Zu Beginn der 2010er-Jahre, als ich die Abendschule besuchte, um meine Matura nachzuholen, arbeitete ich mehrere Jahre in einer österreichischen Filiale einer großen deutschen Baumarktkette im Verkauf in der Elektroabteilung. Vom Elektro-Installationsmaterial über Wohnzimmerleuchten bis zu mobilen Klimageräten gab es da so ziemlich alles, was sich Baumarktbesucher*innen von einer solchen Abteilung erwarten. Bereits im Spätwinter begann die Vorbereitung auf die kommende Gartensaison und wir bekamen von der österreichischen Zentrale massenhaft Lieferungen von Solarleuchten. Wir im Verkauf platzierten diese Leuchten gut sichtbar im Eingangsbereich der Filiale, denn wir wussten, spätestens mit den ersten warmen Sonnenstrahlen würden sie von Gartenbesitzer*innen in großer Zahl gekauft werden. Und wir wussten auch, dass wir viele der Solarleuchten wohl sehr schnell wieder zurückbekommen würden, besonders die aller billigsten. Denn bei rund der Hälfte der gelieferten Ware funktionierten die Akkus bald nicht mehr. Oder haben vielleicht nie funktioniert. Die günstigsten Modelle kosteten ein oder zwei Euro.
„Bitte umtauschen!“
In den folgenden Monaten kamen dann tatsächlich Hunderte dieser kaputten Plastikteile zum Umtausch zurück, doch für uns gab es keine Möglichkeit, diese Lampen zu retournieren, da das Unternehmen, das sie herstellte, sie nicht zurücknahm. Die Einkaufsabteilung der Baumarktkette kaufte die Solarleuchten nämlich – wie viele andere Produkte auch – zentral zu Zehntausenden für alle Filialen in Europa ein, zu extrem günstigen Preisen bei chinesischen Erzeugern, die wohl selbst wussten, dass ein erheblicher Teil ihrer Lieferung komplette Ausschussware war. Man bekam dafür standardmäßig eine Gutschrift aus China über einen gewissen Anteil der Gesamtmenge und blieb auf den Plastikteilen sitzen. Tagtäglich warfen wir zig Stück in unseren großen Elektroschrottcontainer und weg waren sie. Zumindest aus unserem Sichtfeld. Wo sie letztlich landeten, entzog sich unserer Kenntnis. Wie im geschilderten Fall nehmen es viele Unternehmen mit der Nachhaltigkeit nicht so ernst. Auch wenn so manche nach außen hin gerne ein grünes Image präsentieren wollen. Plastik benötigt übrigens bis zu 450 Jahre, bis es vollständig abgebaut ist.
360 Millionen Tonnen Kunststoff
In Österreich fallen jedes Jahr 62 Millionen Tonnen Abfall an. Jede Österreicherin und jeder Österreicher verursachen jährlich im Schnitt 588 Kilogramm Siedlungsabfall, also Abfall aus privaten Haushalten oder vergleichbaren Einrichtungen, wie zum Beispiel Schulen, Kindergärten, Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern. Österreich ist hier ein Negativbeispiel in der Europäischen Union. Das EU-Statistikamt Eurostat legte vergangenen Februar aktuelle Zahlen vor: Im Schnitt sind es 502 Kilogramm Müll pro Kopf, die die EU-Bürger*innen jährlich an Hausmüll produzieren. Was Elektroschrott betrifft, produziert Österreich 83.000 Tonnen Jahr für Jahr. Und als würden die Österreicher*innen nicht schon ausreichend Müll verursachen, importiert man hierzulande jährlich zusätzliche 240.000 Tonnen Plastikmüll aus dem Ausland. Der aus Deutschland, Polen, Slowenien oder auch aus Übersee stammende Müll wird laut Greenpeace großteils verbrannt und ein deutlich kleinerer Teil recycelt, beispielsweise für PET-Flaschen. „Die global produzierte Kunststoffmenge ist in den letzten 70 Jahren stark gestiegen – auf etwa 360 Millionen Tonnen 2018. Damit hat sie sich seit 1976 versiebenfacht“, sagt Werner Hochreiter von der AK Wien, der sich in der Abteilung Umwelt & Verkehr mit solchen Themen auseinandersetzt. Die Recyclingquote von Plastikmüll ist in Österreich außerdem zu gering, wie Lena Steger von Global 2000 gegenüber Arbeit & Wirtschaft bestätigt. Steger ist Campaignerin im Bereich Plastik und Ressourcen. „Obwohl wir eigentlich ein gut funktionierendes Abfallwirtschaftssystem haben, hinken wir bei Plastik noch sehr weit hinten nach und sind deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Wir recyceln derzeit 26 Prozent der Kunststoffverpackungen. Aufgrund des EU-Kreislaufwirtschaftspakets müssen wir diese Menge in nur mehr vier Jahren verdoppeln – auf 50 Prozent bis 2025.“
Die global produzierte Kunststoffmenge ist in den letzten 70 Jahren stark gestiegen – auf etwa 360 Millionen Tonnen 2018. Damit hat sie sich seit 1976 versiebenfacht.
