Frauenprofessuren
Die Technische Universität Wien hat mit Sabine Seidler seit 2011 erstmals eine Rektorin. An dieser Universität zeigt sich deutlich, dass der Frauenanteil je nach Universität und Studienrichtung variiert. In technischen Universitäten sind Frauen deutlich seltener anzutreffen: Von den 153 ProfessorInnenstellen sind an der TU Wien 18 von Frauen besetzt, von 52 Instituten haben drei eine Vorständin. Aktuell gibt es noch keine Dekanin. Geht es nach Brigitte Ratzer, Leiterin der Abteilung Genderkompetenz, soll sich das ändern. Zunächst brauche es mehr Studentinnen in der Technik und somit andere Rollenbilder. „Viele LehrerInnen sind nicht in der Lage, Mädchen und Burschen das Gleiche zuzutrauen und zu vermitteln“, stellt Ratzer fest.
Die TU organisiert Workshops, die Schülerinnen über Perspektiven in der Technik informieren. Zudem werden Maßnahmen für Nachwuchswissenschafterinnen koordiniert – von Coaching und Mentoring bis zu „Anti-Bias-Workshops“.
Um die Vergabe von zwei Frauenprofessuren und zwei Laufbahnstellen gab es 2015 einen Wettbewerb, bei dem die acht Fakultäten Frauenfördermaßnahmen vorstellten. Der Clou: „Alle sich bewerbenden Fakultäten mussten ihre Konzepte umsetzen, egal wer den Zuschlag erhält“, so Ratzer. An der TU Wien gibt es einige Jobangebote, die sich explizit an Frauen richten, unter anderem zwei Laufbahnstellen. Diese Stellen sehen einen sechsjährigen Arbeitsvertrag mit Qualifizierungsvereinbarungen vor. Dann soll der Umstieg auf eine unbefristete Stelle als assoziierte Professorin folgen. Ratzer plädiert dafür, Auswahlkriterien für Professuren zu ändern und außeruniversitäre Leistungen besser zu bewerten.
Laufbahnstellen, die explizit für Frauen vorgesehen sind, kann Soziologin Striedinger etwas abgewinnen, sofern bei der Vergabe der nicht geschlechtsbezogenen Stellen Frauen nicht benachteiligt werden. Die „gläserne Decke“ wird insbesondere nach dem Doktorat sichtbar, denn an dieser Schnittstelle gibt es eine hohe Drop-out-Quote von Frauen. Das zeigt sich etwa an der Uni Wien: Während der Frauenanteil bei Doktoraten im Jahr 2013 bei 51 Prozent lag, betrug er bei Habilitationen nur noch 37 Prozent.
Auch in der Wissenschaft ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für viele herausfordernd. Nach wie vor trifft das Frauen mehr als Männer, denn ohne Partner oder Partnerin, der/die sich mehr um die Familienarbeit kümmert, lässt sich dies kaum vereinbaren. Als Corinna Engelhardt-Nowitzki ihre beiden Kinder bekam (heute sind sie neun und zwölf), war sie Professorin. Ein Vorteil: „Ich konnte mir meine Zeit flexibler einteilen.“ Ohne Unterstützung ihres Mannes hätte es aber nicht so gut funktioniert. Er hat eine halbe Lehrverpflichtung an einem Gymnasium.
An der Uni Wien gibt es eigene Curricula für Frauen, in denen Karrierestrategien erarbeitet werden. Angeboten werden Coachings für Wissenschafterinnen oder Doktorandinnenkollegs, wo Frauen unterschiedlicher Zweige, aber mit ähnlicher Thematik, zusammenarbeiten. Die IG LektorInnen und WissensarbeiterInnen hat den Überblick. „Wir sprechen Frauen explizit an, wie sie im wissenschaftlichen Bereich vorankommen können.“ Ein wesentlicher Faktor sei das Prekariat unter Frauen. „Es braucht individuelle Förderung und mehr ausfinanzierte Stellen nach dem Doktorat“, fordert IG-Vorstandsmitglied Maria Dabringer.
Jobs mit Zukunft sind das eine, Vernetzung untereinander ist das andere. Netzwerken, wie männliche Wissenschafter das seit Langem machen, helfe. Doch unterstützen sich Frauen, stößt das oftmals auf Unverständnis. „Wenn Männer sich organisieren, gilt das als professionell, bei Frauen seien das ‚Selbsthilfegruppen‘“, kritisiert Dabringer.
Mentoring und Anerkennung
Aufgeräumt werden muss mit einem weiteren Irrglauben: „Frauenförderung wird oft unbewusst als Nachhilfe verstanden. Es geht aber nicht darum, Defizite aufzuarbeiten, sondern Stärken aufzuzeigen“, sagt Sylwia Bukowska, Leiterin der Abteilung Gleichstellung und Diversität der Universität Wien. „Es gilt, Barrieren im System aufzuzeigen, Wissenschafterinnen zu bestärken und Momente des Scheiterns auch im Kontext des Wissenschaftssystems mit seinen Ausschlussmechanismen zu verstehen.“ Sensibilisierung und breit aufgestellte Individualförderprogramme hätten Prozesse bereits verbessert. Besonders erfolgreich war Mentoring.
Die Programme werden derzeit neu konzipiert. Im Herbst 2018 beginnt eine Programmversion für Praedoc- und im Jahr darauf Mentoring für Postdoc-Wissenschafterinnen. Anfang nächsten Jahres startet eine österreichweite Datenbank mit Infos zur Gleichstellung an heimischen Unis.
Die Quote wirkt
Dass der Frauenanteil auch beim wissenschaftlichen Personal gestiegen ist, ist eng mit der Quote verbunden. Demnach soll der Frauenanteil bei 50 Prozent liegen. Soziologin Angelika Striedinger beobachtete, dass diese Vorgabe den Frauenanteil in den Rektoraten steigen ließ und den Aufstieg von Frauen an die Spitze der Universitäten förderte.
„Alle Expertinnen sind sich einig, dass Quoten zurzeit notwendig sind zur Herstellung der Chancengleichheit.“ Dabei gehe es nicht um eine generelle Bevorzugung. „Eine Frau bekommt den Job nur bei gleich guter Qualifikation – und das übersehen viele in der Quoten-Debatte“, so Bukowska von der Universität Wien. Die große Frage ist allerdings auch an den Universitäten: Wie kann das System so gestaltet werden, dass alle Geschlechter gleiche Chancen haben, sodass sich sowohl Frauenförderung als auch -quote schlichtweg erübrigen?
Gender Index 2016:
tinyurl.com/y72ax2tl
Udo Seelhofer und Sandra Knopp
Freie JournalistInnen
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 10/17.
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