Die Regierungsverhandler:innen von ÖVP und FPÖ haben noch kein gemeinsames Koalitionsabkommen vorgelegt, doch einzelne Überlegungen und Diskussionsgegenstände sind in den vergangenen Wochen an die Öffentlichkeit gedrungen. So wurde bei den Verhandlungsrunden zur Medienpolitik auch das ORF-Budget debattiert, weitere Kürzungen werden in Betracht gezogen. Welche Auswirkungen ein Sparkurs auf die Arbeitnehmer:innen beim ORF haben könnte, hat uns Zentralbetriebsratsobmann Werner Ertl beantwortet.
In den Koalitionsverhandlungen wurden Kürzungen des ORF-Budgets diskutiert, von bis zu 15 Prozent war die Rede. Noch steht nicht fest, welche Forderungen ins Regierungsprogramm kommen, aber sollte es ein Sparkurs werden: Was könnte er für die ORF-Belegschaft bedeuten?
Werner Ertl: Das kommt darauf an, was gefordert wird. Ich befürchte aber, dass das Koalitionsübereinkommen eine Personalkostensenkung beinhalten könnte, weil das meistens mit „Sparen“ gemeint ist. Wir leiden bereits jetzt darunter, dass das ORF-Gesetz verlangt Personalkosten zu sparen, wir machen das genau genommen schon seit dem Jahr 2000. Doch das ist kontraproduktiv, der Arbeitsaufwand wird ja nicht geringer. Dann steigen wiederum die Mehrleistungen und Zulagen und damit die Pro-Kopf-Kosten. Diese hohen Pro-Kopf-Kosten wirft man uns dann vor und nimmt sie zum Anlass für Personalkürzungen. Das ist eine Katze, die sich in den Schwanz beißt.
Wie würden sich Einsparungen abseits von Personalkosten auswirken?
Da ist die Frage, was die Republik von einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk erwartet und was der gesetzliche Auftrag ist. Nach außen sieht man nur unsere Programme, aber nicht, was der ORF alles leistet. Wir haben eine Versorgungspflicht, alle ORF-Anlagen sind redundant gebaut, das heißt, wir müssen selbst bei Stromausfällen berichten. Wir sorgen dafür, dass in sendeempfangsschwachen Gebieten wie etwa im Brennertunnel durchgängig der Ö3-Verkehrsfunk empfangbar ist. Viele ORF-Tätigkeiten stehen nicht im Fokus der Öffentlichkeit. Im Endeffekt soll der ORF nicht effizienter, sondern kleiner werden, ohne ein wirkliches Konzept zu haben, wie er dann weiter funktionieren und seinen gesetzlichen Auftrag erfüllen soll.
Wie steht es um die zukünftige Besetzung des ORF, auch Pensionierungen sind ein großes Thema?
Der ORF baut sich gerade selbst ab: Wenn die Personalsparpläne weitergehen, wird er durch Entpersonalisierung zerstört. Die Alterung der Belegschaft und die Personalkürzungen haben uns in die Lage gebracht, dass zahlreiche Dienstnehmer:innen innerhalb der nächsten Jahre in Pension gehen. Arbeitnehmer:innen mit so genannten Altverträgen, also mit allen Kollektivverträgen bis auf den ganz neuen, gehen in fünf, zehn, zwölf Jahren in Pension. Entgegen den gängigen Gerüchten sind die Einstiegsgehälter des ORF nicht mehr so attraktiv wie früher. Die Mehrzahl der im ORF arbeitenden Menschen sind ja weder Stars noch Journalist:innen, sondern Techniker:innen, Kaufleute, Jurist:innen, etc. Da lässt der Ansturm auf im ORF ausgeschriebene Stellen stark zu wünschen übrig.
Von der Politik kritisiert werden immer wieder die Spitzengehälter im ORF. Würde bei Personalkürzungen auch dort angesetzt werden?
Vordergründig vielleicht, aber wenn man die obersten Gehälter begrenzt, zieht sich das bis unten durch, weil es zwischen den Gehältern verschiedener Stufen eine gewisse Relation geben muss. Die Gehälter, die kritisiert werden, haben dabei nichts mit den Kollektivverträgen zu tun. Die oft zitierten Spitzenverdiener:innen haben Sonderverträge als Stars, Manager:innen oder Ähnliches. Die Managergehälter werden übrigens im – auch mit Vertreter:innen der Parteien besetzten – Stiftungsrat festgelegt, und berühmte Künstler:innen haben halt einen Marktwert. Den kann man als Medienhaus zahlen oder nicht. Ganz abgesehen davon, dass wir uns bei diesen Gehältern in branchenüblichen Höhen bewegen.
Nach außen sieht man nur unsere Programme,
aber nicht, was der ORF alles leistet.
Werner Ertl
Auch eine Abschaffung der Haushaltsabgabe und eine Finanzierung des ORF aus dem Staatsbudget wurde in den Koalitionsgesprächen erwägt. Was würde das für die Unabhängigkeit des Öffentlich-Rechtlichen bedeuten?
Das ist in meinen Augen eine Mogelpackung. Die Finanzierung aus dem Staatsbudget hätte hauptsächlich den Sinn, die Menschen glauben zu machen, sie zahlten nichts für den ORF, was natürlich nicht stimmt. Ob man dadurch abhängiger von Regierungsinteressen wird, richtet sich danach, wie es technisch umgesetzt würde.
Als Betriebsrat sage ich, für die Dienstnehmer:innen wäre eine Finanzierung aus dem Staatsbudget vielleicht sogar klüger gewesen. Ich habe Kolleg:innen, die in dieser aufgeheizten Debatte um die Haushaltsabgabe aufs Gröbste beschimpft wurden. Ihnen wurde Lügenpresse nachgerufen oder sie waren mit ORF-Jacke unterwegs und wurden mit Gegenständen beworfen.
Der Medienmanager Michael Grabner kritisierte kürzlich im „Standard“, dass bei den Koalitionsverhandlungen zur Medienpolitik „kaum eine Strategie“ erkennbar sei. Wie sehen Sie das?
Das Ziel und die Strategie beschränken sich meines Erachtens darauf, den ORF zu verbilligen. Die große medienpolitische Vision sehe ich weder den ORF noch die Printmedien betreffend. Und die Vorstellungen von dem, was Medien leisten sollen, gehen scheinbar relativ weit auseinander.
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