Die Liste chinesischer Übernahmen in Österreich ist zwar nicht lang, aber ziemlich vielfältig.
Die Liste chinesischer Übernahmen in Österreich ist zwar nicht lang, aber ziemlich vielfältig, sie reicht von A wie Atomic (das im Übrigen davor schon in finnischer Hand war) über Palfinger und Wolford bis Z wie Zenith Formen Produktions GmbH. Einerseits bezeichnen manche Fachleute das chinesische Engagement in Österreich als eher bescheiden, andererseits gibt es Berichte, dass „chinesische Interessenten immer wieder bei österreichischen Unternehmen anklopfen und kaufen wollen“ – so formulierte etwa Brigitte Ederer kürzlich ihre Sorge vor einem Ausverkauf heimischer Firmen.
Vor zwei Jahren untersuchte die deutsche Hans-Böckler-Stiftung in ihrer Studie „ChinaInvest 2016“ nicht nur, ob und wie chinesische Übernahmen die Unternehmenskultur verändern. Sie beschäftigte sich auch damit, wie intensiv, mit welchen Zielen und in welchen Branchen chinesische Direktinvestitionen in Deutschland getätigt wurden. Außerdem wurden die Investitions- und Businessstrategien der chinesischen Anteilseigner analysiert. Im Jahr 2017 startete FORBA im Auftrag der Arbeiterkammer eine ähnliche Studie für Österreich.
Die Ausgangssituation
China ist der zehntwichtigste Warenexport- und der drittwichtigste Warenimportmarkt für Österreich. Vor allem seit Beginn der 1990er-Jahre sind die Importe wesentlich stärker gestiegen als die Exporte. Die Voraussetzungen für Firmenbeteiligungen sind in den beiden Ländern sehr unterschiedlich. Hundertprozentige Übernahmen durch ausländische Unternehmen sind hierzulande durchaus möglich, während es in China strikte Beschränkungen für ausländische Investitionen gibt. Anfang Juli hat China eine Lockerung angekündigt.
- für die Marktbearbeitung als Hochtechnologieland
- für den Aufbau eines europäischen Korridors
Für die österreichische Vergleichsstudie eruierte FORBA im Jahr 2017 insgesamt 21 Unternehmen mit chinesischen Anteilseignern. Reine Zweigstellen chinesischer Firmen und „Greenfield Investments“, also von ChinesInnen neu errichtete Produktionsstätten, wurden dabei nicht berücksichtigt. Befragt wurden sieben BetriebsrätInnen und zwei VertreterInnen der Geschäftsleitung in neun Unternehmen mit 20 bis mehreren tausend Beschäftigten. Außerdem wurden Interviews mit zehn nicht betrieblichen ExpertInnen geführt.
Ähnliche Ergebnisse
Für fünf dieser Betriebe bedeutete die chinesische Beteiligung die Rettung vor der Insolvenz. Andere haben gezielt nach Partnern gesucht, um neue Absatzmärkte zu erschließen. Erforderliche Sanierungs- und Schrumpfungsprozesse hatten in der Regel schon vorher stattgefunden, es gab daher keine Personalkürzungen.
Die Funktion der österreichischen Standorte im Firmengeflecht ist unterschiedlich: Know-how-Lieferant, Ausbildungsstätte, Türöffner für westliche Absatzmärkte, Ersatzteillieferant etc. Mitunter wurde das Geschäftsmodell bzw. die Produktion erheblich verändert, um optimal in den Konzern zu passen.
Im Wesentlichen sind die Studienergebnisse in Deutschland und Österreich sehr ähnlich:
- Die lokale Geschäftsführung wurde vom neuen Eigentümer nur in einigen Fällen (teilweise) ausgetauscht.
- Der operative Geschäftsbetrieb des Standorts blieb in der Regel beim lokalen Management.
- Die lokale Geschäftsführung hat freie Hand, mit einem Reporting-System nach China.
- In einigen Fällen wurde ein chinesischer Co-Vorstand eingesetzt, der die Kontaktpflege zum neuen Eigentümer betreibt.
- Die Abstimmung und Kommunikation mit den chinesischen Eigentümern ist oft mühsam (selektiver Informationsfluss!).
