Ich wage zu behaupten, dass gelegentlich Journalisten und Journalistinnen selbst nicht wissen, wem ihre Medien gehören.
Daniela Kraus, Generalsekretärin des Presseclub Concordia
Speziell im Bereich der Printmedien dominieren vor allem der Raiffeisen-Konzern („Kurier“, „Niederösterreichische Nachrichten“ und Regionalmedien wie die Bezirksblätter u. a.), die Signa-Immobilien-Holding von René Benko („Kronen Zeitung“ mit der österreichweit größten Reichweite), die Katholische Kirche („Presse“, „Kleine Zeitung“ und Regionalmedien) und einige Familien (Dichand, Fellner, Bronner sowie in Westösterreich die Familien Dasch, Moser und Russ), was Herr und Frau ÖsterreicherIn täglich lesen.
Die mangelnde Reflexion über die Besitzverhältnisse gerade auch unter JournalistInnen führt Daniela Kraus etwa auf die Getriebenheit durch die Tagesaktualität zurück. „Dass es jeden Tag so viel Neues gibt und die Notwendigkeit, sich permanent auseinanderzusetzen mit dem, was passiert.“ Die Situation werde natürlich nicht besser, wenn die Ressourcen knapper werden. „Alle Probleme treten in den Hintergrund, wenn man sich anschaut, wie viel Werbevolumen Google, Facebook & Co. absaugen“, so Kraus. „Das hat auch enorme Auswirkungen auf die Ressourcenausstattung der Redaktionen.“
Verdeckte Finanzierung
Die zweite große Frage sind öffentliche Anzeigen in Verbindung mit Medienförderungen. Dem Vernehmen nach befinden sich manche Medien am Rand ihrer Existenz, nachdem die gescheiterte ÖVP-FPÖ-Regierung ihr übermäßiges Anzeigenvolumen stornierte. Etwa 200 Millionen Euro an Werbevolumen der öffentlichen Hand stehen einer echten Presseförderung von nicht einmal zehn Millionen Euro gegenüber. Diese verdeckte Finanzierung durch öffentliche Gelder müsse an Qualitätsstandards gebunden werden, „zumindest in Verbindung mit einer Mitgliedschaft im Presserat“, fordert Kraus.
Die Frage der Qualität sei auch für die Wirtschaft essenziell. Wenn sie sich Ethik und Corporate Social Responsibility (CSR) auf die Fahnen heftet, müsse sie auch hinterfragen, in welchem journalistischen Umfeld sie Inserate schalte. Es gibt viele Unschärfen in der Debatte, was überhaupt Journalismus ist – im Unterschied zu anderen Erscheinungsformen, die an Bedeutung gewinnen. Zu beobachten ist etwa die Zunahme von Propagandamedien. Ein Beispiel dafür ist das mittlerweile eingestellte Magazin „Alles Roger“, in dem die Polizei unter FPÖ-Innenminister Herbert Kickl Anzeigen schaltete. Auf der anderen Seite nimmt Corporate Publishing zu, also Unternehmensmedien, Parteikommunikation oder Werbung. „Da hat die Branche selbst viel versäumt. Das gehört diskutiert, diese Unterschiede müssen dem Publikum klargemacht und dann auch eingehalten werden“, so Kraus.
Massive Aufstockung
Mit dem Aufkommen von Online-Medien hat sich der Werbemarkt verändert, wie der Vorsitzende der JournalistInnengewerkschaft, Eike Kullmann, beobachtet – und die Budgets sind insgesamt nicht größer geworden: „Mit der Abwanderung von Werbeeinnahmen in den Online-Bereich können Medien nie das verdienen, was sie im Print-Bereich verlieren.“ Er plädiert für eine Aufstockung der staatlichen Pressefördermittel auf das ungefähr Fünffache sowie eine jährliche Inflationsanpassung. In Österreich datiert das System der Presseförderung (für Print und Rundfunk) aus den 1970er-Jahren, einer Zeit, lange bevor das Internet in die Redaktionen Einzug hielt. Seither hat wohl jede Bundesregierung an den Finanzierungsschrauben der Medien gedreht. Der häufigste Vorwurf lautet jedoch, dass „Hofberichterstattung“ gefördert werde. Eine „Post-Reform“ – sprich: die Verschärfung der Versandbedingungen – Anfang der 2000er-Jahre unter Schwarz-Blau I verschlimmerte die finanzielle Lage etlicher Printmedien zusätzlich.
