Dinah Djalinous-Glatz: „Alle Menschen sollten die gleichen Chancen haben“

Portrait Dinah Djalinous-Glatz im Interview über Gleichstellung und Diskrimnierung.
Dinah Djalinous-Glatz kämpft für Gleichheit und eine gerechte Gesellschaft: Die Referatsleiterin für Sozialversicherungspolitik im ÖGB sitzt im zweiten Senat der Gleichbehandlungskommission. | © Markus Zahradnik
Diskriminierung in der Arbeitswelt passiert tagtäglich. Und ob fremdenfeindliche Beschimpfung oder Benachteiligung von Frauen in Führungspositionen: Solche Fälle können vor der Gleichbehandlungskommission landen – und vielleicht in den Händen von Dinah Djalinous-Glatz.
Dinah Djalinous-Glatz hat schon viele Formen von Diskriminierung gesehen. Sie arbeitet im Referat für Sozialversicherungspolitik im ÖGB und ist als Laienrichterin am Arbeits- und Sozialgericht tätig. Außerdem sitzt sie im zweiten Senat der Gleichbehandlungskommission, die sich mit Fällen von Diskriminierung am Arbeitsplatz auseinandersetzt. Im Interview mit Arbeit&Wirtschaft spricht sie davon, wie schnell geschmacklose Witze zu Zerwürfnissen führen können, wie sich Opfer am besten gegen Benachteiligungen wehren und wie Betriebsratsmitglieder sie dabei unterstützen können.

Arbeit&Wirtschaft: Frau Djalinous-Glatz, Sie haben in Ihren Funktionen schon sehr viele Diskriminierungsopfer und Täter:innen kennengelernt. Welche Möglichkeiten haben Menschen, die am Arbeitsplatz diskriminiert werden, sich zur Wehr zu setzen?

Dinah Djalinous-Glatz: Wenn ein Mensch in seiner Arbeit in Österreich aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, des Alters, der sexuellen Orientierung, der Religion oder der Weltanschauung diskriminiert wird, kann er auf Basis des Gleichbehandlungsgesetzes dagegen vorgehen. Man kann sich an die Gleichbehandlungskommission wenden oder direkt vor Gericht gehen. In der Praxis ist es oft so, dass das Dienstverhältnis schon beendet ist, wenn Menschen rechtlich etwas gegen die Diskriminierung unternehmen. Besser ist es, wenn dies schon vor Ende des Dienstverhältnisses geschieht, damit die oder der Betroffene den Job behält.

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Es kann die eigene Situation aber auch verschlechtern, wenn man Kolleg:innen oder Vorgesetzte offiziell der Diskriminierung beschuldigt.

Das stimmt, aber auch hier ist man geschützt: Man darf nicht diskriminiert werden, weil man eine Klage eingebracht oder einen Antrag bei der Kommission gestellt hat – was aber der Fall wäre, wenn ich zum Beispiel gekündigt würde. Trotzdem ist es nachvollziehbar, dass Leute in einem aufrechten Dienstverhältnis eher ungern zur Kommission oder vor Gericht gehen. Hier ist eine zentrale Rolle des Betriebsrats, zu unterstützen und ein Arbeitsklima herzustellen, das frei von Diskriminierung ist. Er kann maßgeblich dazu beitragen, dass sich Leute wieder wohlfühlen.

Wie kann er das erreichen?

Indem Betriebsratsmitglieder mit Betroffenen reden und versuchen, die Situation wieder zu beruhigen. Es gab einen Fall, wo sich Arbeitnehmer:innen von Kolleg:innen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft verbal belästigt fühlten. Der Betriebsrat hat zu ihnen gesagt: „Eure Kommentare verletzen die anderen, hört auf damit.“ Schlimmstenfalls könnte das vor Gericht die Täter:innen mindestens 1.000 Euro kosten. Gleichzeitig ist nicht jede Meldung gleich böse gemeint. Einmal hat ein Arbeitnehmer lautstark im Büro gesagt, er habe in der Zeitung gelesen, alle Bulgar:innen seien Geldwäscher:innen. Die Mutter eines seiner Kollegen war aber Bulgarin, und dieser fühlte sich persönlich angegriffen – dabei wusste sein Kollege vielleicht nichts von seiner Abstammung. So können auch Unstimmigkeiten entstehen.