- Es gibt kaum chinesische Beschäftigte unterhalb der Geschäftsführung.
- Die Mitbestimmungskultur wird beibehalten – auch wenn die Geschäftsführung ausgetauscht wurde.
- Die Belegschaftsvertretung ist vom Zugang zur strategisch bedeutenderen Instanz, dem neuen Eigentümer, de facto oft abgeschnitten.
Herantasten der Kulturen
Wirklich vertraut sind die chinesischen Eigentümer weder mit überbetrieblichen Arbeitsbeziehungen noch mit der betrieblichen Mitbestimmung. Im Reich der Mitte ist der (vom internationalen Gewerkschaftsbund ITUC nicht anerkannte) Gewerkschaftsdachverband ACFTU an den Staat gebunden. Abseits davon gibt es nur regionale Initiativen, die meistens eher spontan lokale Streiks und Kundgebungen – häufig für (zeit)gerechte Entlohnung – organisieren.
Die betriebliche Mitbestimmung hierzulande wird von den Chinesen ziemlich pragmatisch als Teil des Investment-Deals in Kauf genommen.
Die betriebliche Mitbestimmung hierzulande wird von den Chinesen ziemlich pragmatisch als Teil des Investment-Deals in Kauf genommen. Der Geschäftsführer eines güterproduzierenden Betriebs beschreibt das Unverständnis der Investorenseite gegenüber bestimmten Formen der ArbeitnehmerInnenrechte und das „Herantasten der Kulturen“: „Ein weiteres Thema waren Bonusregelungen. Also, wir haben dann […] gesagt: Wenn es einen Bonus gibt – Gewinnbeteiligung auf gut Deutsch –, dann hat jeder ein Anrecht darauf, die gesamte Belegschaft vom Vorstand bis zum Mitarbeiter – oder ich sage es einmal ganz brutal: bis zur Putzfrau. Das hat man überhaupt nicht verstanden, warum man da auch Mitarbeiter bedienen muss, weil die ja eh ihren Lohn und ihr Gehalt kriegen.“
Eine besondere Wertschätzung des Investors gegenüber den BetriebsrätInnen und Gewerkschaften als Garanten der Qualitätsproduktion, wie in der deutschen „ChinaInvest 2016“-Studie angeführt, konnte für Österreich allerdings generell nicht festgestellt werden.
Aktuelle Entwicklungen
Im Wesentlichen können sich die Resultate der chinesisch-österreichischen Zusammenarbeit sehen lassen: Manche Standorte wurden durch Finanzspritzen am Leben erhalten, manche nachhaltig vor dem Konkurs bewahrt. Der 2009 aufgekaufte Flugzeugausrüster FACC verzeichnete in den vergangenen Jahren einen regelrechten Höhenflug.
Andererseits: Die Textilfirma Wolford kämpft mit schwindenden Aufträgen, der Autobahnraststätten-Betreiber Rosenberger ist unter den beiden chinesischen Familien Liu und Ni in die Zahlungsunfähigkeit gerutscht und ging über einen Zwischeninvestor an Burger King. „Es gibt“, so Studien-Co-Autor Georg Adam zum aktuellen Stand, „in Österreich und Deutschland erste Anzeichen, dass unrentable Teile abgestoßen werden.“
Wolfgang Müller, einer der AutorInnen der deutschen Studie, prognostiziert: „Letztlich entscheidet sich die Frage der Zukunftsfähigkeit der chinesisch investierten Unternehmen […] aber nicht am Know-how-Transfer nach China, der zweifellos stattfindet, sondern daran, ob die neuen Investoren bzw. Eigentümer hierzulande weiter in Forschung und Entwicklung investieren, ob also […] weiter Know-how aufgebaut wird.“ Auch das gilt wohl genauso für Österreich.
Link zur Studie „Firmenübernahmen und Firmenbeteiligungen durch chinesische Investoren in Österreich aus der Sicht der betrieblichen Akteure“:
tinyurl.com/y4rbxmz7
Astrid Fadler
Freie Journalistin
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 6/19.
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
afadler@aon.at
die Redaktion
aw@oegb.at