Geringe Meinungsvielfalt
Die ökonomischen Schwierigkeiten auf Österreichs ohnehin kleinem Medienmarkt verschärfe die geringe Meinungsvielfalt, betont Gewerkschafter Kullmann. Eine deutliche Anhebung der Presseförderung würde freilich nicht alle Probleme lösen. Diese müsse zusätzlich an eine Mindestanzahl von Beschäftigten und arbeitsrechtliche Mindeststandards, also entsprechende Kollektivverträge (KV), geknüpft sein. Nur dadurch können auch Qualitätsstandards garantiert werden.
Bei der tarifvertraglichen Absicherung ist es in den vergangenen Jahren gelungen, neben dem ORF und dem Print-Bereich auch Online-JournalistInnen tarifvertraglich abzusichern. Regionalmedien sowie Privatradios und -fernsehen allerdings sind noch nicht KV-mäßig abgedeckt. „Hier gibt es eine extreme Schere“, meint Eike Kullmann.
Eine solche Schere stellt die Gewerkschaft auch immer wieder im Verhältnis der freiberuflichen gegenüber den angestellten JournalistInnen fest. Ein Hauptgrund ist, dass die gemeinsam mit dem Herausgeberverband (VÖZ) ausverhandelten Mindesttarifsätze von einzelnen Redaktionen schlicht und einfach missachtet und die Beiträge freier JournalistInnen billiger zugekauft werden. Prekärer und schwieriger geworden sind mittlerweile aber auch die Arbeitsbedingungen der fix angestellten RedakteurInnen. Weil, kurz gesagt, immer weniger Personal in den Redaktionen immer mehr Arbeitsdruck bewältigen soll. Dass diesbezüglich früher alles besser war, wäre jedoch ein verklärender Blick, so Kullmann.
Durch die Reduktion der Arbeitsplätze und die Digitalisierung ist Journalismus mittlerweile „ein Wahnsinnsjob“ geworden.
Daniela Kraus, Presseclub Concordia
Durch die Reduktion der Arbeitsplätze und die Digitalisierung ist Journalismus mittlerweile „ein Wahnsinnsjob“ geworden, findet Daniela Kraus vom Presseclub Concordia. „Die verbliebenen JournalistInnen stehen unter einem viel größeren Konkurrenzdruck durch das Internet – und weil das Publikum kritischer geworden ist.“ Andererseits sei so auch die Qualität des Journalismus in den Qualitätsmedien in den letzten 20, 30 Jahren gestiegen. Die technologischen Neuerungen führen mitunter zu „Hyperaktionismus“, beobachtet Kraus. „Eigentlich wäre zu entscheiden, auf welchen Zug eine Redaktion nicht aufspringt und ob sie nicht besser Podcasts oder Social Media wie Instagram und TikTok auslässt“, so Kraus. Auf der anderen Seite: „So viel Investigativjournalismus wie jetzt haben wir noch nie gehabt.“ Man traue sich eher, kritisch zu hinterfragen und Transparenz einzufordern. Und das, obwohl der Aufdeckerjournalismus von Leaks abhängig ist und es in Österreich ein Amtsgeheimnis gibt, aber kein Informationsfreiheitsgesetz – welches die Generalsekretärin des Presseclub Concordia dringend einfordert.
Wie sich Österreichs Journalismus im vergangenen Jahrzehnt entwickelt hat, untersucht seit zwei Jahren ein Forschungsprojekt von Medienhaus Wien und Österreichischer Akademie der Wissenschaften. „Wir sehen deutlich steigende individuelle Qualität von JournalistInnen mit immer mehr Bildung und crossmedialen Skills bei gleichzeitig sehr deutlich schrumpfenden Redaktionen und immer größerem Produktionsdruck“, bestätigt Andy Kaltenbrunner, Leiter des Forschungsteams. Im Jänner 2020 werden in einem großen österreichischen „Journalismus-Report“ die zuletzt 2007 erhobenen Daten zur Lage der Branche aktualisiert. Soziodemografische Daten von mehreren tausend JournalistInnen wurden gesammelt und ausgewertet. 500 JournalistInnen aus allen Medientypen und Bundesländern wurden zudem persönlich zu ihrem beruflichen Selbstverständnis, zu Werthaltungen und Arbeitsalltag interviewt. „Unter den Bedingungen von Digitalisierung und Globalisierung sind die Verwerfungen und Brüche in Österreichs Journalismus sehr groß“, so die AutorInnen.
Heike Hausensteiner
Freie Journalistin
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 10/19.
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