Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt
Sehen wir uns zunächst an, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt hat. Ein Blick in die Zukunft ist schwierig, da hier viele Faktoren mitspielen. „Die wissenschaftlichen Prognosen gehen weit auseinander. Eine seriöse Vorhersage ist auch deshalb schwierig, weil die Digitalisierung der Arbeitswelt ein stetiger Prozess ist, der politisch und wirtschaftlich gestaltbar ist“, fasst Ilse Leidl-Krapfenbauer, Referentin für Arbeitsmarktpolitik in der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration der AK Wien, die Situation zusammen. „Gerade weil die technologischen Innovationen noch gar nicht alle umfassend eingesetzt werden, lassen sich auch die Effekte auf den Arbeitsmarkt schlecht ermessen“, ergänzt die Soziologin und Professorin Kerstin Jürgens.
Wie können wir Arbeit auch in Zukunft so regeln, dass Menschen ihr Leben absichern können? Dieser und anderen Fragen rund um den Wandel in der Arbeitswelt geht Jürgens im Rahmen ihrer Forschung nach. „Der technologische Fortschritt bringt uns in rasantem Tempo immer neue Innovationen ins Haus. Dies alles führt dazu, dass bisherige Arbeitsabläufe neu strukturiert werden können“, so Jürgens. Sie führt fort: „Nötig wäre erst mal ein Verständigungsprozess darüber, wie man Arbeitsprozesse gestalten will – und hierfür sind die arbeitspolitischen Akteure, insbesondere Arbeitgeber und Gewerkschaften, zuständig, aber ebenso auch der Staat.“
Betroffene Berufe
Die Digitalisierung betrifft alle Berufe.
Zudem werden „die technologischen Entwicklungen aber auch neue Tätigkeiten schaffen“, blickt Philipp Schnell, Referent für Bildungspolitik der AK Wien mit Schwerpunkt Bildungsökonomie, in die Zukunft.
Dennoch gibt es Berufe, die stärker von der Digitalisierung betroffen sind als andere. Vor allem Tätigkeiten, die eine Kombination aus niedriger Qualifikation und hohem Routineanteil aufweisen, sind am stärksten gefährdet, da sie am einfachsten im Zuge der Digitalisierung wegrationalisiert werden können. Im Umkehrschluss bedeutet das jedoch auch, dass es sich lohnt, auf Bildung zu setzen. Je besser qualifiziert, desto höher die Zukunftschancen: „Eine gute Ausbildung ist dabei wie eine ‚Schutzimpfung‘, die hilft, diese Veränderungsprozesse besser zu verstehen“, betont Schnell.
Eine gute Ausbildung ist wie eine ‚Schutzimpfung‘, die hilft, die Veränderungsprozesse besser zu verstehen.
Philipp Schnell, AK Wien
Bildung als „Key Factor“
Auch wenn sich nicht voraussagen lässt, wie sich die Digitalisierung langfristig auf die Arbeitswelt auswirken wird, steht laut Philipp Schnell eines fest: „Bildung schafft Möglichkeiten, vor allem erhöht sie die Chance, ein selbstbestimmteres Leben in einer zunehmend digitalisierten (Arbeits-)Welt zu führen.“
Ein wichtiger Aspekt der Aus- und Weiterbildung ist das Tempo. Heutzutage ist es umso wichtiger, sich laufend weiterzubilden, da Wissen immer schneller bereits überholt ist. Selbst im Rahmen eines Studiums kann es sein, dass die Kenntnisse, die dabei vermittelt wurden, nach Abschluss des Studiums bereits wieder überholt sind. Die Geschwindigkeit der Veränderung und Schnelllebigkeit von Technologien und Produkten führt dazu, dass eine laufende Weiterbildung erforderlich ist, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben: Was heute hochmodern ist, kann bereits morgen schon wieder veraltet sein.
Lernförderliche Rahmenbedingungen sind eine Grundvoraussetzung, um das volle Potenzial der Digitalisierung in Österreich zu nutzen.
Ilse Leidl-Krapfenbauer, AK Wien
Möchte ein Unternehmen konkurrenzfähig bleiben, ist der Zugang zu sowohl betrieblichen als auch externen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen unerlässlich. „Lernförderliche Rahmenbedingungen sind eine Grundvoraussetzung, um das volle Potenzial der Digitalisierung in Österreich zu nutzen“, so Leidl-Krapfenbauer.
