Teilzeit/Vollzeit
In Österreich ist die Kinderbetreuung sehr unterschiedlich. In Wien sind Kindergärten – abgesehen von einem Beitrag für das Mittagessen – beitragsfrei. Bei den unter Dreijährigen können 71 Prozent der Kinder mit einem Betreuungsplatz versorgt werden, bei den Drei- bis Sechsjährigen liegt die Zahl der vorhandenen Plätze sogar bei über 100 Prozent.
Die Öffnungszeiten sind so gestaltet, dass Mütter auch Vollzeit arbeiten können. Davon kann man in einigen Gemeinden nur träumen. Die Teilzeitquote in Österreich liegt laut Statistik Austria bei 28,7 Prozent, Tendenz steigend. Traditionell arbeiten viele Frauen in Teilzeit. „Der Ausbau an sozialen Jobs mit entsprechenden Öffnungszeiten führt zu mehr Vollzeitjobs“, so Gudrun Biffl. Sie leitet das Department Migration und Globalisierung an der Donauuniversität Krems. Alleinverdienerabsetzbetrag, Kindergeld, Familienbeihilfe: Österreichs Familienpolitik setzt vielfach auf Transferleistungen. „Das regt aber zu einem Verbleib im Haushalt an“, kritisiert Biffl. Es sei für den Staat sinnvoller, in qualitätsgesicherte Betreuung zu investieren.
Ein Paradebeispiel seien die Niederlande, die aus Fehlern der frühen 1980er-Jahre gelernt haben: Damals mangelte es dort an guter Kinderbetreuung. Viele Frauen blieben zu Hause. Die Regierung steuerte gegen: Arbeitszeitmodelle für Eltern von Kleinkindern wurden angepasst, die Arbeitszeit reduziert. Väter können einen Tag pro Woche zu Hause bleiben, Mütter nehmen meist zwei Tage pro Woche. Den Rest übernehmen öffentliche Einrichtungen. „Männer und Frauen können wertvolle Zeit mit dem Nachwuchs verbringen und dennoch Karriere machen“, so Gudrun Biffl.
„In Österreich müssen sich Frauen immer noch zwischen Kind und Karriere entscheiden“, kritisiert Biffl. Je höher die Qualifikation, desto geringer ist denn auch die Geburtenzahl.
Anders sieht es im hohen Norden aus, wie die Expertin erklärt: Skandinavische Länder haben eine traditionell hohe Frauenerwerbsquote und eine gut ausgebaute soziale Infrastruktur mit strengen Qualitätsstandards. „Die Bezahlung der Frauen entspricht der guten Ausbildung“, so Biffl. Der Staat subventioniert zwar, aber dafür sind die Lohnunterschiede zu anderen Branchen geringer. Das schmälert den Gender Pay Gap.
Pflegemodell nicht zukunftsfähig
Eine riesige Baustelle ist das Thema Pflege, obwohl auch hier ein großes Jobpotenzial schlummert. Denn nach wie vor werden 80 Prozent der Pflege- und Betreuungsarbeit in Österreich zu Hause erledigt, von Angehörigen und unbezahlt. Laut „Kompetenzzentrum Qualitätssicherung“ waren 2015 rund drei Viertel jener, die zu Hause pflegen, weiblich.
Im Durchschnitt ist die Hälfte der pflegenden Frauen im erwerbsfähigen Alter. Dieses Modell aber ist nicht zukunftsfähig: Laut einer aktuellen WIFO-Studie wird die Zahl an Frauen, die solche privaten Pflegetätigkeiten ausüben können, sinken. Da wäre zum einen der demografische Wandel: Immer mehr Ältere stehen immer weniger Jüngeren gegenüber. Außerdem wird die Zahl an Ein-Personen-Haushalten laut Statistik Austria bis zum Jahr 2030 um 17 Prozent steigen. Das bedeutet: Rund 700.000 Menschen über 65 werden allein wohnen. Zudem steigt die Frauenerwerbsquote stetig.
Die Personalsuche in der mobilen Pflege ist schwierig, denn der Job ist sehr anspruchsvoll. Die Ausbildung wird künftig vier statt drei Jahre dauern, dazu kommt eine Fortbildungsverpflichtung. Auch die stationäre Pflege wird künftig akademischer.
Der Pflegeberuf verlangt einem einiges ab: Man braucht neben Fachwissen viel Toleranz, Flexibilität, Empathie und soziale Kompetenz. Die Fluktuation ist hoch, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine Herausforderung. Da viele Pflegebedürftige so lange wie möglich zu Hause bleiben wollen, empfehlen die WIFO-Studienautoren, die mobile Pflege zu forcieren. Da dies aber nur begrenzt möglich ist, müsste auch die stationäre Pflege ausgebaut werden. In der mobilen und stationären Pflege sind in Österreich 64.000 Menschen beschäftigt.
Mehr Chancen für Frauen
Auf den Punkt gebracht bringen Investitionen in soziale Berufe mehr Job- und Aufstiegschancen für Frauen. Studienergebnisse verdeutlichen, dass mehr Geld für den sozialen Bereich zu einem besseren Betreuungsschlüssel, mehr Qualität und mehr Steuereinnahmen führen würde. Solcherlei Jobs, gepaart mit entsprechender Kinderbetreuung, könnten zu einem Wirtschaftsmotor werden und Gemeinden vor Abwanderung bewahren. Kurzum: Investitionen in soziale Dienstleistungen tragen nicht nur zu mehr Geschlechtergerechtigkeit bei – sie rechnen sich auch.
Sandra Knopp und Udo Seelhofer
Freie JournalistInnen
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 6/17.
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