Fußball-WM in Katar: umstrittenes Milliarden-Event
In wenigen Monaten findet in Katar die umstrittenste Fußball-WM aller Zeiten statt. Im Jahr 2010 konnte sich das kleine Land sehr überraschend gegen den Mitkandidaten USA durchsetzen und erhielt den Zuschlag für das milliardenschwere Großevent. „Uns war schon 2010 bei der Vergabe der Fußball-WM klar, dass in der Golf-Region die schlimmsten Arbeitsbedingungen herrschen“, sagt Tim Noonan, Direktor vom Internationalen Gewerkschaftsbund (ITUC).
Der ITUC war schon sehr früh vor Ort, um Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen aufzuzeigen. So wollte der Gewerkschaftsbund Druck auf das Land, die FIFA und die zuständigen Unternehmen ausüben. Das war dringend notwendig. Denn „die FIFA tat am Anfang auf den Baustellen nichts gegen die Menschenrechtsverstöße. Nachdem wir den Druck erhöht haben, gab es 2017 einige Verbesserungen beim Arbeitsrecht. Die Sorgfaltspflicht durch die Arbeitgeber wurde danach beispielsweise verbessert“, sagt Noonan.
Beim Kafala-System, in dem die Arbeiter:innen de facto Leibeigene der Arbeitgeber:innen sind, gab es Reformen, die dieses menschenverachtende System nun verbieten. „Jetzt ist die Herausforderung, sicherzustellen, dass alle migrantischen Arbeiter:innen in Katar von diesen Reformen profitieren“, meint Noonan.
Russland möchte Fußball-EM 2028 ausrichten
Dass der Sport und das Politische nicht voneinander zu trennen sind, sieht auch Barbara Helige so. Sie ist die Präsidentin der Österreichischen Liga für Menschenrechte. „Menschenrechte und Sport haben miteinander zu tun. Der Sport hat eine positive Strahlkraft. Fußball ist weltumspannend, er wird überall verstanden, und die Spieler:innen sind für viele Held:innen. Staaten, deren Image nicht das beste ist, wollen genau das ausnützen.“ So habe beispielsweise Russland kürzlich bekannt gegeben, dass Interesse daran bestehe, die Fußball-EM 2028 auszurichten. Das gab das Land nicht etwa vor dem Einmarsch in die Ukraine bekannt, sondern zu einem Zeitpunkt, als der Angriffskrieg längst lief.
Derzeit fokussiert sich der Kampf um Menschenrechte jedoch noch auf Katar. Nach außen gab Katar vor, die Rechte der Frauen gestärkt zu haben. Helige sieht das jedoch anders: „Frauenrechte und Minderheitenrechte sind in Katar eigentlich ein Hohn.“ Für einen Boykott der Fußball-WM ist es mittlerweile zu spät. Allerdings muss man zukünftig umdenken, wohin man Sportgroßereignisse vergibt.
Missständen bei der Fußball-WM 2026 vorbeugen
Dennoch kann und muss weiterhin auf die Missstände in Katar aufmerksam gemacht werden. „Im September findet in Österreich der Cup der Menschenrechte satt. Veranstaltet von den Communitys, die in Katar ausgebeutet werden. Also Menschen aus Indien, Pakistan, Nepal, Afghanistan, Ägypten und anderen Ländern. Von Menschen, die hier leben und diesen Communitys angehören“, sagt Wachter.
„Die Politik muss einerseits wachsam sein, andererseits sind Demokratisierung und Transparenz in den Verbänden nötig“, meint Helige in Bezug auf die Vergabe von sportlichen Großveranstaltungen. Im Jahr 2026 wird die Fußball-WM in Nord- und Mittelamerika ausgetragen. „Wir arbeiten jetzt schon an den Arbeitsrechten der Arbeiter:innen auf den Baustellen für die WM 2026, die in den USA, Mexiko und Kanada stattfindet“, sagt Noonan vom internationalen Gewerkschaftsbund.
Auf Missstände bei Fußball-WM in Katar aufmerksam machen
Doch auch Österreich müsse seine Hausaufgaben erledigen. Denn ein globales Sportevent geht nicht nur die jeweiligen Austragungsländer an. „Wenn ich an die Verletzungen der Rechte der Arbeiter:innen in Katar denke, dann muss ich auch daran erinnern, dass es in Österreich größte Probleme mit dem Umsetzen eines Lieferkettengesetzes gibt. Transnationale Unternehmen müssen ihre Verantwortung wahrnehmen. Und die FIFA sehe ich als solches“, sagt Helige.
Während alle bei der #EURO2020 jubeln, bauen ausgebeutete Gastarbeiter*innen die Infrastruktur für die #WM2022 in #Katar. Warum sich #Gewerkschaften & NGOs trotzdem gegen den Boykott entschieden haben, hat @stefanmayer20 recherchiert: https://t.co/17YSRmx01m #EM2021 #UEFA
— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@AundWMagazin) June 24, 2021
Es brauche Sensibilisierung und Aufklärung, dann könne man etwas bewegen, ist sie überzeugt. Unternehmen und Autokraten dürften den Fußball nicht für sich beanspruchen. Die Fanbasis müsse sich den Sport zurückholen. „Wir wollen uns das Spiel wieder aneignen. Das ist unser Ziel von Fair Play“, so Wachter. Mit Blick auf die Fußball-WM in Katar im November und Dezember stellt er die rhetorische Frage: „Wie soll man auf einem Friedhof ein Fußballfest feiern?“