Fachkräftemangel in Österreich ist hausgemacht
Doch die erste Maßnahme von Martin Kocher, dem Wirtschaftsminister, war es, die Liste der Mangelberufe zu verlängern. Zu einem Mangelberuf wird ein Job, wenn es weniger als 1,5 Arbeitssuchende pro offener Stelle gibt. Dann dürfen die Arbeitgeber:innen auch in Drittstaaten nach Angestellten suchen. Das betrifft vor allem Unternehmen der Gastronomie und der Pflege. Auf den ersten Blick ist das eine unkomplizierte Lösung. Denn aktuell können rund 272.000 Stellen nicht besetzt werden. Doch es löst das Problem des Fachkräftemangels nicht. Das wird dadurch nur in Drittland verschoben. Die Personalprobleme sind hausgemacht. Fragwürdige Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung werden so nur befördert.
Die Bundesregierung hat allerdings noch weitere Maßnahmen geplant. Eine davon ist, die Notstandshilfe aus der Arbeitslosenversicherung herauszulösen. Eine Idee, die auf die schwarz-blaue Regierung von Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) zurückgeht. Das würde Hartz 4 in Österreich bedeuten. Und den Druck auf arbeitslose Menschen massiv verstärken. Dabei ist der jetzt schon enorm hoch. Was als Anreiz zu arbeiten verkauft wird, ist in Wahrheit Druck, schlechte Jobs anzunehmen. Arbeitslose Menschen sind mehr als Statistiken. Hinter jeder Zahl steckt ein individuelles Schicksal, das betrachtet werden muss.
Probleme der Arbeitslosenversicherung
Dabei sollte klar sein, dass es sich bei der Arbeitslosenversicherung um genau das handelt, was der Name sagt. Eine Versicherung. Das bedeutete, dass die Arbeitnehmer:innen für das Geld, dass sie eingezahlt, Anspruch auf bestimmte Leistungen haben. Und die fällt oft zu gering aus. Die Forderungen nach einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes wird immer lauter. Zumal Österreich in dieser Hinsicht im internationalen Vergleich tatsächlich enorm schlecht abschneidet. Doch die verschärften Zumutbarkeitsbedingungen, das degressives Arbeitslosengeld und diverse Sanktionen machen klar, dass die Arbeitslosenversicherung in Österreich noch andere Probleme hat.
Und das mitten in einem Transformationsprozess. Inflation, Pandemie, Krieg, demografischer Wandel, Dekarbonisierung… die Herausforderungen sind gerade enorm. Nicht nur Österreich und die EU müssen gerade einen Wandel im Wirtschaftssystem einleiten, sondern die ganze Welt. So dramatisch diese Situation auch ist, so ideal ist der Zeitpunkt, auch einmal tiefergreifende und systemische Lösung anzugehen. Denn Lösungen für den Fachkräftemangel in Österreich liegen längst auf dem Tisch.
"Dieser verdammte Fachkräftemangel! Wir haben schon alles probiert: Tischtennistisch aufstellen, ein cooles Rap-Video drehen und und und. Nichts hat funktioniert!"
"Habt ihr es schon mal mit fairen Löhnen und Gehältern probiert?"#Fachkräftemangel pic.twitter.com/rTzQqN433g
— ÖGB (@oegb_at) January 4, 2022
Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel in Österreich: Wandel als Lösung
Der angestrebte Wandel zielt vor allem auf mehr Nachhaltigkeit ab. Damit sind allerdings auch soziale Aspekte gemeint, nicht nur ökologische. In der Öffentlichkeit werden die angestrebten Arbeitsplätze dennoch als Green Jobs bezeichnet. Grundsätzlich geht es aber darum, dass der Sozialstaat die Krise auf dem Arbeitsmarkt überwindet und gute Arbeit schafft. Wie das gelingen kann, erklären Sabine Rehbichler, Geschäftsführerin von arbeit plus, und Miriam Baghdady, ÖGB-Volkswirtschaftsexpertin, im Doppelinterview.