Der Mensch muss mit
Für Unternehmen stehen die Zeichen gerade auf Prozessoptimierung: „Der Kernfokus im Bereich der Digitalisierung liegt derzeit darauf, dass die Unternehmen Prozesse optimieren wollen, um den zeitlichen Durchlauf oder die Qualität zu verbessern“, erklärt Sabine Sorko, Dozentin am Institut Industrial Management der FH Johanneum. Das bedeutet etwa, dass Sensoren und Kameras eine Maschine überwachen. Stellen sich bestimmte Werte ein, muss sie gewartet werden, damit sie nicht kaputtgeht und der Betrieb stillsteht – „predictive maintenance“ heißt das in der Praxis.
„Es ist verhältnismäßig einfach, einen Roboter aufzustellen und ihn mit anderen Systemen zu verbinden. Aber sobald es in die Kollaboration geht, das heißt, es steht ein Mensch dahinter, wird es komplex. Dann spielen andere Themen eine Rolle – wie die Nutzer:innenfreundlichkeit oder die Bereitschaft, die Technik zu nutzen“, erklärt Sorko. Die Bereitschaft der Mitarbeiter:innen und deren Qualifikation für die Technik sind dabei zentrale Bausteine.
Diese Bereitschaft sieht Kerstin Repolusk, die bei der PRO-GE für das Thema Digitalisierung zuständig ist, aus ganz pragmatischen Gründen als gegeben: „Arbeiter:innen haben sich immer an den Wandel angepasst. Als die ersten Roboter kamen, hat niemand die Beschäftigten gefragt, ob ihnen das gefällt. Die Arbeitswelt ändert sich ständig. Die Aufgaben werden zwar immer komplexer, aber neue Hilfsmittel machen die Arbeit auch einfacher.“
Neue Chancen durch Digitalisierung
Tatsächlich bieten die neuen Technologien Menschen eine Chance, die sich ohne sie schwertun würden, eine gute Vollzeitstelle in Produktionsbetrieben zu finden. Exoskelette ermächtigen eher zierliche Menschen, auch körperlich herausfordernde Berufe anzunehmen. Schon jetzt helfen sie beispielsweise querschnittsgelähmten Personen dabei, wieder aufrecht gehen zu können.
Übersetzungsprogramme in Echtzeit überwinden Sprachbarrieren. Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Sprach-Assistenzen können Menschen mit Lese- und Lernschwäche unterstützen. Künstliche Intelligenz nimmt derweil dem Management alltägliche Entscheidungen ab, was den Entscheidungsrahmen der Angestellten vergrößert und die Arbeitsbedingungen verbessert.
Doch für all das braucht es Zeit und eine Digitalisierungsstrategie. „Wenn sich kleinere Unternehmen nicht schleunigst mit dem Thema beschäftigen, werden sie auf der Strecke bleiben. Denn man kann nicht von einem Tag auf den anderen sagen: ‚Jetzt digitalisiere ich mich‘“, bringt es Repolusk auf den Punkt.
Aus Loyalität zum Unternehmen?
Grundsätzlich scheinen Österreichs Unternehmen auf einem guten Weg zu sein. Nur acht Prozent der Unternehmen geben an, keine Vorhaben und Pläne im Bereich der Digitalisierung zu haben. Stellt man die Einschätzung der Angestellten, wie digital ihr Unternehmen ist, der tatsächlich genutzten Technik gegenüber, kommt es zu einer erstaunlichen Diskrepanz. Die Angestellten schätzen den Digitalisierungsgrad doppelt so hoch ein, wie er aufgrund der verwendeten Technik ist. Warum, ist unklar – vielleicht, weil sie Antworten geben, die erwartet werden, vielleicht aus Loyalität zum Unternehmen.
Überwachungsalarm am Arbeitsplatz? Microsoft 365 weiß so einiges über uns. Oft mehr als uns lieb ist. Denn die Software gewährt tiefe Einblicke in personenbezogene Daten, die leicht ausgewertet werden können. Was Betriebsrät:innen jetzt wissen müssen: https://t.co/xIW9Mz5Gg5 pic.twitter.com/9wwPSsZxKr
— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@AundWMagazin) July 15, 2023
Das Ziel dieser vierten Revolution ist nicht, dass ganz Österreich komplett durchdigitalisiert aus ihr herausgeht. Vielmehr geht es darum, dass jedes Unternehmen herausfindet, welche Techniken Sinn ergeben. Derart vorbereitet klappt es auch mit dem Kampf der Gewerkschaften um eine erneute Verbesserung der Arbeitsbedingungen.