Wie genau werden die „grünen“ Beschäftigungseffekte aussehen? Das ist noch recht unklar, denn es mangelt an Grundlegendem: Daten. Zwar gibt es Studien dazu, aber sie sind meist noch abstrakt. Diese Veränderungsprozesse wurden noch nicht konkret und systematisch analysiert, stellt Michael Soder, Referent in der Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien mit den Schwerpunkten grüner Strukturwandel, Industriepolitik, Forschung, Technologie und Innovation, fest. Dabei biete der grüne Wandel „enorme Chancen für Beschäftigung und Wertschöpfung“. Die AK hat im April die vorhandenen Studien in einer Metaanalyse gescreent. Ein Ergebnis ist erfreulich: „Wenn der grüne Strukturwandel politisch begleitet und gestaltet wird, können wir die Beschäftigung sogar steigern. Die Studienlage geht von einer Zunahme um 0,5 bis 2 Prozent der Gesamtbeschäftigung aus.“
Großes Zusatzpotenzial
Auch bei GLOBAL 2000 ist man grundsätzlich optimistisch, sofern genug in klimaschonende Technologien investiert wird. Klima- und Energie-Campaigner Johannes Wahlmüller sagt: „Wir rechnen damit, dass es durch Klimaschutzinvestitionen in sehr vielen Bereichen zu sehr großen Jobeffekten kommen wird.“ GLOBAL 2000 zufolge wären etwa allein für den klimafitten Gebäudebestand bis 2040 Investitionen von 8,4 Milliarden Euro notwendig. Dazu gehören beispielsweise die thermische Sanierung und energietechnische Umrüstungen von Öl- und Gasheizungen auf Photovoltaik. Diese Maßnahmen würden 136.000 Arbeitsplätze schaffen oder sichern, was ein großes zusätzliches Potenzial wäre, denn derzeit sind rund 60.000 Personen in den Bereichen erneuerbare Energien, Bau von Niedrigenergiehäusern und energetische Gebäudesanierung beschäftigt.
Doch trotz des Ziels Klimaneutralität bis 2040 gibt es noch wenig klare politische Vorgaben und konkrete Ziele für Regionen und Branchen. Das Ende von Ölkesseln bis 2035 ist eine der Ausnahmen. Eine „Just Transition“, also ein sozial gerechter Übergang, bei dem Beschäftigte im Strukturwandel unterstützt werden und niemand auf der Strecke bleibt, braucht aber viel mehr als das. Soder: „Es wäre wichtig, dass die Regierung sich eine Gesamtstrategie überlegt, bei der die beschäftigungspolitische und soziale Frage ins Zentrum rückt. Der Staat muss jetzt als wirtschaftspolitischer Stratege auftreten und die Richtung vorgeben. Das ist ein Bruch mit dem Dogma der letzten 30 Jahre, sich nicht in den Markt einzumischen.“ Dafür müssten alle Ministerien zusammenarbeiten, was derzeit nicht passiere. Neben dem Bund müssten zudem die Länder und Gemeinden eingebunden werden. Innerhalb von Betrieben sollten auch Betriebsräte bei der Gestaltung des Wandels mitentscheiden.
Michael Soder nennt vier Felder, die eine Just Transition berücksichtigen müsste. Da ist einmal die steigende Nachfrage etwa nach thermischer Sanierung oder im öffentlichen Verkehr, wo zusätzliche grüne Arbeitsplätze entstehen, die attraktiv sein müssten. Als Nächstes nennt er notwendige Qualifikationen und Weiterbildung, die auch auf betrieblicher Ebene stattfinden müssten, etwa wenn von Verbrennungs- auf E-Motoren umgestellt wird. Das dritte Handlungsfeld sind ganz neue grüne Arbeitsplätze, etwa in den Bereichen Wasserstoff oder Kreislaufwirtschaft, von denen noch kaum bekannt sei, welche Fähigkeiten, Kompetenzen und Qualifikationen gebraucht werden. Schließlich nennt Soder negative Beschäftigungseffekte, wo es Umqualifizierung und Einkommensabsicherung brauche.
Hier ist Vorsicht geboten. Susanne Haslinger verweist auf die Umweltstiftung der Regierung, die mit 17 Millionen Euro rund 1.000 Arbeitslose für Green Jobs fit machen soll: „Das ist praktisch nichts.“ Und es gibt noch einen Haken: „Arbeitsminister Kocher sagt, wir brauchen jetzt lauter Photovoltaik-Monteure, die umgeschult werden sollen. Aber er erwähnt nicht, dass die nachher nur mehr halb so viel verdienen wie in ihren früheren Jobs.“ Ähnliches gilt für die Pflege: „Wenn man jemanden, der vorher mit Maschinen gearbeitet hat, jetzt mit Menschen arbeiten lassen will, zeigt das nur, welch absurdes Verständnis von Arbeitskräften es gibt, die man wie Nummern hin- und herschieben kann.“ Johannes Wahlmüller von GLOBAL 2000 betont, dass Menschen für neue Tätigkeiten begeistert werden müssen. Das ist oft nicht so schwer: Er verweist auf eine Befragung in Großbritannien, bei der 81 Prozent von 1.383 Öl- und Gasarbeiter*innen angaben, sie seien bereit, in einen anderen Sektor zu wechseln.
Die Zeit drängt. Bisher gibt es vor allem regionale Initiativen – ein Beispiel ist die Transformation der Kohleregionen. Werden eine Strategie und klare Ziele nicht rechtzeitig definiert, so Michael Soder, „wird der Wandel eben nicht gestaltet, sondern chaotisch verlaufen. Er wird aber definitiv passieren.“