Vor allem bei Jugendlichen ist die Arbeitslosigkeit in einigen Ländern nach wie vor alarmierend hoch. Beinahe ein Viertel der EU-Bevölkerung ist von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Im Hinblick auf diese soziale Schieflage sehen viele Menschen die EU eher als Teil des Problems und nicht als Teil der Lösung. Somit wäre nun der richtige Zeitpunkt für EU-Initiativen für ein soziales Europa.
20 Grundsätze
In der Tat tut sich etwas: Erstmals seit 20 Jahren fand im November 2017 ein EU-Sozialgipfel statt. Feierlich proklamierten die Staats- und Regierungschefs dort die „Europäische Säule sozialer Rechte“. Doch wie ist diese zu bewerten?
Es handelt sich dabei um einen Katalog von 20 Grundsätzen, die dazu beitragen sollen, dass soziale Rechte in der EU besser umgesetzt werden. Die Erklärung ist symbolisch von großer Bedeutung, auch wenn sie unmittelbar keine Veränderungen bewirkt. Die Grundsätze sind unverbindlich und dienen als „Kompass“ für beschäftigungspolitische und soziale Ergebnisse.
Verschlechterungen
In der EU hat sich der soziale Schutz in den letzten Jahren, vor allem in den Krisenländern, verschlechtert. Leistungen der sozialen Sicherheit sollten so gestaltet sein, dass bei Eintritt eines Risikofalls wie Krankheit, Alter, Berufsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit ein angemessener Lebensstandard und Schutz vor Armut gewährleistet ist. Dies ist heute oftmals nicht (mehr) der Fall. Verbindliche Mindeststandards, die für alle EU-Mitgliedstaaten gelten, wären daher ein erstrebenswertes Ziel.
In den letzten Jahren wurden soziale Anliegen auf EU-Ebene stark zurückgedrängt. Es braucht nun wieder neue Impulse. Bei den Arbeitslosenversicherungssystemen der EU-Mitgliedstaaten könnte angesetzt werden. In der Europäischen Säule sozialer Rechte ist festgeschrieben, dass Arbeitslose ein Recht auf „angemessene Leistungen von angemessener Dauer“ haben. In der Realität existieren beim Schutzniveau der Arbeitslosenversicherung aber große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten.
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Die Systeme der sozialen Sicherheit sind sehr unterschiedlich. Die Einführung von Mindeststandards würde die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Arbeitslosenversicherung nicht antasten. Jeder Mitgliedstaat bestimmt die Grundprinzipien und Einzelheiten der Arbeitslosenversicherung selbst und ist auch für deren Finanzierung zuständig. Mindeststandards würden aber dazu beitragen, dass Länder mit einem geringen sozialen Schutzniveau aufholen.
Über die Arbeitslosenversicherung wird in Österreich immer wieder heftig diskutiert. Oftmals unerwähnt bleibt die Tatsache, dass Verschärfungen für Arbeitslose auch weitreichende Konsequenzen für Beschäftigte haben können. Weniger großzügige Arbeitslosenleistungen mögen den Anreiz bzw. Druck erhöhen, eine Beschäftigung aufzunehmen. Gleichzeitig kann auf diese Weise aber die Herausbildung eines Niedriglohnsektors begünstigt werden und so der Druck auf die ArbeitnehmerInnen insgesamt steigen. Angemessene Arbeitslosenleistungen kommen somit den Beschäftigten insgesamt zugute. Darüber hinaus wirken Arbeitslosenleistungen in Krisenzeiten als automatische Stabilisatoren und federn einen Einbruch im Konsum ab.