Bei der Landwirtschaftsförderung haben ebenfalls Großbetriebe die Nase vorn. Die staatlichen Bundesforste verfügen über den größten Grundbesitz im Land. Der Rest, zigtausende Quadratkilometer Wald, Wiesen und Berge, befindet sich hauptsächlich in der Hand ehemaliger Adelsfamilien und der Kirche. Die Hälfte der Fläche Österreichs wird für die Landwirtschaft genutzt.
Sinkende Bedeutung
Die österreichische Landwirtschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten einen massiven Wandel erlebt. Im Jahr 1951 war noch fast ein Drittel (31 Prozent) der österreichischen Wohnbevölkerung in der Landwirtschaft tätig. Von den insgesamt 1,52 Millionen dort Beschäftigten waren 1,08 Millionen hauptberuflich tätig. Rund 100.000 Lohnarbeitskräfte arbeiteten ständig in dem Bereich.
Seither ist der land- und forstwirtschaftliche Sektor massiv geschrumpft: Im Jahr 2016 waren dort gerade noch 134.400 Erwerbstätige beschäftigt, was einem Anteil von nur noch 4,3 Prozent der Erwerbstätigen entspricht. Dies spiegelt sich auch in der Wirtschaftsleistung des Agrarsektors wider: Der Anteil der Land- und Forstwirtschaft am BIP ging von 16 Prozent Mitte der 1960er-Jahre auf 1,3 Prozent im Jahr 2016 zurück.
Trend zu großen Betrieben
Auch die Betriebe selbst haben sich verändert, vor allem gibt es einen Trend zu größeren Betrieben: Im Jahr 1951 wurde von einem Betrieb eine durchschnittliche Fläche von 18,8 Hektar bewirtschaftet, im Jahr 2016 waren es 45,7 Hektar. Am deutlichsten lässt sich dieser Trend zum Großen bei der Tierhaltung beobachten. Am rasantesten ist die Verdichtung in der Schweinezucht: Im Jahr 1995 lag der durchschnittliche Bestand bei 35 Tieren, inzwischen sind es mit 110 Schweinen dreimal so viele. Was die Rechtsformen betrifft: 90 Prozent sind Einzelunternehmen, die als Familienbetrieb geführt wurden, mehr als die Hälfte (54 Prozent) davon im Nebenerwerb.
Was die Einkommen betrifft, so lässt ein Blick in die Statistik allerdings erkennen, dass es den LandwirtInnen nicht unbedingt so schlecht geht, wie ihr Auftreten in der Öffentlichkeit bisweilen suggeriert. Ein Faktencheck der Arbeiterkammer Niederösterreich aus dem Jahr 2013 zeigt, dass die Einkommensunterschiede zwischen den insgesamt 160.000 Landwirtschaftsbetrieben in Österreich krass sind. Das oberste Viertel der landwirtschaftlichen Betriebe hat ein um 100 Prozent höheres Pro-Kopf-Einkommen als jene im untersten Viertel. Das Durchschnittseinkommen der BäuerInnen liegt bei knapp 18.000 Euro.
Bei den Einkommen gibt es ein deutliches Ost-West-Gefälle: So ist das Pro-Kopf-Einkommen im Burgenland mit rund 30.000 Euro mehr als doppelt so hoch wie in den beiden einkommensschwächsten Bundesländern Tirol und Salzburg. Niederösterreich mit einem Pro-Kopf-Einkommen von rund 28.000 Euro und Oberösterreich mit rund 25.000 Euro folgen auf den Plätzen zwei und drei.
Auch die Arbeiterkammer Wien hat die Einkommen in der Landwirtschaft untersuchen lassen. Dieser Studie aus dem Jahr 2011 zufolge steigen die Agrareinkommen rascher als die Einkommen von ArbeitnehmerInnen: „Auch wenn es bei den Bauern große Einkommensunterschiede und -schwankungen gibt, so steigen im langjährigen Trend die Netto-pro-Kopf-Einkommen aus der Landwirtschaft deutlich stärker als die Nettoeinkommen der unselbstständig Beschäftigten“, heißt es darin. Noch besser schneiden Vollerwerbsbäuerinnen ab. Im Übrigen machen Agrarsubventionen etwa zwei Drittel der durchschnittlichen Einkommen aus Landwirtschaft aus.
Vermögende LandwirtInnen
Nicht nur bei den Einkommen, vor allem bei den Vermögen stehen LandwirtInnen besser da. Selbst Kleine wiesen im Jahr 2009 ein Vermögen von mehr als 200.000 Euro auf. Im Durchschnitt hatten LandwirtInnen gar mehr als 350.000 Euro. Zudem verfügten sie über eine Eigenkapitalquote von rund 90 Prozent. Ein weiterer Vorteil: „Durch Umwidmungen von Grünland auf Bauland können sich diese Werte für die einzelnen Landwirtschaften noch deutlich erhöhen.“ Zwar steigt mit der Größe des Betriebs die Verschuldung, aber auch große Landwirtschaften kommen knapp an diese Zahl heran. Die AK vergleicht diese Eigenkapitalquote mit jener von österreichischen Produktions- und Dienstleistungsunternehmen, die im Median „je nach Branche und Unternehmensgröße“ 25 bis 40 Prozent beträgt.
