Ellbogenkampf
Das erste halbe Jahr beschreibt sie als Ellbogenkampf. „Mir war klar, dass ich mich entweder gegenüber meinen männlichen Kollegen behaupte oder draußen bin. Abzubrechen war aber auch für meine Eltern kein Thema.“ Rauecker-Döll lebt sich gut ein, verantwortet ab dem dritten Lehrjahr einen eigenen Posten und ist das erste Lehrmädchen bei Aida, das mit erfolgreichem Abschluss besteht. In ihrer Klasse waren damals 20 Burschen und nur sechs Mädchen. „Heute ist es wohl genau umgekehrt“, so die gebürtige Wienerin.
Als sich Rauecker-Döll an die Lehre zurückerinnert, sitzt sie an ihrem Schreibtisch im Büro im 21. Wiener Gemeindebezirk. Nur wenige Schritte weiter werden unter anderem Punschkrapfen, Sachertorten und Makronen erzeugt, die in die 27 Wiener und zwei Franchise-Filialen geliefert werden. Diese werden von 80 Produktionsmitarbeitern und -Mitarbeiterinnen gefertigt, davon sind nun 60 Prozent Frauen. Diesen Wandel führt die 57-Jährige auf mehrere Faktoren zurück: Da wäre zum einen das im Vergleich zu anderen Branchen geringere Gehalt, zum anderen die Arbeitszeit. Produziert wird zwischen 6 und 14 Uhr. „Man kann sich nachmittags um die Kinder kümmern und hat trotzdem einen Vollzeitjob.“ Inzwischen ist Rauecker-Döll seit mehr als 40 Jahren im Betrieb und seit mehr als fünfzehn Jahren Betriebsrätin.
Das liebe Geld
Zunächst war sie Ersatz, dann Kassiererin, dann Stellvertretende und seit 2011 ist sie Betriebsratsvorsitzende mit einem Team von vier Frauen und einem Mann. Oft geht es um das liebe Geld. Sabine Rauecker-Döll stellt mit ihrer Arbeit sicher, dass Zusagen vonseiten der Geschäftsführung eingehalten werden. Einmal ging es gar vor Gericht, genauer vors Wiener Arbeits- und Sozialgericht. Vor zwei Jahren strich die Geschäftsführung betriebsintern zugesicherte Zulagen. Der Prozess lief von 2016 bis 2017. Das Gericht entschied zugunsten der ArbeitnehmerInnen. Das Geld floss jedoch weiterhin nicht. „Erst nachdem wir mit Betriebsversammlungen zur Hauptproduktionszeit gedroht hatten, kamen wir zu unserem Recht.“
Als Betriebsrätin achtet sie auch darauf, dass gesetzliche Regelungen eingehalten werden: „Ein Lehrling unter 18 darf keine Überstunden machen.“ Abgesehen vom Gerichtsprozess ist Rauecker-Dölls Betriebsratsalltag ruhiger. Als Betriebsrätin braucht sie Hartnäckigkeit, diplomatisches Geschick und Geduld. Für ihre Arbeit ist sie nur teilweise freigestellt, sie arbeitet weiter in der Produktion. Für ihre Kollegenschaft hat sie immer ein offenes Ohr. „Manchmal komme ich mir vor wie die Mama der Nation“, lacht sie. So kümmert sie sich um die Anliegen von dreizehn Integrationslehrlingen aus einem AMS-Projekt. „Mir ist es wichtig, dass man sie wie alle anderen Lehrlinge behandelt und nicht wie Hilfsarbeiter.“