Gemeinsame Merkmale
Verschiedene Institutionen haben versucht, eine Definition aufzustellen, fündig wird man etwa in den Förderrichtlinien des Austria Wirtschaftsservice (AWS) oder in verschiedenen Studien, unter anderem von der Wirtschaftsuni Wien oder der KMU Forschung Austria. Sieht man sich die Versuche an, zu einer genauen Eingrenzung zu kommen, so entsteht immerhin ein gewisses Bild, welche Kennzeichen wichtig sind, um als Start-up gelten zu können. Folgende Merkmale kommen bei den verschiedenen Definitionsversuchen immer wieder vor:
- Start-ups sind in jedem Fall junge Unternehmen: Sie sind höchstens fünf, sieben oder zehn Jahre alt.
- Nicht jedes neue oder junge Unternehmen ist ein Start-up, ein weiteres Kriterium lautet mitunter, dass es höchstens 49 Beschäftigte hat.
- Es muss ein innovatives Geschäftsmodell haben (kann Produkt, Dienstleistung, Organisation oder Vertrieb betreffen) oder eine hoch innovative Technologie verwenden.
- Das Unternehmen muss einen hohen Unternehmenswert anstreben, ein hohes Wachstum an Beschäftigten und/oder Umsatz aufweisen, manchmal soll es auch über die nationalen Grenzen hinauswachsen wollen.
- Oder es soll über Risikokapital finanziert sein.
In der Praxis ist es nicht so einfach, eindeutig festzustellen, wann genau etwas „innovativ“ ist. Ganz klar ist auch nicht, ob es reicht, wenn ein Prototyp oder das Konzept innovativ ist oder ob man schon tatsächlich AbnehmerInnen und NutzerInnen dafür gefunden haben muss. Ähnliche Probleme stecken in anderen der verwendeten Kennzeichnungen. So stellt sich insbesondere die Frage, ob auch die bisherige Unternehmensentwicklung betrachtet wird oder ausschließlich die Erwartungen für die Zukunft das Entscheidende sind. Egal, was man also zur Definition von Start-ups letztlich heranziehen möchte: Solange qualitative Einschätzungen und zeitliche Dimensionen oder Erwartungen dabei eine Rolle spielen, werden keine eindeutigen Zuordnungen für jedes Unternehmen möglich sein.
Hilfreiche Kriterien
Trotz aller Unschärfen sind diese vorgeschlagenen Kriterien hilfreich. Zugleich ist klar, welche Probleme bei der Zählung von Start-ups auftreten. Sind nun die so (oder eben irgendwie) definierten Start-ups von Bedeutung für Österreich? Dazu zunächst ein Blick auf die Anzahl aller neu gegründeten Unternehmen in Österreich. Die aktuellsten Zahlen liegen für 2014 vor, in diesem Jahr wurden in Österreich laut Statistik Austria in allen Sparten knapp 46.000 Unternehmen gegründet. Dabei mitgezählt werden auch Unternehmen mit nur minimalen Umsätzen, dazu kommt die Personenbetreuung bzw. Pflege.
Da es insgesamt 566.000 aktive Unternehmen gibt, beträgt die sogenannte Gründungsrate 8,1 Prozent. In den neu gegründeten Unternehmen waren im Gründungsjahr 2014 knapp 73.000 Menschen beschäftigt, davon fast 34.000 ArbeitnehmerInnen, der Rest waren selbstständige GründerInnen. Pro Gründung gibt es also Arbeit für insgesamt 1,6 Personen. Das sieht auf den ersten Blick ziemlich attraktiv für den Arbeitsmarkt aus.
Aber es sollte nicht vergessen werden, dass dies weder etwas über die Qualität der geschaffenen Arbeitsplätze noch über die Entlohnung oder die Arbeitszeiten von Beschäftigten und GründerInnen aussagt. Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass die neuen und die alten Unternehmen, was die Aufträge betrifft, zum Teil ein Nullsummenspiel spielen. Die neuen schnappen nämlich den schon bestehenden Unternehmen mitunter Aufträge und Umsätze weg – wodurch bei Letzteren Beschäftigung verloren geht. Das Nullsummenspiel wird nur aufgebrochen, wenn die neuen Unternehmen etwas völlig Neues mit zusätzlichem Nutzen anbieten – und damit zusätzliche KäuferInnen, zusätzliche Nachfrage, anlocken.