Werner Hochreiter, AK Wien Abteilung Umwelt & Verkehr
Der Lebensmittelhandel als Bremser
Das Problem liegt also nicht zwingend bei den „unwilligen“ Österreicher*innen, sondern vielmehr bei den Möglichkeiten, die uns zur Verfügung gestellt werden. „Ohne verbindliche Regulierungen lässt sich bei Kunststoffen nichts bewegen. Nicht von ungefähr stehen Kunststoffe ganz oben auf der politischen Agenda, wenn es um mehr Kreislauforientierung in Produktion und Konsum geht“, sagt Hochreiter. Die Kunststoffwirtschaft sträubt sich allerdings dagegen, zum Beispiel gegen die Einführung eines Pflichtpfands auf Einwegkunststoffflaschen in Österreich. Doch prinzipiell wäre durch die Single-Use-Plastics Directive (SUP-Richtlinie) in der Europäischen Union ein solches Pfand gefordert. Die Richtlinie sieht außerdem vor, dass mindestens 30 Prozent der PET-Getränkeflaschen aus Recyclat bestehen müssen, also wiederverwertetem Plastik. „Der Lebensmittelhandel setzt in Österreich bei der Umsetzung der SUP-Richtlinie aber auf maximale Verzögerung und Verhinderung“, sagt Hochreiter. Die Konzerne müssten für eine höhere Recyclingquote natürlich mehr Kosten auf sich nehmen, und die Gewinne würden etwas niedriger ausfallen. Der Umweltaspekt scheint die Unternehmen nicht sonderlich zu interessieren.
Wir recyceln derzeit 26 Prozent der Kunststoffverpackungen. Aufgrund des EU-Kreislaufwirtschaftspakets müssen wir diese Menge in nur mehr vier Jahren verdoppeln – auf 50 Prozent bis 2025.
Werner Hochreiter, AK Wien Abteilung Umwelt & Verkehr
Es geht zwar nicht ohne die Konzerne, doch auch die Konsument*innen können etwas zur Abfallvermeidung beitragen, meint Steger. „Es gibt eine Menge Möglichkeiten, wie man im privaten Bereich Plastikmüll reduzieren kann: Zum Beispiel kann man auf dem Markt einkaufen oder eine Gemüsekiste bestellen. Dies hat zusätzlich eine positive Auswirkung auf die regionale (Bio-) Landwirtschaft und fördert kurze Transportwege. Die regionale Wirtschaft wird belebt, und es wird kaum Verpackung benötigt.“
Kaputt ist nicht gleich kaputt
Ein weiteres Problemfeld stellt Elektroschrott dar, oder was fälschlicherweise als Elektroschrott bezeichnet wird. Denn viele Geräte sind oftmals nicht so kaputt, wie man annimmt: Eine Reparatur käme oft günstiger und wäre aus Umweltschutzgründen deutlich sinnvoller, als sich ein neues Produkt zuzulegen. Sabine Seidl von der UMWELTBERATUNG beklagt: „Leider leben hierzulande viele Gegenstände Geräte nicht so lange, wie es mit dem vorhandenen Reparatur-Know-how eigentlich möglich wäre.“
Leider leben hierzulande viele Gegenstände Geräte nicht so lange, wie es mit dem vorhandenen Reparatur-Know-how eigentlich möglich wäre.
Sabine Seidl, UMWELTBERATUNG
Die UMWELTBERATUNG koordiniert in Wien seit 1999 das Reparaturnetzwerk, das Abfallvermeidung, Verlängerung der Produktnutzungsdauer, Ressourcenschonung, sowie die Erhaltung und Schaffung von Reparatur-Arbeitsplätzen zum Ziel hat. Mittlerweile arbeitet man mit mehr als 100 Betrieben zusammen. Eine Umfrage der AK Wien im Jahr 2015 ergab, dass Küchenherde im Schnitt 10,8 Jahre in Benutzung sind. Handys werden durchschnittlich 2,7 Jahre genutzt. Zu kurz, wie man beim Reparaturnetzwerk meint. „Reparieren lohnt sich für Umwelt und Geldbörse“, betont Seidl und verweist auf eine Studie des französischen Umweltministeriums. Anhand von elf unterschiedlichen Elektronik- und Haushaltsgeräten wurde festgestellt, dass eine Reparatur im Schadensfall finanziell günstiger ist als der Kauf eines neuen Produkts. „In Summe kann sich jeder Haushalt in zehn Jahren bis zu 2.000 Euro sparen“, so Seidl. Reparieren lohnt sich doppelt: Man spart Geld und schont die Umwelt.