Es geht voran mit der Frauenquote

Eine Frau als Managerin spricht am Konferenztisch in einem Meeting zu ihren Kollegen. Symbolbild für die Frauenquote in der EU.
Bei der Frauenquote hat Österreich riesigen Aufholbedarf. | © Adobe Stock/fizkes
Nach jahrelanger Blockade – vor allem durch Deutschland – steht das EU-Rahmengesetz zur Gleichstellung der Geschlechter in Unternehmen. Insbesondere Österreich hat bei der sogenannten Frauenquote Nachholbedarf.
Gleich und gleich gesellt sich gern. Eine gleich starke Geschlechtervertretung hingegen ist offensichtlich nur per Gesetz zu erzielen. Es ist ein kleines Wort, das großen Widerstand erzeugt. Tatsächlich zeigt eine Frauenquote aber Wirkung – wenn sie denn beschlossen werden kann. So wie zum Beispiel auf Island. Auf EU-Ebene wird nach zehnjährigem Stillstand erst in diesen Wochen das Rahmengesetz für mehr Gleichstellung in Führungspositionen von Unternehmen verabschiedet. Sie soll sowohl auf nicht-geschäftsführender als auch auf geschäftsführender Ebene verbessert werden. Insbesondere in privaten Unternehmen sind hier Frauen auch im Jahr 2022 unterrepräsentiert. Künftig müssen laut der EU-Führungspositionen-Richtlinie 40 Prozent der Mitglieder in Aufsichtsräten oder 33 Prozent in Aufsichtsräten und Vorständen weiblich sein.

Deutsche Unionsparteien haben Frauenquote blockiert

„Zu lange haben wir in der europäischen Wirtschaft die Talente und Möglichkeiten von Frauen vergeudet“, freut sich Evelyn Regner, eine der Vizepräsident:innen des Europäischen Parlaments. Die Abgeordnete ist seit 2012 Chefverhandlerin des EU-Parlaments für die Richtlinie. Warum sie so lange in der Pipeline war und nichts weitergegangen ist, erklärt Regner gegenüber Arbeit&Wirtschaft mit der Blockade Deutschlands unter der konservativen Regierung von Angela Merkel. „Eine verpflichtende Regelung, um den Frauenanteil in Aufsichtsräten zu erhöhen, war schlicht nicht gewünscht.“

Portrait Evelyn Regner. Im Gespräch über die Frauenquote.
„Zu lange haben wir in der europäischen Wirtschaft die Talente und Möglichkeiten von Frauen vergeudet“, sagt Evelyn Regner. | © Michael Mazohl.

Erst mit Antritt der SPD-geführten Regierung in Berlin war es möglich, die Verhandlungen wieder aufzunehmen und innerhalb weniger Monate abzuschließen. Endgültig abgesegnet wird die Richtlinie voraussichtlich in der vorletzten November-Woche durch das EU-Parlament. Dann haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um die Regelung in nationale Gesetze zu übernehmen – was noch eine Bremsfunktion haben könnte. Um Vorgaben zu verschleppen, die bei der jeweiligen Regierung unbeliebt sind, erweisen sich Mitgliedstaaten erfahrungsgemäß als kreativ. Es gibt in den Mitgliedsstaaten eine strukturelle Benachteiligung von Frauen.

Die Frauenquote wirkt

Bis Ende Juni 2026 soll jedenfalls ein Frauenanteil von mindestens 40 Prozent in nicht-geschäftsführenden Aufsichtsräten von Unternehmen in der EU erreicht sein. Mit verbindlichen Maßnahmen. Für Mitgliedstaaten, die Quoten sowohl in geschäftsführenden als auch in nicht-geschäftsführenden Aufsichtsräten einführen, beträgt die allgemeine Mindestanforderung 33 Prozent. Außerdem muss es ein Strafsystem für Unternehmen geben, die die Bestimmungen nicht erfüllen. Derzeit hat nur ein Drittel der 27 Mitgliedstaaten nationale Rechtsvorschriften zur Gleichstellung der Geschlechter in Aufsichtsräten.

So umstritten eine Frauenquote mancherorts ist, so eindeutig belegbar ist die Wirksamkeit durch Zahlen. Gleichstellung kommt nicht durch Zufall zustande. EU-weit ist der Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten der größten börsennotierten Unternehmen von 11,9 Prozent im Jahr 2010 auf 31,3 Prozent 2021 gestiegen, hat das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen erhoben. Allerdings sind in den Vorstandsgremien immer noch sieben von zehn Mitgliedern Männer. Bei den CEOs (Geschäftsführung) ist der Abstand noch größer, mit 79,2 Prozent Männern und 20,8 Prozent Frauen.

