Frauen: Länger arbeiten ist unrealistisch
Ab 2024 wird das Pensionsantrittsalter für Frauen von derzeit 60 Jahren bis 2033 schrittweise auf 65 Jahre angehoben. Grundsätzlich ist es zwar wünschenswert, dass Frauen länger im Erwerbsleben bleiben. Das Problem dabei: Es ist in vielen Fällen unrealistisch, weil sich die Frauen aufgrund von harten Arbeitsbedingungen frühzeitig auspowern. Schon heute klafft eine Lücke zwischen dem offiziellen Pensionsantrittsalter von Frauen und ihrem tatsächlichen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Nur etwa zwei Drittel der unselbstständig beschäftigten Frauen wechseln direkt aus der Erwerbstätigkeit in die Alterspension, bei den Arbeiterinnen sind es sogar nur 56 Prozent. Das zeigt eine Sonderauswertung der Übertritte in die Pension, durchgeführt vom Sozialministerium. Einem großen Teil der Unternehmen gelingt es nämlich nicht, den Frauen eine adäquate Beschäftigung zu bieten, die sie auch bis zur Pension ausüben können. Handel, Reinigung und Pflege stechen hier als Problembranchen hervor.
„Die Arbeitsbedingungen sind so, dass es viele Frauen nicht bis zur Pensionierung schaffen“, sagt Monika Weissensteiner von der AK Wien. Ein Beispiel: Im Handel höre man bei Gesprächen mit Filialleiter:innen, dass „alle alles machen müssen, weil sonst Unruhe in der Belegschaft entsteht“. Demnach müssten 60-jährige Frauen mit lädiertem Bewegungsapparat genauso Paletten im Geschäft herumschieben wie junge, starke Männer. Ohne altersgerechte Arbeitsplätze ist zu befürchten, dass die Anhebung des Pensionsalters nicht dazu führen wird, dass Frauen länger im Job verbleiben, sondern länger arbeitslos sind, bis sie in Pension gehen können.
Mitrechnen zahlt sich aus
Weissensteiner empfiehlt Frauen auch, bereits mit Eintritt ins Berufsleben ihr Pensionskonto im Auge zu behalten. „Es zählen ja nicht nur die Versicherungsjahre, sondern vor allem auch das Einkommen. Da macht es einen großen Unterschied, ob man 20, 30 Stunden oder Vollzeit arbeitet und damit mehr verdient“, betont die Expertin.
Ein paar ernüchternde Zahlen aus dem Jahr 2021: In Summe führen die niedrigeren Erwerbseinkommen von Frauen sowie Versicherungslücken wegen der Kindererziehung zu einer geschlechtsspezifischen Pensionslücke von 41 Prozent. In Geld ausgedrückt: Im Schnitt erhielten Frauen monatlich 1.264 Euro Pension überwiesen, Männer 2.164 Euro.
Die Herausforderung, Beruf und Familie zu stemmen, braucht eben gute Rahmenbedingungen. Ohne adäquates Kinderbetreuungsangebot ist die Wettbewerbsfähigkeit von Müttern de facto eingeschränkt. Die beharrlich hohe Frauen-Teilzeitquote im Land spricht Bände über grundlegende Strukturprobleme. „Es müssen viel mehr Anstrengungen unternommen werden, um flächendeckend professionelle Angebote für Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen zu schaffen“, sagt Weissensteiner.
Backlash@home
Mit der Pandemie hat die gerechtere Aufteilung von Kindererziehung, Pflege- und Sorgearbeit auch noch einen Backlash erlitten. „Das Bild ist ohnehin sehr traditionell. Und jetzt gehen sogar wieder weniger Väter in Karenz“, sagt Weissensteiner. Eine Forderung der AK lautet deshalb, die Kindererziehungszeiten bei der Berechnung der Pension stärker zu berücksichtigen. Derzeit werden dem betreuenden Elternteil die ersten vier Lebensjahre des Kindes angerechnet, es sollten aber auch Betreuungspflichten im 5. und 6. sowie im 7. und 8. Lebensjahr auf Basis einer abgestuften Beitragsgrundlage berücksichtigt werden.
Zu all dem kommt noch: Der Arbeitsmarkt diskriminiert nicht nur die Mütter, sondern alle Frauen. Dafür sorgt der Gender-Pay-Gap, der beharrlich ihre Gehälter und später ihre Pensionen schmälert. 2021 lag Österreich EU-weit mit einem Gender-Pay-Gap von 18,8 Prozent an vorletzter Stelle – vor Estland. Der EU-Schnitt lag bei 12,7 Prozent.