Es ist nicht ganz eindeutig, wann Diskriminierung beginnt bzw. die Grenze zwischen „schlechten Witzen“ und Feindseligkeit verschwimmt. Wann sollte man als Betroffene:r aktiv werden?

Ich kann mich an einen Fall erinnern, da kam eine Frau in die Beratung der Arbeiterkammer, weil ihr Dienstverhältnis beendet wurde und noch Urlaubstage ausständig waren. Im Zuge des Beratungsgesprächs hat sie dann nebenbei erzählt, dass ihr Kollege Meldungen von sich gegeben hat, von wegen seine Frau sei gerade auf Urlaub, da solle sie doch mal bei ihm zu Hause vorbeikommen, um Sex zu haben. Das war eine verbale, sexuelle Belästigung der Frau. Ihr war aber zuerst nicht bewusst, dass man dagegen arbeitsrechtlich vorgehen kann. Der Punkt ist auf jeden Fall erreicht, wenn es einen tatsächlich persönlich stört oder verletzend wird. Dann sollte man zuerst zum Betriebsrat gehen. Dieser kann sich bei Fragen auch immer an die betreffende Gewerkschaft wenden, die ist die erste Anlaufstelle. Es ist immer besser, Spannungen zu beseitigen, bevor die Situation eskaliert.

Es ist eine zentrale Rolle des Betriebsrats,
zu unterstützen und ein Arbeitsklima
herzustellen, das frei von Diskriminierung ist. 

Dinah Djalinous-Glatz,
ÖGB-Referatsleiterin

Worauf sollten Betroffene achten, wenn sie eine Diskriminierung zur Kommission tragen wollen?

Ich würde mir auf jeden Fall Notizen machen, was wann passiert ist. Es kommt aber immer auch darauf an, worum es geht. Wenn es sich um die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen dreht, dann muss man natürlich Lohnunterlagen aufheben.

Wie läuft ein Verfahren in der Regel ab?

Nach einem schriftlichen Antrag wird der:die Antragsgegner:in zu einer Stellungnahme zu den Vorwürfen aufgefordert. Der zuständige Senat befragt dann Antragsteller:in, Antragsgegner:in und Auskunftspersonen – das können der:die Arbeitgeber:in, Betriebsratsmitglieder oder Kolleg:innen aus dem Betrieb sein. Im Endeffekt stellt der Senat fest, ob eine Diskriminierung vorliegt oder nicht, und macht einen Vorschlag, wie man Gleichbehandlung herstellen bzw. die Diskriminierung beenden könnte. Schadenersatzansprüche müssten aber vor Zivilgerichten, also dem Arbeits- und Sozialgericht, eingeklagt werden.

Portrait von Dinah Djalinous-Glatz im Interview über Gleichbehandlung und Diskriminierung.
„Es ist immer besser, Spannungen zu beseitigen, bevor die Situation eskaliert“, rät Dinah Djalinous-Glatz. Sie ist als Laienrichterin am Arbeits- und Sozialgericht tätig. | © Markus Zahradnik
Könnten Sie uns ein Beispiel für den positiven Ausgang eines Falls nennen?

Eine Angestellte wurde bei einer Filiale im Handel gekündigt, und sie war der Meinung, dies wäre geschehen, weil sie Brasilianerin ist. Sie hat sich von ihren Kolleg:innen angegriffen gefühlt. Diese zeigten Fotos von Menschen beim Karneval in Rio in ihren Kostümen, und eine Kollegin hat gesagt, Brasilianerinnen würden bei Männern nur aufs Geld schauen. Es ist eine schlechte Stimmung im Betrieb entstanden, die Kommentare haben die Frau persönlich getroffen. Dann wurde sie vom Arbeitgeber gekündigt und ist mit der Sache vor Gericht gegangen. Sie hatte vorher in einer anderen Filiale des Unternehmens gearbeitet, und beim Gerichtsverfahren hat man sich darauf geeinigt, dass sie wieder in der alten Filiale anfangen würde, wo es ihr auch persönlich besser gefallen hat. Es war schön, dass man in diesem Fall eine Lösung gefunden hat. Diese Frau war über 50 Jahre alt, und sie hätte es wahrscheinlich nicht leicht gehabt, eine neue Stelle zu finden.

Könnten Sie uns auch einen Fall von Altersdiskriminierung schildern?

