Flexibilität aus Stabilität

Inhalt

  1. Seite 1 - Kosten vs. Lebensqualität
  2. Seite 2 - Gefahr durch Profite für wenige
  3. Seite 3 - Warnung vor Privatisierungen
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Die Debatte um den Wirtschaftsstandort sollte nicht nur aus Sicht der Unternehmen geführt werden. Das Ziel lautet: für Wohlstand sorgen. Und auch wenn es Verbesserungspotenzial gibt, muss sich der sowohl stabile als auch flexible Wirtschaftsstandort Österreich nicht verstecken.

Forschungsquote besonders gut

Auch die allgemeine Investitionsquote ist mit 23,5 Prozent des BIP relativ hoch. Deutschlands Investitionsquote liegt bei 20,5 Prozent, was auch dem Durchschnitt der Eurozone entspricht. Weiters entwickelt sich die Industrieproduktion in Österreich sehr gut: Sie ist hierzulande seit 2015 dreimal so schnell gewachsen wie jene in Deutschland. Besonders gut entwickelt hat sich die Forschungsquote: Österreich nimmt mit aktuell 3,2 Prozent in der EU Platz zwei hinter Schweden ein. Folglich liegt auch hier Deutschland hinter Österreich.

Für Markus Marterbauer ist Österreich ein sehr stabiles Wirtschaftssystem und bezieht daraus wiederum einen hohen Grad an Flexibilität. Er stellt allerdings die Frage, wie lange das noch so bleibt, vor allem macht er sich Sorgen um das sozialpartnerschaftliche Konsensmodell: „Die Sozialpartnerschaft hat schon in der ersten schwarz-blauen Regierung angefangen, brüchig zu werden. Und jetzt fällt auf, dass die Verteilungskämpfe schwieriger geworden sind.“ Dabei seien starke Gewerkschaften gerade auch deshalb wichtig, weil sie bei Lohnverhandlungen die gesamtwirtschaftlichen Interessen mitdenken können, was ein Miteinander statt eines Gegeneinanders fördert. Das Gegenteil wäre ein Szenario, das sich wohl niemand wünschen kann: „Schwache Gewerkschaften können weder ordentliche Löhne herausholen noch vernünftige Kompromisse erzielen“, so Marterbauer

„Wir sind sehr gut aufgestellt, um die Herausforderungen der Digitalisierung zu bewältigen.“ Markus Marterbauer / Foto (C) Adobe Stock / volff, Prostock-studio, cgdeaw, dule964

Warnung vor Privatisierungen

Apropos kurzfristige Perspektive: Die AK warnt vor einer weiteren Privatisierung wichtiger Infrastrukturen. Unternehmen der Daseinsvorsorge wie die Post, die Telekom Austria, Verbund, ÖBB und Asfinag seien für Österreich von strategischer Bedeutung. Privatisierungsschritte, die zu einer Abwanderung der Entscheidungs- und Gestaltungsmacht aus der öffentlichen Hand führen, seien aus Sicht der Versorgungssicherheit und Leistbarkeit problematisch, da private Eigentümer engere Interessen verfolgen als öffentliche. Natürlich ist nicht alles wunderbar in Österreich, und einiges verlangt nach Verbesserung. So ist zwar die zweithöchste Forschungsquote in der EU ein Hingucker, gleichzeitig aber ist Österreich nicht ganz vorne dabei, wenn es um Grundlagenforschung geht: Österreich gibt dafür derzeit 22 Euro pro EinwohnerIn aus und gerät gegenüber den führenden Ländern ins Hintertreffen. Am meisten geben die skandinavischen Länder und Großbritannien in diesem Bereich aus, und an unangefochtener erster Stelle steht mit 97 Euro pro EinwohnerIn die Schweiz.

Besser werden kann Österreich auch bei der Lebensqualität, denn im OECD-Vergleich liegt man im Mittelfeld. Auch hier sticht Skandinavien wieder positiv hervor und punktet im Vergleich zu Österreich vor allem in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Lebenszufriedenheit und Work-Life-Balance. Bei der Bildung lässt sich zwar positiv vermerken, dass Österreich sowohl gute akademische, aber vor allem nicht akademische Fachkräfte hervorbringt, die von der Wirtschaft benötigt werden und für viele Unternehmen ein großes Standortargument darstellen. Besonders negativ stellt sich das Thema Bildungsvererbung dar, denn der Einfluss des sozioökonomischen Hintergrundes des Elternhauses ist hierzulande besonders hoch.

Herausforderungen

Und auch am Arbeitsmarkt sind die Herausforderungen groß. Die Digitalisierung nimmt dabei einen besonders hohen Stellenwert ein, da sie zu massivem Verlust von Arbeitsplätzen führen könnte. „Wir sind sehr gut aufgestellt, um die Herausforderungen der Digitalisierung zu bewältigen“, glaubt Markus Marterbauer. Und die Menschen müssen auf diese Veränderungen und die neuen Anforderungen am Arbeitsmarkt gut vorbereitet werden. Marterbauer hätte auch gar nichts dagegen, „wenn uns die Roboter mehr Arbeit abnehmen, solange die Produktivitätsgewinne fair verteilt werden und niemand zurückgelassen wird“.

Wir sind sehr gut aufgestellt, um die Herausforderungen der Digitalisierung zu bewältigen.

Markus Marterbauer, AK Wien

Auch hier wird sich die Frage der Standortqualität besonders stark zeigen und ob an alle Menschen im Land gedacht wird. Denn die AK betont, dass die Digitalisierung nicht nur aus technischem und betriebswirtschaftlichem Blickwinkel betrachtet werden sollte. Wichtig ist es auch, mögliche gesellschaftlich unerwünschte Entwicklungen und unmittelbar negative Auswirkungen auf die Beschäftigten zu berücksichtigen und zu minimieren. Auch wenn es derzeit wirtschaftlich sehr gut läuft, betont Markus Marterbauer: „Der nächste Abschwung kommt bestimmt. Ich glaube sogar, dass er schon begonnen hat.“ Und gerade in schwierigen Zeiten zeigt sich die Qualität eines Standortes und wie stark und widerstandsfähig er ist.

Von
Alexandra Rotter

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/19.

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Über den/die Autor:in

Alexandra Rotter

Alexandra Rotter hat Kunstgeschichte in Wien und Lausanne studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin in Wien und schreibt vor allem über Wirtschaft, Gesellschaft, Technologie und Zukunft.

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