Natürlich ist es völlig legitim, Gefängniswärter:innen und Elementarpädagog:innen miteinander zu vergleichen. Es ist sogar wichtig, das zu tun, wie Evelyn Regner im Arbeit&Wirtschaft-Podcast erklärt. Regner sitzt für die SPÖ im Europäischen Parlament, ist Vorsitzende des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (FEMM) und seit dieser Woche die erste sozialdemokratische Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments aus Österreich. Und der Vergleich zwischen Menschen, die im Gefängnis Dienst schieben und jenen, die das im Kindergarten tun, ist für ihre Arbeit sogar besonders wichtig.
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit
Der Vergleich schaffte es in Neuseeland nämlich vor Gericht. Kindergärtner:innen hatten geklagt, sie würden zu wenig verdienen, und zum Vergleich dafür Gefängniswärter:innen herangezogen. Die Pädagog:innen argumentierten, dass die objektiven Kriterien der beiden Berufe (Qualifikation, Lärmbelästigung, Arbeitsbedingungen …) in Neuseeland sehr ähnlich seien, während die Einkommenslücke zwischen beiden Berufen hingegen immens sei.
Das Gericht gab den Pädagog:innen Recht und der Staat musste nachzahlen und ihr Gehalt aufbessern. Seitdem werden in Neuseeland Kriterien erarbeitet, mit denen Berufe, die auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben, vergleichbar gemacht werden sollen – wie eben eine Vielzahl von Aspekten der Arbeitsbedingungen oder der Qualifikation. Ziel ist es, gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit zu erreichen.
Und das ist noch ein langer Weg, auch und vor allem in Europa. In der EU liegt der Gender-Pay-Gap im Schnitt bei 15 Prozent. In Österreich sind es fast 20 Prozent, gibt Regner im Gespräch mit Beatrice Frasl an. Doch sei das eben nur eine Zahl. Die Realität dahinter ist noch viel erdrückender: Zum Beispiel, dass aus einem Gender-Pay-Gap ein deutlich größerer Pension-Gap wird, der in Österreich bei rund 30 Prozent liegt und die Gefahr der Altersarmut unter Frauen drastisch erhöht.
Diskriminierung darf nicht mehr normal sein
Das alles sei in unserer Gesellschaft mittlerweile normal und akzeptiert. Gerade deswegen kämpft Regner leidenschaftlich genau dagegen an und stellt ein paar der geplanten und bereits beschlossenen Maßnahmen vor. Zwar gäbe es kein Zaubermittel dagegen, aber Mosaiksteinchen um Mosaiksteinchen ließe sich das Gesamtbild eben doch ändern.
Drei Maßnahmen sind ihr dabei besonders wichtig: der Mindestlohn, die Lohntransparenz und die Abschaffung des Care-Gap. Da 60 Prozent aller Menschen, die nur den Mindestlohn bekommen, Frauen sind, würde dessen Anhebung die Einkommensunterschiede absenken. Lohntransparenz möchte Regner erreichen, indem vor allem große Unternehmen in die Pflicht genommen werden, über die Entwicklung der Löhne bei Männern und Frauen jährlich automatisch zu berichten.
Bei der Care-Arbeit sei es wichtig, dass die Politik brauchbare gesellschaftliche Rahmenbedingungen schafft. So würden Männer und Frauen in Island jeweils sechs Monate mit dem Kind zu Hause bleiben. Diese Zeit sei nicht übertragbar. Das würde die Karenz für das Unternehmen planbarer machen. Zusätzlich seien Männer und Frauen bei Neuanstellungen fortan ein „gleich großes Risiko“ in diesem Bereich.
Die Basis, um alle diese Bereiche für Frauen nachhaltig zum Besseren zu ändern, sei das Gender-Mainstreaming. Es gehe darum, jede Entscheidung aus Sicht von Frauen und Männern gleichermaßen zu betrachten. Es müsse analysiert werden, warum Männer eher einen Kredit kriegen als Frauen. Wer eine Verkehrswende will, müsse mit einkalkulieren, dass Frauen mehr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren als Männer und daraus die richtigen Schlüsse ziehen.
Angriff auf Arbeitsminister Kocher (ÖVP)
Emotional wird Regner – deren Art Politik zu machen stark europäisch geprägt ist –, wenn sie an ihre politische Heimat Österreich denkt. So versperre sich Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) vor allem gegen das Lohntransparenzgesetz: „Ich finde, es ist eine große Schande, dass der österreichische Arbeitsminister dagegen ist. Er will keine verbindlichen Maßnahmen. Ihm ist offensichtlich wurscht, dass Frauen weniger verdienen als Männer. Wenn man auf sein sonstiges Verhalten bei großen Veranstaltungen schaut, hat er nicht gerade besonders viel Respekt vor Frauen und vor der Gleichbehandlung von Frauen und Männern.“
Regner meint damit den Auftritt Kochers bei der Gala „Licht ins Dunkel“ Ende 2021. Der Minister hatte nicht bemerkt, dass die Kameras ihn gerade filmten, als er – das legt das Videomaterial zumindest stark nahe – den Hintern von Karoline Edtstadler (ÖVP) filmte oder fotografierte.
Dazu sprechen Regner und Frasl darüber, wie ein Budget gendergerecht gestaltet werden kann und was Schneeräumen mit Gleichberechtigung zu tun hat. Natürlich sei es anstrengend, die Geschlechterfrage bei jeder einzelnen Entscheidung mitzudenken, sagt Regner. Deswegen würden sich so viele dagegen wehren. Aber das seien nun einmal die Mosaiksteinchen im Gesamtbild.