Der Trend der Finfluencer:innen
Die Digitalisierung hat auch die Finanzbranche stark verändert. Wer früher Aktien kaufen, einen Bausparer starten oder auch nur ein Konto eröffnen wollte, musste in eine Bankfiliale gehen. Dort bekam die Person eine (mehr oder weniger objektive) Beratung samt Risikoaufklärung. Fintech-Start-ups haben dieses System auf den Kopf gestellt, die klassischen Banken mussten nachziehen. Heute genügen ein paar Klicks und Swipes in einer App, um auf eine unüberschaubare Menge an Finanzprodukten zuzugreifen – und das ist auch für sehr junge Kund:innen möglich. Für Finfluencer:innen – also Influencer:innen, die sich auf die Finanzbranche spezialisiert haben – ist das eine Marktlücke.
Ihr Geschäftsmodell unterscheidet sich kaum von dem anderer Influencer:innen. Sie klären über ihre Thematik auf, schreiben Bücher oder verkaufen Coachings. Basis ist eine kostenlose Aufklärung. „Dabei ging es zumeist um sehr allgemeine Informationen über Investmentmöglichkeiten, beispielsweise, wie man seine Finanzen effektiv überwachen und sich überhaupt erst Geld zur Seite schaffen kann, um es in weiterer Folge zu investieren“, schreibt dazu Studienautor Christian Prantner. Er ist Konsumentenschützer und Finanzexperte.
Tonalität und Qualität dieser Beratungen seien jedoch sehr unterschiedlich. Prantner führt dazu die zwei Finfluencer:innen „Three Coins“ und „Investmentpunk“ an.
- Three Coins: Versteht sich als Sozialunternehmen, das sich für finanzielle Selbstbestimmung, Chancengleichheit und Finanzkompetenz einsetzt. Das Unternehmen ist Mitglied im Social Entrepreneurship Network Austria (eine Interessenvertretung für „Unternehmertum mit positiver gesellschaftlicher Wirkung“). Die Website kommt ohne Empfehlungen für einzelne Produkte oder Unternehmen aus, die Werbung ist wenig aggressiv. Kunden/Kundinnen des Unternehmens sind vorwiegend öffentliche Einrichtungen oder Unternehmen.
- Investmentpunk: Hinter diesem Pseudonym steckt Gerald Hörhan, der sich selbst als Selfmade-Millionär und „CEO der größten Business-Education-Plattform im deutschsprachigen Raum“ bezeichnet. Auf der Seite wird vollmundig finanzielle Freiheit versprochen, die jeder:r erreichen könne. Kostenpflichtige Workshops werden aggressiv beworben. „Insgesamt entstand der Eindruck, dass es bei den vermittelten Inhalten weniger um die allgemeine Finanzbildung einer breiteren Masse ging, sondern um die Vermarktung bezahlter Coachingeinheiten“, so Prantner.
Dürfen Finfluencer:innen das überhaupt?
Dass sich Finfluencer:innen an klassischen Influencer:innen orientieren, ist rechtlich gesehen nicht unproblematisch. Denn anders als beim Bewerben von Klamotten und Schönheitsprodukten braucht es für die Anlageberatung zu Finanzinstrumenten eine Konzession der österreichischen Finanzmarktaufsicht. Dazu gehören auch persönliche Empfehlungen für bestimmte Geschäfte. Wer diese Konzession erhalten will, muss nicht nur qualifiziert sein, sondern auch nachweisen, dass die Vergütung fair, die Beratung ausgewogen und die Empfehlungen auf das Risikoprofil der Anleger:innen abgestimmt sind.
„Finfluencer:innen laufen Gefahr, aufsichtsrechtlich oder auch zivilrechtlich belangt zu werden, wenn ihnen die erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen fehlen“, so Prantner in der AK-Studie. Derzeit gäbe es keine Qualitätskontrollen oder Richtlinien, um festzustellen, ob Finfluencer:innen überhaupt das nötige Knowhow hätten, um das zu tun, was sie tun. Oft würden sie sich in einer Grauzone zwischen Coaching und persönlicher Empfehlung bewegen.
