Gefahr durch Profite für wenige
Profitieren hingegen nur wenige von einer an sich positiven Entwicklung, birgt das Gefahren. Laufen die Geschäfte wie in der aktuellen Phase der Hochkonjunktur gut, sollte sich das folglich auch in den Einkommen widerspiegeln. Markus Marterbauer sagt: „Es muss dafür gesorgt werden, dass die volkswirtschaftlichen Erträge gerecht verteilt werden.“ Probleme in der Einkommensverteilung sieht Marterbauer etwa bei Teilzeitbeschäftigten, die gerne mehr Stunden arbeiten würden, dazu aber nicht die Möglichkeit erhalten. Auch treffe dies bei Menschen mit unterbrochenen Erwerbskarrieren zu oder bei Ein-Personen-Unternehmen, die weder Kollektivverträgen unterstellt sind noch eine starke Interessenvertretung haben. Als positiv erachtet Marterbauer allerdings, dass Österreich eines der wenigen Länder ist, in denen auch die Selbstständigen in die Sozial- und Pensionsversicherung integriert sind. So umfasse der Sozialstaat annähernd 100 Prozent der Bevölkerung.
Besonders niedrige Lohnquote
Aber zurück zu den Löhnen: Das Ausmaß an Gerechtigkeit und Fairness zeigt sich volkswirtschaftlich in der Kennzahl der Lohnquote gut. Dabei handelt es sich um den Lohnanteil am gesamtwirtschaftlichen Einkommen. Konkret misst die Lohnquote den Anteil der Einkommen unselbstständig Erwerbstätiger am Nettoinlandsprodukt. Sie lag 2017 bei knapp 68 Prozent. Der historische Höchstwert wurde vor gut 40 Jahren erreicht: Er lag 1978 bei 77,2 Prozent. Vor mehr als zehn Jahren, nämlich im Jahr 2007 und damit kurz vor der Finanzkrise, war die Lohnquote besonders niedrig: Sie lag bei gerade einmal 63 Prozent. Dass die Lohnquote vor allem zwischen 1995 und 2007 so stark gesunken ist, liegt laut Marterbauer unter anderem daran, dass in dieser Zeit besonders hohe Dividenden und andere Einkommen aus Vermögensbesitz ausgeschüttet wurden. Somit ging der Anteil der Einkommen aus Löhnen zurück. Der zweite Hauptgrund für diesen starken Rückgang des Lohnanteils am gesamtwirtschaftlichen Einkommen liegt laut Marterbauer an der kapitalfreundlichen Art der Globalisierung, deren Gewinne höchst ungerecht verteilt sind.
Wer über die Standortqualität eines Landes spricht, sollte nicht den Fehler machen und zu kurzfristig denken.
Wer über die Standortqualität eines Landes spricht, sollte laut Christa Schlager nicht den Fehler machen und zu kurzfristig denken. Unternehmen, die beispielsweise ihre industriellen Abfälle und Gifte in einen Fluss leeren oder in Länder abwandern, wo dies nicht geahndet wird, handeln aus ihrer Sicht vernünftig. Doch langfristig gesehen, zerstört dieses Verhalten die Umwelt und macht einen Standort unattraktiver. Daher betont Christa Schlager die wichtige Rolle des Staates, der gute Rahmenbedingungen schaffen und langfristige Ziele verfolgen muss: „Der Staat muss dafür sorgen, dass langfristig Wohlstand gelingt.“ Es gebe wichtige Herausforderungen, etwa die der Digitalisierung oder die Erreichung der Klimaziele. Um diese Aufgaben bewältigen zu können, braucht es Investitionen, Innovationen und Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten. In der Wirtschaftspolitik auf die Senkung der Abgabenquote und der Gewinnsteuern zu fokussieren sei eine falsche Prioritätensetzung, ärgert sich Schlager. Wichtig sei, jetzt die richtigen Weichenstellungen für die Zukunft zu treffen.
