Nach Kritik an ÖGK von Landeshauptmann Doskozil: Obmann im Interview
Huss sprach mit Arbeit&Wirtschaft und analysierte die Pläne von Doskozil. Der sieht bei der ÖGK strukturelle Probleme. Er möchte die Aufgaben zukünftig lieber aus Steuern denn aus der Sozialversicherung finanzieren. So würde die ÖGK allerdings zum Spielball der Politik, antwortet Huss. Die Gesundheitskasse soll für die Arbeitnehmer:innen da sein. Würden Parteien entscheiden, wäre die Mitsprache minimiert und die Leistungen wären von den Agenden der Politiker:innen abhängig. Von den Problemen des stark steigenden Föderalismus ganz abgesehen.
Zudem handelt es sich bei Leistungen aus der Sozialversicherung um garantierte Versicherungsleistungen. Würden diese aus Steuermittel finanziert, hätten die Versicherten keinen Rechtsanspruch mehr darauf. In vielen Ländern, in denen das Gesundheitssystem mit Steuermitteln finanziert wird, sind die Kosten außerdem höher. Im Interview erklärt Andreas Huss, was er von der Idee Doskozils zur ÖGK hält und welche besseren Lösungen es im Sozialstaat für bestehende Probleme gibt.
Interview mit Andreas Huss zu den ÖGK-Vorwürfen von Doskozil
Landeshauptmann Hans Peter Doskozil stellte öffentlich die Frage, warum wir eine Gesundheitskasse brauchen. Wie sind denn international die Erfahrungen?
Die Diskussion, ob staatliche Gesundheitssysteme oder Sozialversicherungssysteme besser sind, kann man natürlich gerne und immer mit Leidenschaft führen. In Dänemark oder Finnland gibt es rein steuerfinanzierte Gesundheitssysteme, die sehr stark gesteuert sind, aber auch gut funktionieren. Großbritannien beweist andererseits, dass solche Systeme, wenn sie von den jeweiligen politischen Akteuren abhängig sind, oft ein massives Finanzierungsproblem haben können. GB leidet seit Jahren unter einer chronischen Unterfinanzierung der Gesundheitsversorgung, weil die Regierung keinen Wert auf eine gute und niederschwellige Versorgung legt.
Ist das denn bei einem Sozialversicherungssystem anders?
Sozialversicherungssysteme sind insofern stabiler als die Beiträge der Zahler zweckgebunden sind und nicht anderweitig verwendet werden können. Das System ist gegenüber Regierungswechseln und anderen politischen Prioritäten von Regierungen weitaus weniger anfällig. Zudem entscheidet in der Selbstverwaltung nicht der Staat über die Verwendung der Mittel, sondern die Eigentümer selbst, also die Versicherten, was derzeit in Österreich leider nicht mehr ganz stimmt.
Wieso das?
Das Sozialversicherungs-Organisationsgesetz der schwarz-blauen Regierung hat mit der Kassenfusion auch eine Mehrheits- und Einflussverschiebung von den Versicherten zu den Arbeitgebern, also dem ÖVP Wirtschaftsbund, gebracht, die selbst gar nicht in der ÖGK Versichert sind. Außerdem wurden dem System jährlich 111 Mio. Euro entzogen. Geld, das uns jetzt für die Versorgung fehlt.
Wie würden Sie den aktuellen Vorstoß von Hans Peter Doskozil bewerten?
Was Landeshauptmann Doskozil für das Burgenland fordert, ist weder das eine noch das andere. Er möchte die Gesundheitsversorgung komplett ver-ländern und damit in Österreich neun unterschiedliche Gesundheitssysteme schaffen. Was er dabei übersieht ist, dass gerade das Burgenland, wie auch Wien oder Kärnten, von einer einheitlich ÖGK am meisten profitiert, weil die Beitragseinnahmen beziehungsweise die Leistungsausgaben in diesen Ländern am ungünstigsten sind. Eine reine Finanzierung nach Beitragszahlern im Land würde gerade die Versorgung im Burgenland massiv schwächen. Das wissen wir, weil wir in den alten Kassen gerade diese Länder über die sogenannten Ausgleichsfonds am meisten stützen mussten.
Könnte die Forderung von Doskozil mit der jüngsten ÖGK-Reform zusammenhängen?
Der Vorschlag würde einen massiven Rückschritt in der Leistungsharmonisierung bringen. Wir haben in der ÖGK in den letzten Jahren Leistungen in allen therapeutischen Bereichen, bei den Heilbehelfen, den Hilfsmittel und im Bereich der Satzung einheitlich auf das jeweils höchste Niveau angehoben. So hat gerade das Burgenland vom massiven Ausbau der Psychotherapie und der Physiotherapie sehr profitiert. Wenn die Versorgung jetzt wieder ver-ländert würde, würden andere Bundesländer mit besserer finanzieller Ausstattung hier wieder davonziehen. Das Burgenland und die Menschen dort wären mit Sicherheit die großen Verlierer.
An der Reform gab es aber auch laute Kritik.
Es spricht sehr viel für eine Sozialversicherungslösung in der Krankenversorgung. Das derzeitige System und der Umbau zur ÖGK ist sicher noch nicht das Gelbe vom Ei. Wir brauchen auch in der ÖGK mehr regionale Entscheidungsmöglichkeiten und Ressourcen, über die in den Regionen entschieden werden kann. Landeshauptmann Doskozils Vorschlag bedeutet aber sicher keine Verbesserung. Sondern nur, dass die Länder eigenständig über die Krankenversicherungsbeiträge entscheiden könnten. Manche Landeshauptleute würden die Mittel vielleicht auch zweckgewidmet verwenden, andere würden damit dann Budgetlöcher aus anderen Bereichen stopfen.
Gibt es eine bessere Lösung?
Viel sinnvoller, als über das ohnehin nicht üppig vorhandene Geld zu streiten, wäre es doch, dass Länder und ÖGK gemeinsam für eine einheitliche und gute Versorgung in allen Bundesländern kämpfen. Das funktioniert nicht, indem man einander ausrichtet, unfähig zu sein. Für das Funktionieren des Gesundheitssystems brauchen wir in den Ländern und der ÖGK Menschen, die engagiert die Versorgung organisieren wollen und nicht Revierkämpfe oder gegenseitiges Erklären der Nichtzuständigkeit.