Geplant ist also eine Umverteilung – im kurzfristigen Interesse der Betriebe und nicht der Jugendlichen. Die Regierung plant eine Abkehr von den Erfolgsmodellen ÜBA und Produktionsschulen hin zur betrieblichen Lehrausbildung (siehe Punkte 1 bis 5). Die ÜBA, die erst aufgrund des Lehrstellenmangels notwendig wurde, abzuschaffen, ohne entsprechende Lehrplätze in Betrieben garantieren zu können, ist aus Sicht der Gewerkschaftsjugend absurd. „Die Wirtschaft beklagt jetzt schon einen Fachkräftemangel, der auf jahrelanges Nicht-Ausbilden zurückgeht. Es wäre jetzt an der Zeit, in die Qualifikation von Menschen zu investieren und nicht auch noch die Plätze für die ÜBA zu streichen. Dadurch wird sich der Fachkräftemangel verschlimmern“, betont Ernszt.
Für Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB, muss gute Arbeitsmarktpolitik vorausschauend sein: „Statt schneller Vermittlung in schlechte Jobs müssen aktive Arbeitsmarktpolitik, Fachkräfteausbildung und Höherqualifizierung im Mittelpunkt stehen, also Investieren in Qualifizierung.“
ÖGJ-Modell für einen Ausbildungsfonds
Die Überbetriebliche Lehrausbildung wäre laut Ernszt erst dann nicht mehr notwendig, wenn die Unternehmen ihrer moralischen Ausbildungspflicht nachkämen. Die Zahl der Ausbildungsbetriebe ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen, in neun Jahren (2007 bis 2016) von 38.132 auf 28.204. Auch eine Ausweitung der betrieblichen Lehrstellenförderung (Blum-Bonus Neu) würde vor allem zu höheren Gewinnen in den Betrieben führen und kaum neue Lehrstellen schaffen. Das Vorhaben, die betriebliche Lehrstellenförderung nicht mehr aus dem Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF), sondern aus AMS-Mitteln zu finanzieren, ist ebenfalls eine Umverteilung zugunsten der Betriebe und zulasten der ArbeitnehmerInnen. Derzeit zahlen Unternehmen rund 150 Millionen Euro in den IEF ein. Eine Finanzierung durch AMS-Mittel bedeutet, dass Arbeitgeber und ArbeitnehmerInnen zu gleichen Teilen die betriebliche Lehrstellenförderung zahlen.
Damit generell wieder mehr Betriebe in Österreich ausbilden, hat die ÖGJ das Modell der Fachkräftemilliarde entwickelt. Die Gewerkschaftsjugend fordert einen Ausbildungsfonds (Fachkräftemilliarde), in den Unternehmen einzahlen, die nicht ausbilden, obwohl sie könnten, und aus dem Betriebe, die qualitativ hochwertig ausbilden, Förderungen erhalten. Der Fonds soll durch ein Prozent der Jahresbruttosumme durch die Unternehmen finanziert werden. Außerdem könnten aus der Fachkräftemilliarde auch die Plätze in der ÜBA finanziert werden.
Ein Sicherheitsnetz
Die ÜBA, die das Herzstück der europaweit nachgeahmten Ausbildungsgarantie ist, richtet sich an Lehrstellensuchende, die keine Lehrstelle in einem Betrieb finden können. Hier werden sie entweder auf eine betriebliche Lehrstelle vorbereitet oder schließen eine Berufsausbildung ab. Dieses Angebot der Berufsausbildung erhöht im Besonderen die Chancen für benachteiligte Jugendliche. Im Jahr 2016 wurden rund 10.000 junge Menschen in einer ÜBA ausgebildet. Die Verweildauer in der ÜBA zu kürzen und die finanziellen Mittel umzuschichten gefährdet die Ausbildung genau dieser Jugendlichen.
„Jeder Euro, der bei der Ausbildung von jungen Menschen zu Fachkräften gespart wird, ist Zukunftsraub“, betont ÖGJ-Vorsitzender Ernszt und fügt hinzu: „Eine solide Ausbildung ist der beste Garant gegen Arbeitslosigkeit. Das sollte auch der Regierung klar sein. Dass jungen Menschen diese Chance genommen werden soll, ist unverständlich.“ Ähnliches ist auch von Arbeiterkammerpräsident Rudi Kaske zu hören: „Wer bei der Ausbildung der Jugend kürzt, spart am falschen Fleck. Der riskiert die Zukunft dieser Menschen und den wirtschaftlichen Erfolg Österreichs.“
Amela Muratovic
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 2/18.
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