Eine derartige Neuausrichtung forderte die AK bereits seit Jahren. Doch statt am Gesetz zum Ausbau der erneuerbaren Energie zu arbeiten, setzte Schwarz-Blau lieber auf Klientelpolitik. Die damalige Bundesministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) ließ ihr Ministerium monatelang an einer gesetzlichen Regelung arbeiten, um eine Sonderförderung von 150 Millionen Euro für 47 alte und oft auch defizitäre Biomasseanlagen auf den Weg zu bringen. In Sachen erneuerbarer Energie hieß es: Bitte warten!
Enormer Ausbaubedarf
Österreich hat mit rund 74 Prozent (2017) den höchsten Anteil an Strom aus erneuerbaren Quellen, gemessen am Gesamtstromverbrauch, innerhalb der EU-Mitgliedstaaten. Der überwiegende Teil der erneuerbaren Stromproduktion entfällt dabei auf die große Wasserkraft, rund 17 Prozent auf geförderten Ökostrom wie Wind, Photovoltaik, Biomasse und kleinere Wasserkraft. Der Rest der Stromproduktion stammt aus Gaskraftwerken, die auch Fernwärme erzeugen und – noch bis 2020 – aus zwei Kohlekraftwerken. Rund ein Zehntel des Stromverbrauchs wird derzeit importiert. Das klingt zunächst einmal nicht schlecht. Doch es besteht keinerlei Anlass, sich zurückzulehnen.
100 Prozent erneuerbarer Strom bedeutet in erster Linie, dass die Importe sowie der steigende Stromverbrauch bis 2030 durch zusätzliche erneuerbare Energieerzeugung in Österreich gedeckt werden müssen.
100 Prozent erneuerbarer Strom bedeutet in erster Linie, dass die Importe sowie der steigende Stromverbrauch bis 2030 durch zusätzliche erneuerbare Energieerzeugung in Österreich gedeckt werden müssen. Der Ausbaubedarf beträgt dabei gegenüber 2017 – je nach Prognose – 21 bis 27 Terawattstunden. Das entspricht der Jahresproduktion von über 20 großen Donaukraftwerken oder mehr als einer Verdoppelung der aktuell geförderten Ökostrommenge. Derzeit bekommen die Ökostromanlagen-Betreiber jährlich etwas mehr als eine Milliarde Euro vergütet. Finanziert werden diese Vergütungen einerseits aus den Verkaufserlösen für Ökostrom, andererseits durch Fördergelder.
Wer zahlt?
Die Finanzierung der Förderungen erfolgt nicht über das Budget, sondern durch alle VerbraucherInnen über die Jahres-Stromrechnung. Private Haushalte und kleine Gewerbebetriebe tragen dabei die Hauptlast, wie man dem Ökostrombericht der staatlichen Regulierungsbehörde E-Control entnehmen kann: Sie zahlen derzeit 2,6 Cent je Kilowattstunde an Ökostromförderung, Großverbraucher wie große Industriebetriebe hingegen nur 0,5 Cent. Die Kosten für einen privaten Haushalt mit durchschnittlichem Verbrauch bewegten sich damit zuletzt zwischen 70 und 120 Euro jährlich.
Mangelnde Transparenz führt zu überhöhten Fördertarifen, und das Festhalten an nicht zukunftsfähigen Technologien, wie Strom aus Biogas, macht das System teuer.
Das aktuelle Förderregime sieht fixe Einspeisetarife vor, also eine gesicherte Abnahme zu einem fixen Preis je produzierter Megawattstunde (MWh) Strom. Dies war anfangs nützlich, um möglichst viele erneuerbare Anlagen möglichst rasch auf den Markt zu bringen. Heute ist es nicht mehr zeitgemäß, sondern ineffizient und teuer. Mangelnde Transparenz führt zu überhöhten Fördertarifen, und das Festhalten an nicht zukunftsfähigen Technologien, wie Strom aus Biogas, macht das System teuer.
Anforderungen
Mit dem angekündigten Gesetz zu erneuerbaren Energien soll der Ausbau beschleunigt und die Integration in das bestehende System verbessert werden. Außerdem muss das Fördersystem an die neuen beihilferechtlichen EU-Regelungen angepasst werden. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei zentrale Umstellungen. Erstens: Ausschreibung statt Einspeisetarif per Verordnung des bzw. der zuständigen MinisterIn. Daraus resultieren oft Tarife mehr nach dem „Daumen mal Pi“-Prinzip als auf Basis von festgestellten Kosten. Stattdessen soll die Höhe der Vergütung durch Ausschreibungen ermittelt werden. Gebote mit den niedrigsten Vergütungen erhalten den Zuschlag. Das soll gewährleisten, dass die Förderungen nicht höher ausfallen als eigentlich erforderlich.
