Die Zukunft einer Absichtserklärung

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Inhalt

  1. Seite 1 - Kritik an der europäischen Säule sozialer Rechte
  2. Seite 2 - Kampagne „Social Rights First!“
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Das soziale Europa steckt in den Kinderschuhen. Gewerkschaften fordern konkrete und vor allem verbindliche soziale Ziele.
Die EU sollte sich nicht nur um die Interessen von Banken, anderen Unternehmen und die Finanzhaushalte der Mitgliedsländer kümmern, sondern auch um soziale Mindeststandards für ihre BürgerInnen.

Das zumindest war die Idee des sozialen Europas, um das bis heute in der EU gerungen wird und für das sich gerade Gewerkschaften und AK vehement einsetzen. Auch von den Spitzen der EU sind immer wieder Vorstöße in diese Richtung zu vernehmen. So erklärte Jean-Claude Juncker bei seinem Amtsantritt als Kommissionspräsident im Jahr 2014, die EU müsse ein „soziales Triple A“ anstreben. Diese Formulierung lässt aufhorchen, denn das „Triple A“ ist hauptsächlich aus der Welt der Ratingagenturen bekannt: Sie geben Ländern Noten für ihre Kreditwürdigkeit – ein „Triple A“ ist die Bestnote. Mit sozialen Werten hat das in der Regel nichts zu tun.

Noch wenig konkret

Im September 2015 bekräftigte Juncker seine Position in seiner Rede zur Lage der EU, die den Titel „Zeit für Ehrlichkeit, Einigkeit und Solidarität“ trug: Er wolle eine „europäische Säule sozialer Rechte“ entwickeln, sagte er. In der Rede war Juncker noch wenig konkret, am ehesten noch Aussagen wie Arbeitskräftemobilität sei erwünscht und erforderlich, damit der Euroraum und der Binnenmarkt prosperieren können, sie sollte aber auf klaren Regeln und Prinzipien beruhen: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort – dies sollte unser zentraler Grundsatz sein.“ Die europäische Säule sozialer Rechte solle „ergänzen, was wir gemeinsam zum Schutze der Arbeitnehmer in der EU erreicht haben“.

Soziales bisher vernachlässigt

Das klingt erst mal positiv, zumal die EU in den vergangenen Jahren eher auf Budgetthemen und zuletzt besonders auf die Flüchtlingsthematik fokussiert war. Oliver Röpke, Leiter des ÖGB-Europabüros in Brüssel und Vorstandsmitglied des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB), sagt: „Europa und die EU-Kommission haben das Soziale leider vernachlässigt. Es ist viel zu kurz gekommen gegenüber den Bankenrettungen und anderen Themen.“

Er verweist auf die Einschnitte bei ArbeitnehmerInnenrechten etwa in Griechenland, Spanien oder Portugal, aber auch auf den massiven Druck, der in Finnland und vielen anderen EU-Staaten auf Gewerkschaften ausgeübt werde. Dass also Sozialpolitik zu einem Europathema wird, hält Röpke für wichtig, aber: „Ob die soziale Säule der richtige Weg ist, darüber sollten wir sprechen.“

Was ist seit Junckers Aussagen 2014 und 2015 passiert? Röpke: „Es ist viel geschehen, was Ankündigungen angeht, aber es sind relativ wenig konkrete Initiativen passiert.“ Im April 2017 hat die Kommission die europäische Säule sozialer Rechte vorgestellt. Sie wurde vielfach als zu allgemein kritisiert. Röpke beurteilt die Inhalte als umfassend, die wichtigen Themen wie Chancengleichheit, faire Arbeitsbedingungen etc. seien angesprochen: „Aber das Papier ist eine Absichtserklärung. Bislang ist es aus Arbeitnehmersicht nur nette Prosa.“ Die Säule sollte „nicht nur Prinzipien, sondern konkrete verbindliche soziale Rechte für Arbeitnehmer auf europäischer Ebene festschreiben“.

Zu dem wenigen Konkreten, das bisher vorangegangen sei, zählt Röpke etwa die jüngsten Entwicklungen rund um die Entsenderichtlinie, welche verschärft werden soll. Künftig müssten dann für ArbeitnehmerInnen, die grenzüberschreitend arbeiten, also von ihrem Arbeitgeber auf begrenzte Zeit in ein anderes EU-Land geschickt werden, gleiche Bedingungen herrschen wie für ArbeitnehmerInnen vor Ort: Alle müssten den dortigen Tariflohn erhalten. Das würde Lohndumping entgegenwirken und ist laut Röpke „vorsichtig positiv zu bewerten“. Es habe aber auch bedenkliche Entwicklungen gegeben, etwa den Vorschlag der Kommission, eine Elektronische Dienstleistungskarte einzuführen. Diese wiederum, so die Befürchtungen, würde Lohn- und Sozialdumping sowie grenzüberschreitende Scheinselbstständigkeit fördern.

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Über den/die Autor:in

Alexandra Rotter

Alexandra Rotter hat Kunstgeschichte in Wien und Lausanne studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin in Wien und schreibt vor allem über Wirtschaft, Gesellschaft, Technologie und Zukunft.

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