SPÖ: ein Gesetz für die Arbeitgeberseite
Die SPÖ sieht einen Anschlag auf ArbeitnehmerInnen. Das Gesetz nütze nur der ArbeitgeberInnenseite. SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner, selbst Ärztin, sagt: „Wir wissen, dass überlange Arbeitszeiten krank machen. Aus dem einfachen Grund, weil die Menschen keine Maschinen sind. Der Mensch hat natürliche Leistungsgrenzen, die man respektieren muss.“ Man könne Menschen nicht wie Maschinen einfach auf eine längere Betriebszeit einstellen. Andreas Schieder, er tritt 2019 für die SPÖ bei der EU-Wahl als Spitzenkandidat an, sieht in dem neuen Arbeitszeitgesetz „Lohnraub, Freizeitraub und Gesundheitsraub“. Und SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch beklagt, dass das Gesetz keine einzige Verbesserung für ArbeitnehmerInnen bringe.
Liste Pilz: zu Lasten von Frauen mit Betreuungspflichten
Die Liste Pilz bezweifelt besonders die im Gesetz festgeschriebene Freiwilligkeit an. Zwölf Stunden in allen Branchen ohne Rücksicht auf die Gesundheit und die Familie würden vor allem zu Lasten von Frauen mit Betreuungspflichten gehen, meint Daniela Holzinger von der Liste Pilz. Für ihren Parteikollegen Bruno Rossmann ist das Gesetz Arbeitszeitpolitik des 19. Jahrhunderts.
ÖGB: ein Angriff auf Gesundheit und Geldbörsen
Klar abgelehnt wird das neue Arbeitszeitgesetz auch vom Österreichischen Gewerkschaftsbund. „Dieses Gesetz bringt keine einzige Verbesserung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“, sagt ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. Es sei vielmehr „ein Angriff auf die Gesundheit und Geldbörsen der ArbeitnehmerInnen.“
Arbeiterkammer: Beschäftigte müssen Ablehnung begründen
Mit dem neuen Gesetz müssen die Beschäftigten begründen, warum sie nicht länger bleiben können.
Renate Anderl, AK-Präsidentin
Ähnlich ist auch die Position der Arbeiterkammer. AK-Präsidentin Renate Anderl sagt, „der 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche kostet die ArbeitnehmerInnen Freizeit und Gesundheit“. Mit dem neuen Gesetz verschiebe sich die Beweislast von den ArbeitgeberInnen zu den ArbeitnehmerInnen. Bis jetzt mussten ArbeitgeberInnen in jenen Unternehmen, in denen eine Betriebsvereinbarung bereits bisher zwölf Arbeitsstunden ermöglichte, begründen, warum eine elfte oder zwölfte Stunde nötig sei. „Mit dem neuen Gesetz müssen die Beschäftigten begründen, warum sie nicht länger bleiben können.“
ÖVP-ArbeitnehmerInnenvertreter: Geschenk für die Industrie
Selbst so mancher ÖVP-ArbeitnehmerInnenvertreter ist allerdings mit dem Arbeitszeitgesetz alles andere als glücklich: So sprach der Präsident der AK Vorarlberg, Hubert Hämmerle (ÖVP), von beinahe einem Geschenk für die Industrie und der Abschaffung von ArbeitnehmerInnenrechten. Trotz anderslautender Zusicherungen der Regierung werde es de facto keine Entscheidungsfreiheit für ArbeitnehmerInnen geben, ob sie bis zu zwölf Stunden im Betrieb sein wollen oder nicht. Die Unternehmen könnten durch die vorgeschlagene Gesetzgebung problemlos einen 12-Stunden-Tag und eine 60-Stunden-Woche einführen, was aus seiner Sicht auch passieren werde. Der Kompromiss werde dabei höchstens auf dem Papier bestehen.
Soziologe Jörg Flecker: problematisch für Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Lange Arbeitszeiten sind schädlich für die Gesundheit und problematisch für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Jörg Flecker, Soziologe
Von ExpertInnen-Seite ist die neue Arbeitszeitregelung ebenso in der Kritik. Der Soziologe Jörg Flecker sagt, „lange Arbeitszeiten sind schädlich für die Gesundheit und problematisch für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie“. Die Arbeitsmedizin sage, dass tägliche Arbeitszeiten ab sieben, acht Stunden die Gesundheit schädigen. Burn-out sei da nicht die einzige Gefahr. Der Psychologe Gerhard Blasche pflichtet ihm bei. Er stößt sich vor allem an der 60-Stunden-Woche. Über einen längeren Zeitraum mehr als 52 bis 55 Stunden zu arbeiten, erhöhe das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden sowie psychisch zu erkranken, etwa an Depressionen oder Angststörungen. Für den Juristen Martin Risak ist vor allem die Ausweitung des Begriffs „leitender Angestellter“ problematisch – für diese gibt es nun gar keine Arbeitszeitbeschränkung mehr. Das bedeute neben der Arbeitsbelastung auch den Wegfall von Überstundenzuschlägen.
ArbeitgeberInnenseite: nur vereinzelter Widerspruch
Von ArbeitgeberInnenseite gibt es wenige Stimmen, die sich gegen die mit September in Kraft getretene Arbeitszeitflexibilisierung aussprechen. Eine davon ist die Volkshilfe, die österreichweit unter anderem mobile Pflege anbietet. 12-Stunden-Tag und 60-Stunden-Woche werden von der Organisation abgelehnt. Die Arbeit mit Menschen stelle eine besondere Belastung dar, da bedürfe es genügend Zeit zur Erholung und Regeneration, so Sprecherin Melanie Rami zur Arbeit & Wirtschaft. „Bisher dauern die Dienste in der mobilen Pflege maximal sechs bis sieben Stunden, da der Bedarf der zu Pflegenden hauptsächlich vormittags oder nachmittags/abends besteht.“ Man wolle sich auch weiterhin an den Bedürfnissen der zu Betreuenden orientieren und den MitarbeiterInnen gute Arbeitsbedingungen garantieren. Nach Gesprächen der Geschäftsführung mit den BetriebsrätInnen sei man einer Meinung: „Der 12-Stunden-Tag ist ein Schritt in die falsche Richtung.“