Dazu kommt: „Je vermögender ein Landwirt ist, umso höher ist der Anteil der Förderungen am Gesamteinkommen!“ Eine Schlussfolgerung der Studie lautet entsprechend: „Diese Tatsache sollte im Sinne einer bedarfs- und strukturgerechten Agrarpolitik dringend überdacht werden.“
Umstrittene Zahlen
Laut Jahresbericht der Landwirtschaftskammer liegt der Gesamtumsatz des „Unternehmens Land- und Forstwirtschaft“ bei fast neun Milliarden Euro. Ein/e LandwirtIn ernährt durchschnittlich 105 Menschen, im Jahr 2000 waren es erst 65. Österreichische Produkte werden in über 100 Länder weltweit exportiert. Rund um Land- und Forstwirtschaft sind mehrere Milliarden-Branchen mit vielen Tausenden Arbeitsplätzen angesiedelt: die Zulieferindustrie mit Land-, Forsttechnik- und Stallbauunternehmen, mit Düngemittel- und Pflanzenschutzfirmen, um nur einige zu nennen.
Die offiziellen Zahlen über die Lage der Land- und Forstwirtschaft lösen regelmäßig Kritik aus. Einige Bauern bezeichnen die aktuellen Zahlen verärgert als „Fake News“. „Das kann nicht sein. Das sagt einem der Hausverstand, wenn man die Preise anschaut, die es im Vorjahr für Milch, Fleisch oder Getreide gegeben hat“, so ein empörter Landwirt. Rupert Lindner, Sektionschef im Landwirtschaftsministerium, hat eine weitere Erklärung, warum die Zahlen des Grünen Berichts bei manchen Landwirten für Kopfschütteln sorgen. Gegenüber den „Oberösterreichischen Nachrichten“ sagt er dazu: „Es laufen ja nicht alle Produktionssparten im selben Jahr gleich gut oder gleich schlecht. Nur die Förderungen sind eine konstante Größe.“ Es gebe viele Zusammenhänge: MilchbäuerInnen hätten 2016 schlecht bilanziert, obwohl der Milchpreis im zweiten Halbjahr schon gestiegen sei. „Die meisten Milchbauern in Österreich haben aber auch Forstgrund, und das Einkommen daraus ist im Vorjahr wegen des Schadholzes schlecht gewesen.“
Ignorierte Missstände
Kritik an der Landwirtschaftspolitik und ihren Konsequenzen wird oft als Angriff auf alle BäuerInnen gesehen. Aufgedeckte Missstände prallen an starken Agrarlobbys ab. Auch Gewerkschaften appellieren wiederholt, bei Agrarsubventionen und Lebensmittelpreisen auf die Bremse zu steigen. Eine Forderung, die von einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) unterstützt wird: Die Förderung europäischer BäuerInnen aus dem Haushalt der Europäischen Union sollte nach dem Jahr 2020 zurückgefahren werden. Dass mit mehr als 400 Milliarden Euro ein Drittel der Fördermittel des Brüsseler Haushalts im aktuellen Finanzrahmen in die Landwirtschaft gehe, sei nicht mehr zeitgemäß. „Die EU-Landwirtschaftspolitik wirkt anachronistisch. Ihre starke Bedeutung im EU-Haushalt ist heute nicht mehr zu rechtfertigen“, erklärt Studienleiter Friedrich Heinemann.
Reformdruck
Das Förderwesen in der Landwirtschaft macht Großgrundbesitzer größer und lässt die kleinen Betriebe sterben. Das ZEW belegt für Europa, dass 80 Prozent der einkommensschwächsten Höfe nur 25 Prozent der Fördermittel erhalten. Die obersten zehn Prozent werden dagegen mit 55 Prozent Subventionen gefördert. Die Beihilfen aus Brüssel seien zu ungenau, um einkommensschwache LandwirtInnen abzusichern. Auch sehr reiche Höfe werden unterstützt, obwohl deren Einkommensniveaus bereits deutlich über der Fördergrenze liegen.
Die Studie empfiehlt, die Kosten der Agrarförderung im EU-Haushalt durch eine stärkere nationale Eigenbeteiligung zu senken. Damit würde die Agrarpolitik unter stärkeren Reformdruck geraten.
Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft:
gruenerbericht.at/cm4
Studie:
tinyurl.com/ybwohyms
Irene Mayer-Kilani
Freie Journalistin für „Kurier“ und Printmagazine
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 9/17.
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