Die Kooperation der Gemeinden entstand aus einem Engpass. „1994 habe ich nach der Geburt meiner Tochter als Tagesmutter gearbeitet und war relativ alleine. In der Region gab es kaum Kinderbetreuung“, blickt Geschäftsführerin Alexandra Sollerer zurück. Zusammen mit anderen Eltern und Unternehmern gründete sie das Ekiz. Dort sind heute 34 Pädagoginnen beschäftigt. Die Kinderbetreuung ist ganztägig und ganzjährig. Das hatte positive Effekte: In Scheffau siedelten sich junge Familien an, es entstanden neue, nachhaltige Jobs in der ganzen Region.
Zukunftsinvestition
In sozialen Berufen wie Kinderbetreuung und Pflege arbeiten überwiegend Frauen. Investitionen in diese Branchen schaffen und ermöglichen neue Jobs, auch abseits der Betreuung. Zurzeit übernehmen viele Frauen Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen selbst – und somit unbezahlt. „Es gilt, unbezahlte in bezahlte Arbeit umzuwandeln“, erklärt AK-Expertin Ingrid Moritz. „Ein besseres Betreuungsangebot entlastet Frauen, die so selbst Karriere machen können.“ Dazu kommt: Die Berufstätigkeit sichert die Pension.
Um das Angebot an Kinderbetreuung und Pflege zu verbessern, muss in Infrastruktur und qualifiziertes Personal investiert werden – für die Arbeiterkammer ein Erfolgsrezept: Würde der Bund 100 Millionen Euro über vier Jahre investieren, könnten in der Kinderbetreuung bis zu 14.000 neue Jobs geschaffen werden und bis zu 28.000 Mütter einer Arbeit nachgehen. 2.300 Jobs entstünden in anderen Branchen, so eine AK-Studie. Einkommensteuer und Abgaben fließen an den Staat, Ausgaben für Arbeitslosenhilfe und Mindestsicherung wiederum sinken. „Es ergeben sich Mehreinnahmen zu den laufenden Kosten“, erläutert Moritz.
Qualität
Je mehr Aufgaben von Haushalten in den öffentlichen Sektor wandern, desto mehr Jobs entstehen für Menschen mit unterschiedlichem Anforderungsprofil: So sind für einen funktionierenden Kindergarten Pädagoginnen, Assistentinnen, Reinigungskräfte, Hausmeister oder Küchenpersonal notwendig. Investitionen in soziale Jobs sorgen für ein besseres Leistungsangebot. So fordert Margit Pollak von der Gewerkschaft für Gemeindebedienstete einen Ausbau an Betreuungsplätzen für unter Dreijährige. „Es geht nicht, dass man Kleinkindergruppen mit 25 Kindern hat, das Gesetz schreibt 15 vor.“ Sie betont, dass ein Ausbau ohne entsprechende Qualifizierung des Personals unmöglich sei. Dem stimmt Sophie Schallamon zu. Sie arbeitet als Kindergartenpädagogin im 15. Wiener Gemeindebezirk. „Ich arbeite gerne mit Kindern und schätze es, dass ich den Tagesablauf selbst gestalten und entscheiden kann, was für die Kleinen wichtig ist.“
Um besser auf ihre Schützlinge eingehen zu können, wünscht sie sich kleinere Gruppen. „Wir haben zwar Assistentinnen, bei 25 Kindern kann man aber nicht auf jedes gleichermaßen eingehen. Mit mehr Personal könnte man sich das besser einteilen.“ Sie wünscht sich zudem mehr Fortbildungsangebote.
Teilzeit/Vollzeit
In Österreich ist die Kinderbetreuung sehr unterschiedlich. In Wien sind Kindergärten – abgesehen von einem Beitrag für das Mittagessen – beitragsfrei. Bei den unter Dreijährigen können 71 Prozent der Kinder mit einem Betreuungsplatz versorgt werden, bei den Drei- bis Sechsjährigen liegt die Zahl der vorhandenen Plätze sogar bei über 100 Prozent.
Die Öffnungszeiten sind so gestaltet, dass Mütter auch Vollzeit arbeiten können. Davon kann man in einigen Gemeinden nur träumen. Die Teilzeitquote in Österreich liegt laut Statistik Austria bei 28,7 Prozent, Tendenz steigend. Traditionell arbeiten viele Frauen in Teilzeit. „Der Ausbau an sozialen Jobs mit entsprechenden Öffnungszeiten führt zu mehr Vollzeitjobs“, so Gudrun Biffl. Sie leitet das Department Migration und Globalisierung an der Donauuniversität Krems. Alleinverdienerabsetzbetrag, Kindergeld, Familienbeihilfe: Österreichs Familienpolitik setzt vielfach auf Transferleistungen. „Das regt aber zu einem Verbleib im Haushalt an“, kritisiert Biffl. Es sei für den Staat sinnvoller, in qualitätsgesicherte Betreuung zu investieren.