Doch selbst wenn man diese Frage außer Acht lässt, ernüchtert ein weiterer Blick auf die Zahlen der Statistik Austria nachhaltig: Von den 2009 gegründeten Unternehmen waren nach fünf Jahren nur noch etwa 56 Prozent der Unternehmen aktiv. Es gibt also eine erhebliche Ausfallsrate – und damit fällt natürlich auch die seit 2009 geschaffene Beschäftigung wieder zurück.
Keine exakten Erhebungen
Start-ups sind natürlich Teil dieser neu gegründeten und jungen Unternehmen. Doch mangels einheitlicher Definition gibt es auch keine exakten Erhebungen der Statistik Austria dazu. Was es gibt, sind verschiedene Studien, die mithilfe von Befragungen, Einschätzungen und Hochrechnungen versuchen, Größenordnungen für das Phänomen der Start-ups zu eruieren.
Demnach können etwa 1,5 bis 3 Prozent aller Gründungen als Start-ups durchgehen, also zwischen 700 und 1.400 Unternehmen. Der gesamte Bestand an Start-ups läge nach diesen Studien in der Größenordnung von 2.800 bis 5.600 existierenden Unternehmen. Mindestens zwei Drittel davon wurden von Männern mit Spitzenausbildung (meist technisch) und meist in Wien gegründet, drei Viertel sehen ihr Produkt als Weltneuheit, 60 Prozent davon im „digitalen Sektor“.
Start-ups haben im Vergleich zu „normalen“ Neugründungen einen größeren Beschäftigungseffekt. Dieser dürfte auch (vergleichsweise) nachhaltiger sein, da es trotz des höheren Risikos eine größere Überlebensrate ergibt (siehe auch „Start-ups als Beschäftigungsmotor?“ ).
Mehr Förderungen
Grund dafür ist, dass ein erheblich größerer Teil der Start-ups über Förderagenturen des Staates wie das AWS oder die FFG gefördert wird als normale Gründungen. Damit wird nicht nur dieKapitalsituation verbessert. Durch die zu erfüllenden Förderungsbedingungen wird in der Regel auch die Qualität der Gründung entscheidend erhöht. Von den geförderten Start-ups sollen nach Aussagen der Agenturen daher etwa 80 Prozent noch nach fünf Jahren aktiv sein.
Die Bedeutung von Start-ups ist vor dem Hintergrund des Strukturwandels nicht vom Tisch zu wischen. Sie können von erheblicher Bedeutung sein, wenn es darum geht, mit neuen Ideen, Verfahren und Geschäftsmodellen die bestehenden Unternehmen herauszufordern.
Auch könnten sie mit ganz neuen Produkten und Dienstleistungen zusätzliche Nachfrage kreieren. Das Produkt- und Dienstleistungsangebot der österreichischen Unternehmen wird dadurch angepasst und entsprechend den Verkaufsmöglichkeiten verändert. Nicht zuletzt im Lichte der allseits erwarteten digitalen Revolution werden erhebliche Produktivitätssteigerungen vorhergesagt. So es allerdings nicht gelingt, dieser Reduktion an Arbeitsstunden durch verstärktes Wachstum (sprich zusätzlichen Absatz) oder Reduktionen des Arbeitsangebots (z. B. Arbeitszeitverkürzung) entgegenzuwirken, gehen Arbeitsplätze verloren.
Fairness unabdingbar
Ein kleiner Teil der Wachstumslösung könnten dabei innovative Start-ups sein. Vorausgesetzt, ihre Innovation besteht nicht in erster Linie darin, Wege zu finden, wie bestehende Regeln (Arbeitsrecht, Steuern, Umwelt, Regulierungen …) am besten ausgetrickst werden können, um den „alten“ Unternehmen unfaire Konkurrenz zu machen – oder Arbeitsplätze anzubieten, die alles andere als zukunftsweisend sind.
Roland Berger/Pioneers – Startup-Hub Wien:
tinyurl.com/y7jvzxb9
Florian Kandler – Startup Report Austria:
www.startupreport.at
Roland Lang
Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 5/17.
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