Muttersprachliche Beratung: eine Arbeitswelt, viele Sprachen

(c) ÖGB
Die Mitarbeiter:innen der muttersprachlichen Beratung des ÖGB (ASOARBA) führten in den vergangenen zweieinhalb Jahren über 3.500 Beratungsgespräche in diversen Sprachen durch. Es stand auf der Kippe. Doch nun wird das Projekt nach einigem Zittern um weitere zwei Jahre verlängert.

Ob Arabisch, Türkisch, Kurdisch, Ungarisch, Bulgarisch, Rumänisch oder Russisch, auf dem österreichischen Arbeitsmarkt werden viele unterschiedliche Sprachen gesprochen. Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) bietet seit Längerem in all diesen Sprachen Beratungsgespräche an, um arbeitsrechtliche Aspekte zu erläutern und auch um Lohn- und Sozialdumping bestmöglich einzudämmen. Besonders in Branchen wie dem Bau oder in der Pflege, aber auch im Tourismus oder für Erntehilfskräfte ist eine Beratung in der Muttersprache der jeweiligen Personen von großer Bedeutung.

Denn unter vielen Betrieben gibt es immer wieder schwarze Schafe, die die mangelnden Deutschkenntnisse auszunützen versuchen. Nicht ausbezahlte Löhne und Überstunden oder das absichtliche „Vergessen“, eine Arbeitskraft bei der Sozialversicherung anzumelden, sind durchaus gängige Praxis, um Geld zu sparen. Gerade beim Aufdecken dieses Fehlverhaltens von Unternehmen hat sich die muttersprachliche Beratung für Arbeitnehmer:innen bewährt und konnte immer wieder wertvolle Hilfe leisten.

Gesetzlicher Auftrag

In den vergangenen beiden Jahren standen dem ÖGB für diese Tätigkeit 400.000 Euro zur Verfügung. Im Sommer wurde um die Verlängerung des Projekts gerungen, die muttersprachliche Beratung stand beinahe vor dem Ende. Wieso? „Aufgrund der erhöhten Ausgaben im Rahmen der COVID-Krise“, hieß es auf eine Anfrage von „Wien heute“ noch zu Beginn des Sommers aus dem Büro von Arbeitsminister Kocher (ÖVP), „könne dieses Projekt in diesen Umfang nicht weiter finanziert werden.“

Wir haben gemeinsam mit der Finanzpolizei, mit der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft zig Schwarzunternehmen das Handwerk gelegt. 

Willi Mernyi, Leitender ÖGB-Sekretär

Doch der Druck des ÖGB und von Betriebsrät:innen machte sich bezahlt und die Finanzierung für weitere zwei Jahre ist nun gesichert. „Das drohende Aus war für uns eine Katastrophe“, sagt der Leitende Sekretär im ÖGB, Willi Mernyi. „Wir haben dreieinhalbtausend Menschen beraten und ihnen geholfen. Wir haben gemeinsam mit der Finanzpolizei, mit der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft zig Schwarzunternehmen das Handwerk gelegt.“

Der ÖGB forderte seine Mitglieder in dieser dringlichen Lage dazu auf, Briefe und E-Mails an den zuständigen Minister zu schicken. Daraufhin wurden Hunderte Mails, Briefe und Videos an das Arbeitsministerium gesandt, mit der Forderung, dieses Projekt nicht einzustellen, sondern weiter zu finanzieren. Und diese Unterstützung hat gewirkt. Das Arbeitsministerium beschloss die weitere Finanzierung des Beratungsprogramms. Und auch das Sozialministerium ist nun mit an Bord. „Bundesminister Mückstein hat gesagt: Das ist ein wirklich tolles Projekt. Er wird es jetzt auch finanziell unterstützen“, so Mernyi.

Auch Beraterin Radu Plămădeală, die Beratungen auf Rumänisch durchführt, ist sichtlich erleichtert, dass es weitergeht: „Es freut mich enorm, dass die muttersprachliche Beratung auf gewerkschaftlicher Ebene weitergeführt wird. Damit können wir Tausenden ausländischen Arbeitnehmer:innen, die auf dem österreichischen Arbeitsmarkt dringend Hilfe brauchen, weiter unter die Arme greifen. Sie haben von der Rechtslage in Österreich keine Ahnung, und wir dürfen diese Ratsuchenden nicht im Stich lassen.“

Mit der muttersprachlichen Beratung können wir Tausenden ausländischen Arbeitnehmer:innen, die auf dem österreichischen Arbeitsmarkt dringend Hilfe brauchen, weiter unter die Arme greifen.

Radu Plămădeală, Beraterin

Die muttersprachliche Beratung des ÖGB war auch maßgeblich an der Aufdeckung des Skandals rund um „Hygiene Austria“ beteiligt. C) ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com

Der Skandal „Hygiene Austria“

Dass die Summe von 400.000 Euro für zwei Jahre gut investiertes Geld ist, zeigen Beispiele aus der Vergangenheit. Beispielsweise der Skandal um „Hygiene Austria“ und die chinesischen Masken, die das Unternehmen umetikettierte und als österreichische FFP2-Masken verkauft hatte. Arbeitnehmer:innen sollen falsch oder gar nicht angemeldet gewesen sein. Teile der Belegschaft wendeten sich an die muttersprachliche Beratungsstelle, und so wurde der Betrug aufgedeckt.

Doch nicht nur auf große Skandale war das Projekt gestoßen. So hat ASOARBA auch den Fall zweier bulgarischer Saisonarbeiterinnen übernommen. Die beiden Frauen waren als Zimmermädchen in einem Tiroler Hotel angestellt. Bis Corona kam – und sie gekündigt wurden. Der Hotelier zahlte ihnen allerdings die 2.000 Euro, die er ihnen noch schuldete, nicht aus. Der Fall befindet sich nun vor Gericht, den Rechtsschutz der Frauen hat die Arbeiterkammer übernommen.

In wenigen Monaten starten die ersten österreichischen Skigebiete in die neue Wintersaison. Speziell in der dortigen Gastronomie und Hotellerie wird dann wieder verstärkt auf Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa, aus Tschechien, der Slowakei und Ungarn gesetzt. Daher ist die Fortsetzung der muttersprachlichen Beratung ein gutes Zeichen. „Ihr habt es ermöglicht, dass wir nicht nur darüber reden, den Sozialbetrug zu bekämpfen, sondern dass wir ihn wirklich bekämpfen können. Vielen, vielen Dank für euer Engagement“, meint ein sichtlich erfreuter Willi Mernyi in Richtung der Unterstützer:innen, die einen wichtigen Beitrag leisteten, damit das Projekt der muttersprachlichen Beratung in die Verlängerung gehen kann.

Über den/die Autor:in

Stefan Mayer

Stefan Mayer arbeitete viele Jahre in der Privatwirtschaft, ehe er mit Anfang 30 Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren begann. Er schreibt für unterschiedliche Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sport.

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