Ideenrevival
Viele Ansätze, die vor der Krise weitgehend ignoriert wurden, wären heute (wieder) aktuell, beispielsweise die Finanzinstabilität nach Hyman Minsky. Dessen Thesen zufolge treten Finanzkrisen trotz boomender Wirtschaft auf. Außerdem vertrat er die Auffassung, dass die Finanzierungsprozesse einer kapitalistischen Ökonomie endogene destabilisierende Kräfte entwickeln. Ein weiterer interessanter Ansatz wäre die Schuldendeflation nach Irving Fisher, der überzeugt war, dass die Große Depression 1933 durch die Auswirkungen der Deflation auf die Einkommen und Kreditschulden ausgelöst worden war.
Was hat sich seit 2014 verändert? „Leider ist nicht wirklich viel passiert. Es geht tendenziell eher in die andere Richtung“, berichtet ein Gründungsmitglied der Gesellschaft für Plurale Ökonomik, das namentlich nicht genannt werden möchte. „Wahlfächer mit eher heterodoxen, also von der allgemeinen Lehrmeinung abweichenden Inhalten, finden immer weniger Platz in den unterschiedlichen Curricula. Auch die verpflichtenden Kurse haben sich nicht großflächig und grundlegend geändert.“ Eine Kollegin nennt konkrete Beispiele: „An der WU kommt etwa Minskys Theorie zur Finanzmarktstabilität nur in einem Wahlfach vor. Nun wird ausgerechnet dieser Kurs gekürzt und nur noch einmal jährlich anstatt einmal pro Semester angeboten. Dabei hätte es hier gerade eine große Gelegenheit gegeben, im Zuge der Masterstudienplanreform das Curriculum an der WU anzupassen. Leider wurden die von der Masterstudienvertretung in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Plurale Ökonomik ausgearbeiteten Reformvorschläge und die Einwände einer externen Evaluierungskommission nicht berücksichtigt.“ Somit sei die Lehre weder realitätsnäher noch vielfältiger geworden. Im Gegenteil, durch die Schaffung des Science Tracks, eines „Fast Tracks“ zum PhD, der als Prestigeprojekt betrachtet wird, werde die wissenschaftliche Notwendigkeit einer mathematischen Formalisierung der VWL vorangetrieben und zusätzliches Gewicht auf quantitative Methoden gelegt.