Thema Klimawandel stellenweise quasireligiöse Züge an. Überhaupt krempelt der Klimawandel die Regierungs- und Parteienpolitik um und erhält allgemeine Zustimmung – auch in der Bevölkerung. Umwelt wird zum Mainstream-Thema.
Umweltbewusstsein ist längst kein Luxusthema des Westens mehr. Der indische Bundesstaat Sikkim beispielsweise setzt zu 100 Prozent auf ökologischen Landbau. Besucher*innen von Palau im Südpazifik müssen einen Vertrag unterzeichnen, wonach sie sich gemäß den strengen Nachhaltigkeitskriterien des Inselstaats zu verhalten haben. In der bolivianischen Verfassung ist nachhaltiger Umgang mit Ressourcen in der Landwirtschaft, dem Tourismus und anderen Bereichen als Priorität festgelegt. Ebenso stellt Costa Rica immer wieder in unterschiedlichen Nachhaltigkeits-Rankings seine Avantgardestellung unter Beweis: Das Land deckt heute schon seinen Energiebedarf fast zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien, 2021 soll die Wirtschaft CO2-neutral sein. Ähnlich sind auch Maßnahmen in Ruanda oder Kenia zu bewerten, wo inzwischen die Verwendung von Plastiktüten unter Strafe steht, oder der „Green Building Masterplan“ von Singapur. Er sieht vor, dass neue Wolkenkratzer jenes Grün in den Bau integrieren müssen, welches beim Bau verloren geht.
Getragen von einem anwachsenden Umwelt- und Verantwortungsbewusstsein der Menschen entwickelte sich auf den Säulen von Ökonomie, Ökologie und Ethik über die Jahre eine neue Handlungsmoral, die mittlerweile unseren kompletten Alltag beeinflusst.
- Neue Werte: Generation global
Ökologische Werte schaffen eine neue globale Identität. Rund um den Globus bildet sich ein neues Mindset heraus, das nicht nur zur Grundlage der größten Jugendbewegung wird, die es je gab, sondern auch einer neuen globalen Identität. Begründet sind die Werte dieser jungen Generation durch die historisch völlig neuartigen Zustände der Netzwerkgesellschaft und die Entwicklung einer globalen Mittelschicht. Es entsteht ein neues, weltweit geteiltes Werte-Set, das zum zentralen Treiber des Wandels der Wirtschaft wird. - Neue Märkte: Post-Individualisierung
Die neue Wir-Kultur läutet eine Abkehr vom Konsumismus ein. Menschen fühlen sich immer stärker global zugehörig und verantwortlich. Gängige Konsummuster werden immer kritischer hinterfragt – denn Konsum ist das Gegenteil von Zugehörigkeit. Und Gemeinschaft ist den Menschen wichtiger als je zuvor. Diese Post-Individualisierung formt die Gesellschaft von der Basis her um – und verändert die Logiken von Marken, Marketing und Märkten. Ökologie wandelt sich dabei von der individuellen Aufgabe zum gesellschaftlichen Auftrag. - Neue Umwelten: Next Nature
Natur wird zum Synonym eines gesunden Lebens. Die Gesundheit des Menschen wird zum Maßstab seines ökologischen und ökonomischen Handelns. Umwelt wird zum zentralen Faktor für sein physisches, psychisches und soziales Wohlergehen. Dabei wird das Verhältnis von Mensch, Natur und Technologie neu ausgehandelt. - Neues Wirtschaften: Post-Wachstum
Progressives Post-Wachstum wird das Paradigma der nächsten Gesellschaft. Die Lösung der Klimakrise ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie kann nur gelingen, wenn sich sämtliche Gesellschaftsbereiche neu ausrichten – auf ein progressives Post-Wachstums-Paradigma. Die Politik steht vor der Aufgabe, diesen Wandel durch entsprechende Regulierungen und Anreize voranzutreiben. Je eher Unternehmen die Potenziale dieser Transformation für sich ausloten, umso mehr werden sie künftig davon profitieren. Der Wohlstand von morgen beruht auf neuen Werten – und auf einem neuen Begriff von Wachstum.
Neo-Ökologie wird das kommende Jahrzehnt stärker formen als jeder andere Megatrend. Ein neuer Zeitgeist, der sich über viele Jahre seinen Weg aus einer Nische in den Mainstream gebahnt hat, ist jetzt im kollektiven Bewusstsein verankert. Er bringt neue Marktlogiken und neue Kundenbedürfnisse hervor, disruptiert Geschäftsmodelle und stellt das System Wirtschaft auf den Kopf.