Wo sich wohl alle einig sind, ist, dass es positiv ist, wenn sich möglichst viele attraktive Betriebe im Land ansiedeln. Und das ist derzeit der Fall. So verkündete die Ansiedlungsagentur ABA Invest in Austria, die zum Wirtschaftsministerium gehört, vor einem Jahr einen Rekord an neuen Betriebsansiedlungen: Im Jahr 2017 waren es 344. Somit war 2017 das erfolgreichste Jahr in der 35-jährigen Geschichte der ABA. Und schon 2016 war mit 319 Ansiedlungen ein Rekordjahr gewesen. 2017 stieg zudem auch die mit den Neuansiedlungen verbundene Investitionssumme im Vergleich zu 2016 um 2,6 Prozent auf 723,85 Millionen Euro an. Die Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze verzeichnete mit 2.672 einen leichten Zuwachs von 1,9 Prozent gegenüber 2016. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck sagte anlässlich des Rekordes bei den Betriebsansiedlungen: „Der Standort Österreich punktet bei ausländischen Konzernen vor allem mit Stabilität und Sicherheit, hoher Osteuropa-Kompetenz, der Qualität und Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie mit einem kaufkräftigen Markt.“
Der Standort Österreich punktet bei ausländischen Konzernen vor allem mit Stabilität und Sicherheit, hoher Osteuropa-Kompetenz, der Qualität und Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie mit einem kaufkräftigen Markt.
Margarete Schramböck, Wirtschaftsministerin
Ein besonders wichtiges Argument für Unternehmen, sich anzusiedeln oder am Standort zu bleiben, ist die Infrastruktur. „Ein Unternehmen braucht neben seinen Produktionsmitteln auch günstige Rahmenbedingungen“, sagt Christa Schlager. Infrastruktur ist freilich ein sehr weites Feld. Dazu zählen zum einen physische Rahmenbedingungen wie zum Beispiel gute Transportwege wie Autobahnen, Schifffahrt und Flugverbindungen, wenn etwas produziert wird oder auch wenn MitarbeiterInnen anreisen müssen. Da in Österreich derzeit rund 380 Unternehmen ihre Headquarters betreiben, sind Erreichbarkeit wie auch die generell gute Lebensqualität ein wichtiges Standortargument. Auch die Versorgung mit schnellen Internetverbindungen, also konkret der Breitbandausbau und die Investition in das 5G-Netz, sind in einem Umfeld der wachsenden Digitalisierung entscheidend. Hinzu kommt die Versorgung mit preiswerter und sauberer Energie. Zur Infrastruktur gehören aber auch soziale Sicherheit, Stabilität, Bildung und soziale Infrastruktur wie etwa gute Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Markus Marterbauer stellt dem Wirtschaftsstandort Österreich ein sehr gutes Zeugnis aus: Viel aus wenig gemacht.
„Wir müssen uns keine Sorgen um den Standort machen.“ Die objektiven Umstände sprechen für Österreich als Wirtschaftsstandort. Vom „Absandeln“ sei Österreich meilenweit entfernt. Im Gegenteil: Österreich sei es sehr gut gelungen, aus nichts – denn nach dem Zweiten Weltkrieg gab es praktisch nichts, auf das man aufbauen konnte – viel zu machen. So ist Österreich etwa derzeit das Land mit der vierthöchsten Produktion pro Kopf in der EU. Jenen, die über die Situation und zum Beispiel über zu hohe Löhne und Lohnnebenkosten jammern, würde es vor allem um Verteilungsinteressen gehen.
In einigen Punkten hat Österreich Deutschland überholt, so etwa bei den Investitionen in die öffentliche Infrastruktur: Österreich investiert hier mit drei Prozent des BIPs vergleichsweise viel. Deutschland investiert lediglich zwei Prozent. Markus Marterbauer weist darauf hin, dass der deutsche Staat jährlich 30 Milliarden Euro zusätzlich investieren müsste, um auf das österreichische Niveau von drei Prozent zu kommen.