Erforderliche Kompetenzen in der digitalisierten Arbeitswelt
„In unserer digitalen Welt können sich Rahmenbedingungen schnell verändern. Daher ist es wichtig, dass auch allen Menschen das nötige ‚Rüstzeug‘, also die in unserer Welt benötigten Kompetenzen, mitgegeben wird“, bekräftigt Philipp Schnell.
Dazu zählt nicht nur ein fundiertes fachliches Kompetenzniveau, sondern vor allem die Bereitschaft, sich weiterzubilden. Wir müssen lernen, mit der sich schnell verändernden Welt umzugehen und die daraus entstehenden Veränderungen in eine positive Richtung zu lenken. Im Vordergrund stehen laut der Arbeitsmarktexpertin Trude Hausegger die „sogenannten Selbstkompetenzen, wie Lernbereitschaft, eigenständiges Lernen und Arbeiten, Veränderungsbereitschaft, Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme und Innovationsorientierung.“
Die optimale Nutzung der Digitalisierungspotenziale
„Klar ist, die Digitalisierung muss so gestaltet werden, dass nicht nur eine kleine Elite, sondern alle profitieren“, fasst Fridolin Herkommer, Leiter des Programms Arbeit im Digitalen Wandel der AK Wien, seinen Standpunkt zusammen. Dafür ist laut Ilse Leidl-Krapfenbauer besonders auf Folgendes zu achten: „Die rasanten technologischen Entwicklungen dürfen nicht dazu führen, dass es zu einer Spaltung in unserer Gesellschaft kommt. Bildung ist hier ein wesentlicher Schlüssel.“
Die Digitalisierung muss so gestaltet werden, dass nicht nur eine kleine Elite, sondern alle profitieren.
Fridolin Herkommer, AK Wien
Vor allem im betrieblichen Umfeld muss hierfür einiges passieren, wie Philipp Schnell weiß: „In den Betrieben müssen Weiterbildungsstrategien dem Prozess der Digitalisierung angepasst und weiterentwickelt werden. Die Entwicklung kooperativer Modelle, in die MitarbeiterInnen aktiv einbezogen werden, hat sich als besonders effektiv herausgestellt. Insgesamt braucht es eine erhöhte Bereitschaft für betriebliche Aus- und Weiterbildung – vor allem für MitarbeiterInnen aus kleineren Betrieben, Teilzeitbeschäftigte (und damit überwiegend Frauen) und formal Geringqualifizierte, die bisher nur sehr selten oder gar nicht die Möglichkeit zu Weiterbildungsmaßnahmen im Betrieb haben.“
Erste Projekte
Um im Zuge der Digitalisierung in eine Zukunft zu starten, in der alle Beteiligten profitieren, wurden bereits erste Projekte ins Leben gerufen:
- Arbeitsgruppe der Plattform Industrie 4.0
Diese Arbeitsgruppe setzt sich mit dem Thema „Qualifikationen und Kompetenzen“ auseinander. Sie bringt sich aktiv in den Dialog mit den Sozialpartnern ein, „um gemeinsam mutige und vorausblickende Maßnahmen im Bildungsbereich zu bestimmen, um den digitalen Wandel der Arbeitswelt durch Bildung, berufliche Qualifikation und Wissensverbreitung zu gestalten“, so Leidl-Krapfenbauer. Nähere Informationen finden Sie auf der Website der Plattform Industrie 4.0.
- Der Digitalisierungsfonds Arbeit 4.0 der Arbeiterkammer
Die Arbeiterkammer investiert im Rahmen des Digitalisierungsfonds Arbeit 4.0 in die Zukunft der Arbeitswelt. Worum es dabei genau geht und wie auch Sie Ihre Ideen dafür einreichen können, um im Rahmen einer Förderung Ihr Arbeitsumfeld für alle Beteiligten zukunftsfit zu machen, erfahren Sie in unserem Artikel „Der Digitalisierungsfonds der Arbeiterkammer“.
Die Digitalisierung kann als Chance genutzt werden, um die Arbeitswelt für alle besser zu machen. Um es mit den Worten des Experten Fridolin Herkommer zu sagen: „Digitalisierung ist dann gelungen, wenn sie für ArbeitnehmerInnen mehr Autonomie bei Arbeit und Freizeit, sichere Einkommen, Zugang zu mehr Wissen und gesündere Arbeitsbedingungen bringt. Um das zu erreichen, gilt es, Technik entsprechend menschenzentriert zu gestalten.“