Flugscham in der Urlaubszeit
In der Sommerurlaubssaison 2022 sind bei den Österreicher:innen besonders Griechenland, Spanien und die Türkei beliebt. Bei den Fernzielen führen die USA, Ägypten und die Malediven das Ranking an. All diese Länder haben gemeinsam, dass sie beinahe nur mit dem Flugzeug zu erreichen sind. Doch seit dem Jahr 2017 hört man gelegentlich das Wort Flugscham. Flugreisenden wird bewusst, dass sie mit dem Besteigen eines Fliegers der Umwelt Schaden zufügen.
Eine bekannte Person der Flugscham-Bewegung ist der ehemalige schwedische Biathlon-Olympiasieger Björn Ferry. Nach seiner Profi-Karriere begann er beim schwedischen Fernsehen zu arbeiten. Er gab bekannt, dass er für seinen Job nur noch den Zug nehmen werde. Auch Greta Thunberg machte das Thema populär. Sie reist überwiegend emissionsarm. Mit dem Zug zur UN-Klimakonferenz ins polnische Kattowitz. Zum Weltwirtschaftsforum nach Davos. Mit dem Segelschiff nach New York. Doch nicht alle können oder wollen wie Thunberg oder Ferry sein.
Greenwashing: CO2-Kompensation soll Flugscham lindern
Weil technische Lösungen komplex sind und Zeit brauchen, sollte die CO2-Kompensation bei Flugreisen die Flugscham lindern. Kund:innen können sie während des Buchungsvorgangs bei der Airline oder beim Reiseveranstalter dazubuchen. Diese Kompensation soll dazu dienen, den durch CO2-Ausstoß verursachten Schaden an der Umwelt auszugleichen. Umweltexpert:innen und NGOs bezeichnen das häufig als eine Form von Greenwashing.
„Die AK steht dem Instrument sehr skeptisch gegenüber, da die dauerhafte Wirksamkeit der Maßnahmen in vielen Fällen zu bezweifeln ist“, sagt Doris Artner-Severin von der Abteilung Umwelt und Verkehr in der Arbeiterkammer Wien im Gespräch mit Arbeit&Wirtschaft. Daher spricht die Arbeiterkammer auch keine Empfehlung für Anbieter solcher Kompensationsmaßnahmen aus.
Arbeitsbedingungen bei Fluglinien
Neben dem Umweltaspekt spielt auch noch ein weiterer Aspekt in die Flugscham mit hinein. „Wir verlinken auf unserer Homepage eine Umfrage unter insgesamt 5.751 Pilot:innen von mehr als 120 europäischen Fluggesellschaften zu ihren Arbeitsbedingungen, Work-Life-Balance und Vertragsvereinbarungen“, so Artner-Severin. Die Arbeitsbedingungen variieren bei den Fluggesellschaften massiv. Sehr zufrieden mit den Bedingungen sind die Beschäftigten bei Air France, der niederländischen Martinair oder der deutschen Condor. Am anderen Ende finden sich Billigfluglinien wie Ryanair, Wizzair oder Lauda Europe.
„Flugticketpreise von 9,99 Euro bedeuten, dass es nicht möglich ist, den Angestellten einen fairen Lohn zu zahlen“, benennt Artner-Severin das Problem. Die Lösung liegt auf der Hand. „Die AK setzt sich für eine Besteuerung von Flugtreibstoff und die Einhebung der Mehrwertsteuer auf Flugreisen ein, um den ungerechtfertigten Kostenvorteil des Fliegens zu verringern. Weiters müssen auch die Arbeits- und Sozialstandards im Flugverkehr verbessert werden, um das Sozialdumping in diesem Sektor zu unterbinden.“ Es geht auch darum, dass der Tourismus noch eine Zukunft hat.
#AK klagte 35 unzulässige Klauseln bei #Ryanair: 32 sind unzulässig. #AK Expertin @ProckEmanuela: Wir hatten sehr viele Beschwerden wegen Ryanair, wo Konsument:innen online gebucht hatten & am Airport 55€ zahlen mussten. Gericht befand: das ist sachlich nicht gerechtfertigt. 1/2
— AK Österreich (@Arbeiterkammer) May 24, 2022
Bahn fahren statt Flugscham
Durch die Steuerpolitik hätten Billig-Airlines gegenüber den europäischen Bahnen aktuell klar die Nase vorne. Ein Umstand, der laut AK behoben werden muss, da die Bahn eine deutlich CO2-freundlichere Alternative des Reisens ist. Doch bei Zügen ist der Kauf internationaler Tickets noch ein Problem. Die EU ist allerdings dabei, ihren „Aktionsplan zur Stärkung des Schienenpersonenverkehrs auf Fern- und grenzüberschreitenden Strecken“ voranzutreiben. Er sieht unter anderem vor, den europaweiten Fahrkartenerwerb zu erleichtern.
Der Aktionsplan sieht auch ausreichende Hochgeschwindigkeitskapazitäten und -verbindungen vor. „Grundsätzlich gehören die Emissionen des Fliegens zu den höchsten der verschiedenen Verkehrsmittel. Daher ist in jedem Fall die Wahl der Bahn zu empfehlen, wenn die Alternative besteht“, fasst Artner-Severin das Problem zusammen.