Ein Paradebeispiel seien die Niederlande, die aus Fehlern der frühen 1980er-Jahre gelernt haben: Damals mangelte es dort an guter Kinderbetreuung. Viele Frauen blieben zu Hause. Die Regierung steuerte gegen: Arbeitszeitmodelle für Eltern von Kleinkindern wurden angepasst, die Arbeitszeit reduziert. Väter können einen Tag pro Woche zu Hause bleiben, Mütter nehmen meist zwei Tage pro Woche. Den Rest übernehmen öffentliche Einrichtungen. „Männer und Frauen können wertvolle Zeit mit dem Nachwuchs verbringen und dennoch Karriere machen“, so Gudrun Biffl.
„In Österreich müssen sich Frauen immer noch zwischen Kind und Karriere entscheiden“, kritisiert Biffl. Je höher die Qualifikation, desto geringer ist denn auch die Geburtenzahl.
Anders sieht es im hohen Norden aus, wie die Expertin erklärt: Skandinavische Länder haben eine traditionell hohe Frauenerwerbsquote und eine gut ausgebaute soziale Infrastruktur mit strengen Qualitätsstandards. „Die Bezahlung der Frauen entspricht der guten Ausbildung“, so Biffl. Der Staat subventioniert zwar, aber dafür sind die Lohnunterschiede zu anderen Branchen geringer. Das schmälert den Gender Pay Gap.
Pflegemodell nicht zukunftsfähig
Eine riesige Baustelle ist das Thema Pflege, obwohl auch hier ein großes Jobpotenzial schlummert. Denn nach wie vor werden 80 Prozent der Pflege- und Betreuungsarbeit in Österreich zu Hause erledigt, von Angehörigen und unbezahlt. Laut „Kompetenzzentrum Qualitätssicherung“ waren 2015 rund drei Viertel jener, die zu Hause pflegen, weiblich.
Im Durchschnitt ist die Hälfte der pflegenden Frauen im erwerbsfähigen Alter. Dieses Modell aber ist nicht zukunftsfähig: Laut einer aktuellen WIFO-Studie wird die Zahl an Frauen, die solche privaten Pflegetätigkeiten ausüben können, sinken. Da wäre zum einen der demografische Wandel: Immer mehr Ältere stehen immer weniger Jüngeren gegenüber. Außerdem wird die Zahl an Ein-Personen-Haushalten laut Statistik Austria bis zum Jahr 2030 um 17 Prozent steigen. Das bedeutet: Rund 700.000 Menschen über 65 werden allein wohnen. Zudem steigt die Frauenerwerbsquote stetig.
Die Personalsuche in der mobilen Pflege ist schwierig, denn der Job ist sehr anspruchsvoll. Die Ausbildung wird künftig vier statt drei Jahre dauern, dazu kommt eine Fortbildungsverpflichtung. Auch die stationäre Pflege wird künftig akademischer.
Der Pflegeberuf verlangt einem einiges ab: Man braucht neben Fachwissen viel Toleranz, Flexibilität, Empathie und soziale Kompetenz. Die Fluktuation ist hoch, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine Herausforderung. Da viele Pflegebedürftige so lange wie möglich zu Hause bleiben wollen, empfehlen die WIFO-Studienautoren, die mobile Pflege zu forcieren. Da dies aber nur begrenzt möglich ist, müsste auch die stationäre Pflege ausgebaut werden. In der mobilen und stationären Pflege sind in Österreich 64.000 Menschen beschäftigt.
Mehr Chancen für Frauen
Auf den Punkt gebracht bringen Investitionen in soziale Berufe mehr Job- und Aufstiegschancen für Frauen. Studienergebnisse verdeutlichen, dass mehr Geld für den sozialen Bereich zu einem besseren Betreuungsschlüssel, mehr Qualität und mehr Steuereinnahmen führen würde. Solcherlei Jobs, gepaart mit entsprechender Kinderbetreuung, könnten zu einem Wirtschaftsmotor werden und Gemeinden vor Abwanderung bewahren. Kurzum: Investitionen in soziale Dienstleistungen tragen nicht nur zu mehr Geschlechtergerechtigkeit bei – sie rechnen sich auch.
Sandra Knopp und Udo Seelhofer
Freie JournalistInnen
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 6/17.
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