Das aktuelle System setzt falsche Anreize.
Zweitens muss gelten: Marktprämie statt Fixtarif. Die bisherigen Einspeisetarife garantieren Ökostrombetreibern, dass ihnen in einem Zeitraum von 13 bis 15 Jahren jede Kilowattstunde (kWh) Strom zu einem Fixpreis abgenommen wird. Damit werden den EigentümerInnen alle Investitions- und Betriebskosten ebenso abgegolten wie ein angemessener Gewinn. Das Problem dabei: Das aktuelle System setzt falsche Anreize. Denn es lässt sich am meisten Geld verdienen, wenn möglichst viel Strom erzeugt und ins öffentliche Netz eingespeist wird.
Insbesondere Windkraft- und Photovoltaikanlagen speisen sehr unregelmäßig ein – je nach Wetterlage. Die Folge: Stress für das Stromnetz, wenn einer hohen Stromnachfrage keine nennenswerten Einspeisungen gegenüberstehen oder umgekehrt. Außerdem haben Anlagenbetreiber bei fixen Abnahmepreisen keinerlei Anreize, ihre Stromproduktion zu drosseln oder stärker dem Verbrauch anzupassen. Die Folge ist, dass stets konventionelle Kraftwerke als Reserve bereitstehen müssen, um das Stromnetz stabil zu halten oder den fehlenden Bedarf zu decken – damit entstehen Zusatzkosten, die teilweise vermieden werden könnten.
Dieses alte System soll nun durch sogenannte Marktprämien ersetzt werden.
Dieses alte System soll nun durch sogenannte Marktprämien ersetzt werden. Das heißt: Die Anlagenbetreiber sollten selbst für die Vermarktung ihrer Energie verantwortlich sein, sie erhalten aber zusätzlich einen Förderaufschlag in Form von Marktprämien. Damit haben die Anlagenbetreiber einen finanziellen Anreiz, Strom zu produzieren, wenn er auch wirklich gebraucht wird. Somit werden die Betreiber ihre Prognosequalität verbessern und Speicher einsetzen, um ihre Stromeinspeisung ins Netz optimieren zu können. Sie werden aber auch bei der Standort- und Technologiewahl (z. B. durch Schwachwindanlagen) stärker auf die Anforderungen des Systems achten.
Mehr Fördermittel für kleine Anlagen
Bei kleinen Anlagen wird ein Teil der Investitionskosten momentan durch Förderungen abgedeckt. Der vom Klima- und Energiefonds verwaltete Fördertopf ist mit 9 bis 15 Millionen Euro jährlich begrenzt, entsprechend sind die Mittel stets nach wenigen Minuten leergeräumt. Parallel dazu gibt es noch steuerfinanzierte Förderungen einzelner Bundesländer sowie den Fonds für ländliche Entwicklung (ELER). Momentan kommen die Mittel des ELER in erster Linie forst- und landwirtschaftlichen Betrieben zugute. Grundsätzlich braucht es wesentlich mehr Fördermittel aus dem Budget, um mehr Anlagen fördern zu können. Gleichzeitig muss die Klientelpolitik beendet werden. Die Mittel aus dem ELER-Fonds müssen allen Menschen im ländlichen Raum zur Verfügung stehen.
Netz und Speicher unabdingbar
Eine große Herausforderung bleibt das Speichern von elektrischer Energie über einen längeren Zeitraum.
Eine große Herausforderung bleibt das Speichern von elektrischer Energie über einen längeren Zeitraum. Vorstellbar wäre die Herstellung von künstlichem, „grünem“ Gas (Methan aus Biogas und Wasserstoff). Dieses könnte im Sommer produziert werden und im Winter helfen, die Wärmeversorgung sicherzustellen. Derzeit ist die Herstellung von künstlichem Gas weder wirtschaftlich noch technisch ausgereift. Hier muss noch sehr viel Geld in die Forschung investiert werden.
Gerechte Verteilung bitte!
Das Ziel „100 Prozent erneuerbarer Strom bis 2030“ ist sehr ambitioniert und kann nur durch eine grundlegende Neugestaltung des Fördersystems erreicht werden. Gleichzeitig müssen die Kosten für die Umgestaltung unseres Energiesystems gerecht verteilt werden. Denn die Energiewende ist keine technologische Frage, sondern eine soziale Herausforderung. Nur wenn dafür ein breites Verständnis besteht, gibt es eine Chance, die ambitionierten und notwendigen Energie- und Klimaziele zu erreichen.
AK-Studie zu erneuerbaren Energien:
tinyurl.com/y55gwomt
Die Energie-Control GmbH (E-Control):
www.e-control.at
Dorothea Herzele und Josef Thoman
Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 7/19.
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