Was Finfluencer:innen häufig verschweigen
Doch die Ausgewogenheit und die individuelle Risikoabstimmung lässt häufig zu wünschen übrig. Oft fehlen bei Finfluencer:innen Quellenangaben, woher sie ihre Informationen haben. Auch eine Trennung zwischen Meinung und Information findet oft nicht statt. Fakten, Meinungen und Anekdoten würden verschwimmen, schreibt Prantner.
Als Beispiel nennt er die sogenannten Vergleichsrechner für einzelne Finanzprodukte. Es sei häufig unklar, nach welchen Kriterien die verglichenen Produkte und Unternehmen ausgewählt würden. Dazu würden sie nur einen sehr kleinen Teil des Marktes abbilden. Das könne, so Prantner, auch daran liegen, dass diese Tools nicht von den Finfluencer:innen selbst erstellt seien, sondern einfach zugekauft würden. Dabei bestehe „das Risiko, dass potenziellen Anleger:innen das Gefühl vermittelt wird, eine unabhängige und vollständige Übersicht über Anbieter zu erhalten.“
Mangelnde Objektivität, fehlendes Risikobewusstsein
Auch die Affiliate-Programme der Finfluencer:innen tragen wenig zur Objektivität der Seiten bei. Bei Affiliate-Programmen handelt es sich um Partnerschaften zwischen einem Unternehmen und – in diesem Fall – den Finfluencer:innen. Wenn User:innen das Produkt über deren Seiten kaufen, bekommen die Finfluencer:innen eine Provision. Doch diese Partnerschaften weisen die Finfluencer:innen nicht eindeutig aus. Wohl auch, weil dadurch Zweifel an der Objektivität wecken könnte. „Es fanden sich zwar oft einzelne Hinweise auf Affiliate-Links und dass für die Vermittlung Provisionen gezahlt werden – diese Hinweise fanden sich beispielsweise im Impressum, oft in kleiner Schriftgröße oder ganz am Ende der Shownotes“, heißt es dazu in der Studie.
Dazu kommt, dass Finfluencer:innen überproportional hochriskante Anlageprodukte empfehlen. „Das riskanteste Beispiel, das im Rahmen der in dieser Studie durchgeführten Analysen aufzufinden war, war die in einem Video geäußerte Empfehlung, Kryptowährungen mit Fremdkapital (Krediten) zu traden“, schreibt Prantner. So ließen sich die Gewinne risikolos „bis ins Unendliche skalieren“. Doch die Wahrheit ist, dass Kryptowährungen extrem volatil sind und Investor:innen Fremdkapital mit Zinsen zurückzahlen müssen.
Ah, schnell reich werden 💶💶 – ohne zu erben, wie geht’s? Vorsicht bei so verlockenden Versprechen‼️ Denn der Traum vom häufig angepriesenen „schnellen Geld“ kann schnell platzen. #AK nahm zehn Finanz-Influencer:innen unter die Lupe: Das Ergebnis ist ernüchternd! Ein 🧵
— AK Österreich (@Arbeiterkammer) July 26, 2024
Best-Practice-Beispiele bei Finfluencer:innen
Das Risiko, durch blindes Vertrauen in Finfluencer:innen Geld zu verlieren, ist zwar groß, doch es gibt auch Best-Practice-Beispiele. So hebt Prantner beispielsweise „Investorella“ hervor. Sie würde für ihre Podcasts und Posts auf Social Media die Quellen offenlegen. Prantner lobt darüber hinaus den Finfluencer „Kapitalmeister“ für seinen klaren Umgang mit Affiliate-Marketing. Bei ihm würden die User:innen direkt aufgeklärt.
Die Studie der Arbeiterkammer zeigt, dass dennoch Skepsis angebracht ist. User:innen sollten recherchieren, ob diese Personen über die nötige Expertise verfügen und – im Falle einer klaren Empfehlung – eine entsprechende Lizenz haben. Auch sollte im Vorfeld klar sein, womit die Finfluencer:inenn eigentlich ihr Geld verdienen. Hier könnte es Interessenkonflikte geben. Grundsätzlich gilt, dass bei Versprechen, die zu schön klingen, um wahr zu sein („Schnell und einfach reich werden“; „Jeder kann es schaffen“, „Mit diesen Tipps kannst du gar nicht verhindern, reich zu werden“) Vorsicht geboten ist.
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