Ich erinnere mich an eine Frau, die der Überzeugung war, sie sei aufgrund ihres Alters aus dem Betrieb geekelt worden. Es wurde zu ihr sinngemäß gesagt: Weil der Betrieb den Alten so hohe Gehälter zahlen müsste, könnten die Jungen nicht anständig entlohnt werden. Die Frau ist im Endeffekt gekündigt worden, ebenso wie einige andere Kolleg:innen über 50. Sie hat ihre Kündigung angefochten, wegen Sozialwidrigkeit. Das ist möglich, wenn einen die Kündigung sozial besonders trifft – bei Älteren, die vielleicht keine Arbeit mehr finden, kann das durchaus sein. Ihr Fall ist vors Arbeits- und Sozialgericht gegangen, und wir haben die Frau gefragt, ob es in ihrer Firma einen Betriebsrat gibt. Sie sagte, niemand hätte sich dort jemals getraut zu kandidieren. Hätte es im Unternehmen einen Betriebsrat gegeben, hätte der es vermutlich geschafft, die Situation zu deeskalieren.

Ich bin wirklich und aufrichtig überzeugt davon,
dass alle Menschen die gleichen Chancen haben sollen. 

Dinah Djalinous-Glatz

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) fordert ein sogenanntes „Levelling-up“ im Gleichbehandlungsrecht. Was ist damit gemeint?

Es ist wichtig zu verstehen, dass das Gleichbehandlungsgesetz in erster Linie für die Arbeitswelt gilt. Wenn man außerhalb der Arbeitswelt aufgrund der ethnischen Herkunft diskriminiert wird, kann man auch noch klagen oder einen Antrag bei der Kommission stellen. Aber es gibt derzeit keinen gesetzlichen Schutz, wenn Menschen außerhalb der Arbeitswelt aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, des Alters, der Religion und Weltanschauung benachteiligt werden. Zum Beispiel gab es Fälle, wo Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft nicht in Diskotheken eingelassen wurden. Dagegen kann man etwas tun. Es kommt aber auch vor, dass homosexuelle Paare eine Wohnung mieten wollen, sie aber dann nicht bekommen. Wenn das aufgrund ihrer Homosexualität passiert, dann haben sie derzeit keine Handhabe dagegen. Dass man nicht diskriminiert werden darf, soll im Rahmen des „Levelling-up“ auch auf Dienstleistungen und Güter ausgeweitet werden. Diese Forderung unterstützt der ÖGB.

Es wird auch die bestehende Zersplitterung des Gleichbehandlungsrechts von der GAW kritisiert: Es teile sich auf Landesgesetze und unterschiedliche Bereiche auf. Sehen Sie Chancen, dass es hier zu Reformen kommt?

Das ist eine rein technische Sache. Wie es mit dem Gleichbehandlungsgesetz weitergeht, hängt von der Regierung ab. Die Frage ist, ob jemandem wichtig ist, es weiterzuentwickeln. Als Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) Frauenministerin war, hatten wir öfters Novellen – ihr war die Gleichbehandlung wichtig, anderen Minister:innen weniger. Was sicher kommen wird, ist die bereits beschlossene Lohntransparenzrichtlinie der EU. Viele Impulse für Gleichbehandlung kommen von der EU, ohne sie wären wir noch nicht so weit bei Gleichbehandlung und Diversität.

Was bringt die Lohntransparenzrichtlinie für Arbeitnehmer:innen?

Bei der Lohntransparenzrichtlinie geht es um die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen für gleichwertige Arbeit. Beschäftigte erhalten dadurch einen Auskunftsanspruch. Sie können dann zwar nicht das konkrete Einkommen ihrer Kolleg:innen abfragen, aber das durchschnittliche Entgelt einer vergleichbaren Gruppe von Beschäftigten im Unternehmen. Und Verschwiegenheitsklauseln, die Arbeitnehmer:innen daran hindern, ihr Entgelt freiwillig offenzulegen, werden verboten. Das muss die neue Regierung umsetzen.

Zum Abschluss: Warum setzen Sie sich so beherzt für Gleichberechtigungsanliegen ein?

Das ist ganz einfach: Ich bin wirklich und aufrichtig überzeugt davon, dass alle Menschen die gleichen Chancen haben sollen – ganz unabhängig davon, ob Mann oder Frau, wen sie lieben, woher sie kommen, wie alt sie sind oder welche Religion sie haben.

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