Österreich hat viel aufzuholen

Vergleichsweise ernüchternd ist bisher die Situation österreichweit, wie aus dem Frauen-Management-Report 2022 der Arbeiterkammer (AK) hervorgeht. Fünf Jahre nach Einführung einer verbindlichen Quote von mindestens 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsratsgremien von Unternehmen, die an der Wiener Börse notieren, beträgt ihr Anteil rund 35 Prozent – eine Steigerung von mehr als 12 Prozentpunkten. Die nicht-quotenpflichtigen Unternehmen hingegen stehen bei 18 Prozent. Auch an Universitäten gibt es das Problem.

Trotz der positiven Entwicklung bei den quotengebundenen Firmen zeige sich, „dass die Dynamik abflacht“, erläutert Betriebswirtin Christina Wieser, die langjährige Autorin des AK-Frauen-Management-Reports war. Mit den hohen Steigerungsraten bei Implementierung der Quote sei es vorbei. „Der Quotendeckel von 30 Prozent wiegt bei vielen Unternehmen schwer.“ In staatsnahen Betrieben, die hinsichtlich Diversität üblicherweise fortschrittlicher sind, macht der Frauenanteil knapp 47 Prozent aus. Auch im Nachbarland Schweiz tobt die Debatte.

Österreich bei Frauenquote Vorletzter

Die Etagen „ganz oben“, also Vorstand und Geschäftsführung, sind nach wie vor eine fast reine Männerdomäne. Und die Zahlen stagnieren seit Jahren, geht aus dem AK-Frauen-Management-Bericht hervor. In den börsennotierten Betrieben (quoten- und nicht-quotenpflichtige) pendelt der Frauenanteil bei rund acht Prozent. Die ATX-Unternehmen, also die 20 größten an der Wiener Börse, wiesen zu Beginn dieses Jahres nicht einmal sieben Prozent auf. Fast jedes fünfte Börsenunternehmen wird als „all-male-board“ geführt.

Damit nimmt Österreich im EU-Vergleich den unrühmlichen vorletzten Rang vor Luxemburg ein. In Deutschland macht der Frauenanteil im Management (Vorstand und Geschäftsführung) etwas mehr als 14 Prozent aus. Hier gilt seit August eine Mindestbeteiligung von Frauen. Ab vier Personen im Vorstand muss dort mindestens eine Frau sitzen. Frankreich hat 24 Prozent Vorständinnen und will die Geschlechterquote mit vorerst 30 Prozent bis 2027 und 40 Prozent bis 2030 auf die gesamte Unternehmensführung ausweiten.

https://twitter.com/Arbeiterkammer/status/1503691340747612163

Ohne Quote kaum Aufstiegschancen

Für die Unterrepräsentanz der Frauen in Österreichs Unternehmen nennt Studienautorin Wieser mehrere Gründe: „Vorurteile, Diskriminierung, die Ausrichtung von Karriereplänen auf traditionelle Geschlechterrollen und dass mit steigender Hierarchiehöhe die objektiven Auswahlmethoden bei Rekrutierungsprozessen wegfallen. Das heißt, es gilt das Ähnlichkeitsprinzip, also rekrutieren Männer wieder Männer.“

Für das Management werden ebenfalls gesetzliche Schritte notwendig sein, aus Sicht der AK. „In den Unternehmen, wo es noch keine Frauenquote gibt, haben Frauen kaum Chancen, aufzusteigen“, bringt es Katharina Mader, Ökonomin in der Frauen- und Familienabteilung sowie an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien, im Interview auf den Punkt.

„Nur was gesetzlich festgelegt und auch sanktioniert wird, funktioniert tatsächlich, wie in anderen Ländern zu sehen ist.“ Zudem sei aus der Managementtheorie bekannt, dass gemischte Teams besser und effizienter arbeiten und dass sich Kund:innen eher angesprochen und abgebildet fühlen. Hinzu kommt, die ausgewogene Vertretung der Geschlechter in Unternehmen hat eine gesamtgesellschaftliche Vorbildfunktion. Erste Schritte und Erfolge sind zu verzeichnen. Klar ist: „Es braucht ein Bündel an weiteren Maßnahmen und Strukturreformen für alle Frauen, nicht nur in der Führungsebene, und für Gleichstellung“, so Mader.

Über den/die Autor:in

Heike Hausensteiner

Heike Hausensteiner ist seit ihrer Schulzeit Anhängerin der Aufklärung. Aufgewachsen in einer Arbeiterfamilie im Burgenland, studierte sie Sprach- und Europawissenschaften in Paris, Mailand, Wien und Krems/Donau. Als politische Redakteurin begann sie ihre journalistische Laufbahn 1996 bei der "Wiener Zeitung", wo sie u.a. auch das Europa-Ressort gründete. Nach einjähriger Baby-Karenz machte sie sich 2006 selbstständig und arbeitet seither als freie Journalistin für Zeitungen, Magazine und Online-Medien in Österreich und Deutschland sowie als Autorin (u.a. "Im Maschinenraum Europas. Die österreichische Sozialdemokratie im Europäischen Parlament", 2013) und Moderatorin. Sie lebt mit ihrer Familie und 2 Katzen in Wien.

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